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Kündigung wegen grober Beleidigung des Arbeitgebers - LAG Saarland 2 Sa 162/13

18. Apr
2015

 - 0Grundsätzlich sind grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder anderer Betriebsangehöriger, insbesondere von Vorgesetzten durchaus geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs.2 BGB dar­zustellen, soweit nach Form oder Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung damit verbunden ist (so auch BAG Urteil v. 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 ). Die Ausübung der grundgesetzlich in Art. 5 Abs.1 GG garantierten Meinungsfreiheit wird durch den Schutz des Rechts der persönlichen Ehre anderer Personen gem. Art. 5 Abs.2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. In grobem Maße unsachliche Angriffedurch den Arbeitnehmer, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber nicht mehr hinnehmen (so auch BAG Urteil v. 10.10.2002 - 2 AZR 418/01).

Der Ausspruch mehrerer Kündigungen, die zwar rechtlich nicht zu Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben, kann im konkreten Einzelfall mit herangezogen werden als abmahnungsgleiche Warnung an den Arbeitnehmer, sein Verhalten für die Zukunft zu überdenken, um so einen späteren Kündigungsausspruch zu vermeiden.

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Saarland vom16. Juli 2014 - 2 Sa 162/13:


Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen vom 10.10.2013 - 4 Ca 365/13 - wird das Urteil unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlosen Kündigungen vom 25.02.2013 und 25.04.2013 und auch nicht durch die - hilfsweise - aus­gesprochenen ordentlichen Kündigungen vom 28.02.2013 und 25.04.2013 aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreites tragen der Kläger (...) und die Beklagte (...).

4. Der Streitwert wird auf 21.389,62 € festgesetzt.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger und Berufungskläger (...) und die Beklagte und Berufungsbeklagte(...).

3. Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Parteien streiten vorliegend über die Wirksamkeit von vier fristlos ausgesprochenen Kündigungen, denen jeweils eine hilfs­weise ausgesprochene ordentliche Kündigung nachgeschoben wurde. Dabei wird die Grundlage für den Ausspruch dieser Kündi­gungen von Arbeitgeberseite in angeblich beleidigenden und verleumderischen Äußerungen des Klägers gegenüber Vorgesetzten sowie über diese, den Betriebsrat, das Personalbüro und die Beklagte selbst gesehen.

1

Der 1970 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei unterhalts­berechtigte Kinder. Er war seit 20.11.1997 als Kranführer für einen so ge­nannten Brückenkran im Versand in der Abteilung Trans­port/R-Hf-Lager für die Beklagte tätig. Aktuell war der Kläger seit 2010 dem Abteilungsleiter, Herrn M., unterstellt. Hinzu kamen die direkten Vorgesetzten, die Her­ren S. und K.. Die Aufgabe des Klägers bestand im Stahllager Süd darin, Material von LKWs oder Eisenbahnwaggons mit dem Kran zu entladen. Darüber hinaus war es Aufgabe des Klägers, das Material ins Stahllager oder an die entsprechenden Linien zu transportieren.

2

Der Verdienst des Klägers belief sich ausgehend von der Grund­vergütung nach der Vergütungsgruppe E02 zuletzt auf 3.055,66 € brutto pro Monat.

3

Unter dem 18.03.2011 verfasste die Beklagte ein Abmahnschrei­ben (vgl. Bl. 26 d.A. = Bl. 44 d.A.), wobei dem Kläger vorgehalten wurde, die Unter­schriftsleistung bezüglich der Teilnahme an einer technischen Unterweisung vom 28.07.2010 am RS-Kran (Rem­scheid-Kran) Stahllager Ost erstmals verweigert zu haben, wobei es im Februar 2011 erneut zu einer Weigerung gekommen sei, die Teilnahme an einer allgemeinen Sicherheitsunterweisung durch Unterschrift zu bestätigen. Erst nach einem persönlichen Ge­spräch am 03.03.2011 habe sich der Kläger hierzu bereit erklärt. Der Kläger hatte sich zunächst im Rahmen des vorliegenden Verfahrens in erster Instanzauch gegen diese Abmahnung mit seiner Klage gewandt. Nach Abweisung der Klage in diesem Punkt wurde die Abmahnung vom Kläger nicht mehr zum Gegen­stand des Berufungsverfahrens gemacht.

4

Am 05.11.2012 hat der Kläger einen Verbesserungsvorschlag eingereicht, welcher als VV mit der Nr. 2012-1044 (vgl. Bl. 27 - 29 d.A. = Bl. 45 - 47 d.A.) bei der Beklagten geführt wurde und vom Kläger mit dem Arbeitstitel „das erste Fundament 1947, die alten guten Arbeitskollegen" belegt wurde. Textlich findet sich in diesem als Verbesserungsvorschlag vom Kläger be­zeichneten Schreiben unter anderem folgendes:

5

Das erste Fundament 1947, die alten guten Arbeits­kollegen

6

….

In diesem Werk wurde das erste Fundament, im Jahr 1947 ge­legt.

7

Seit 1947 ist die Anzahl der Arbeitskollegen, sehr stark gestie­gen, alle waren zufrieden.

8

Fragt man die Kollegen, die mehr als 30 bis 40 Jahre in diesem Werk arbeiten, bekommt man traurige Antworten.

9

Wie war es früher?

10

Wie ist es jetzt?

11

Die traurigen Antworten, früher war es viel besser, wir haben gearbeitet und haben gutes Geld verdient.

12

Heute ist jeder gegen jeden, es wird immer schlimmer.

13

Das Fahrauftrag, für die Brückenkrane die wir bekommen ha­ben am 20.01.2011 und am 01.08.2012 von Vorge­setzten, ist sehr schlecht. Aus den Erfahrungen in der Vergangenheit musste ich feststellen, wenn ich etwas wissen wollte und nach­fragte, bekam ich fast immer die Antwort „du sollst unterschrei­ben“ danach bekommt man von Personalbüro Termin für die schriftliche Abmahnung, Grund Verweigerung der Unterschrift. .....

14

In der Antwort vom 09.11.2012 durch Herrn M. (vgl. Bl. 28/29 d.A. = Bl. 46/47 d.A.) wurde die Ablehnung des Verbesserungsvor­schlags ohne wei­tere Kommentierung damit begründet, dass es sich im Sinne der Betriebs­vereinbarung zum Ideenmanagement um keinen Verbesserungsvorschlag handele.

15

Am 19.11.2012 reichte der Kläger erneut einen Verbesserungs­vorschlag ein, den die Beklagte als VV Nr. 2012-1091 führten (vgl. Bl. 30 - 31 d.A. = Bl. 48 - 49 d.A.). Dieser Vorschlag wurde vom Kläger wie folgt tituliert und formuliert:

16

Bayern, Bad Reichenhall, Unfall mit 15 Toden und TK H.?

17

….

In Bayer, Bad Reichenhall stürzte die Dachkonstruktion einer Eissporthalle es hat 15 Menschen das Leben ge­kostet.

18

In H., Standort T. Konzern, Produktion von Kurbelwellen, wurden Mängel festgestellt im Bereich Stahlla­ger. Materi­allager für die Produktionslinien 13 und Produktions­linien 12. Die Mängel ist so groß, dass man mit dem Konstruk­tion der Eissporthalle in Bad Reichenhall vergleichen kann. Die Kolle­gen der T. Konzern, M. Service, haben meh­rere Konstruktionsrisse festgestellt, Kran aus Rem­scheid und in den anderen Kranen. Die fragen die ich den Kollegen gestellt habe und Antworten, die ich bekommen hatte war sehr interes­sant.

19

Der Kollege „Meine Arbeit ist es, Mängel zu finden, die Mängel die ich bis jetzt gefunden hatte, reicht schon aus, um den Kran stillzulegen. Ich teile es deinem Vorgesetz­ten mit er soll ent­scheiden.“

20

Anfang des Jahres 2012 wurden die 10 Grundsätze ge­fragt von Vorgesetzten in der M-Halle. Alle Kategorien der Schicht von Versand und Stahllager waren anwesend. Ich hatte die Fragen gestellt das Kollegen der T. Konzern M. Service, Konstruktion risse festgestellt haben, ist es nicht besser den Kran still zu legen und die Mängel zu beseiti­gen, danach könnte die Krane wieder für die Produktion eingesetzt werden. Meine Vorgesetzten „Es ist nicht so schlimm, Herr F., die ha­ben grünes Licht gegeben, das für die Produktion eingesetzt werden kann“

21

Ich bin für die Materialversorgung für die Produktionsli­nien 10, Produktionslinien 07 und Produktionslinie 14 zu­ständig.

22

Bei Urlaub oder Krankheit eines Arbeitskollegen komme ich auch für die Materialversorgung für die Produktionsli­nien 13 und Produktionslinie 12. Für mich sind Informati­onen im Stahl­lager, Bereich sehr wichtig, Mängel zu er­fahren, Unfälle zu vermeiden.

23

Meine Vorgesetzten versuchen es alle Möglichkeiten, um Kommunikation mit Fachpersonal der T. Konzern M. Ser­vice zu vermeiden. Sind die Kollegen auf dem Brücken­kran, wird man im Versand eingesetzt um Kurbelwellen zu ver­packen. …

24

Auch dieser Vorschlag wurde letztlich abgelehnt.

25

Mit Fax-Schreiben vom 11.02.2013, gerichtet an Herrn M., tat­sächlich aber gesandt an einem innerhalb des Betriebs für meh­rere Personen zu­gänglichen Fax-Anschluss, hat der Kläger sich über die Führungsqualitäten des Abteilungsleiters schriftlich näher ausgelassen. Dieses Fax ging am 12.02.2013 um 17:06 Uhr auf den Faxanschluss ein. Dabei hat der Kläger folgenden Text ge­sandt:

26

… im Fahrauftrag haben Sie Sätze eingetragen ….. Was meine Pflicht ist Bedienungsanleitungen, Betriebsanwei­sungen zu be­achten.

27

Ich möchte in meinem Arbeitsbereich, Stahllager der T. G. Unfälle verhüten.

28

Herr M., Sie sind mein Abteilungsleiter, nach der Zusam­menarbeit in der Praxis musste ich sehr oft feststellen, wenn es um Entscheidungen geht, entziehen Sie sich aus der Verant­wortung und rufen immer eine dritte Person. Sie schreien ihre Arbeitskollegen an, teilen Anweisungen in Worten mit, später sagen Sie, das Sie so was nicht ge­sagt haben. Bitte ich um schriftliche Mitteilung, Ihre An­weisungen, Antworten Sie mit drohenden Worten, Perso­nalbüro, mit schriftlicher Abmahnung, Kündigungsdrohun­gen.

29

Es ist ……. Ein Personalführer, Herr M., führt die opera­tive Logistik Abteilung, mindestens 40 Arbeitskollegen. Die Gastarbeiter, die anfangs 1970 in der Familie G. ge­arbeitet haben und in den Ruhestand gingen, haben trau­rige Geschichten erzählt, dass Sie die Kollegen unter­schiedlich be­handelt haben. Ich kann bestätigen aus der Praxiserfahrung. Die Zusammenarbeit mit Ihnen, dass Sie Gastarbeiter und de­ren Kinder als zweite Klasse Men­schen behandeln.

30

….

Bei anderen Unternehmen wie die Firma B.,I. oder Z.wären Sie nicht als Personalführer sondern als Maschi­nenfüh­rer eingesetzt worden. Kommunikation mit den Maschinen wä­ren Sie erfolgreich, als Personalführer fü­gen Sie Ihren Kollegen mehr Schaden an und entziehen Sie sich aus der Verantwor­tung.

31

Bitte lesen Sie das Buch mit der ISBN: 978-3-499-61351-7 von Rowohlt Verlag, wie die Verantwortlichen Entschei­dungen tref­fen. ….

32

Alle im betrieblichen Vorschlagswesen eingetragen, wur­den abgelehnt, ohne den Grund zu schreiben, entziehen Sie sich aus der Verantwortung. ….

33

….

Die Haftung eines Kranführers bei Arbeitsunfall ist sehr groß. Ich möchte in meinem Arbeitsbereich Stahllager der T. G.Unfälle verhüten.

34

…Auch wenn Sie diesen Schreiben an dritte Arbeitskolle­gen zeigen. Den Fahrauftrag haben Sie unterschrieben, Verant­wortung braucht man nicht immer den anderen zu­schieben. ….

35

Nachdem der Kläger im Rahmen des Personalgesprächs am 19.02.2013 eine Stellungnahme zu Inhalten dieses Fax-Schrei­bens vom 11.02.2013 ab­gelehnt hatte, nahm die Beklagte den Inhalt dieses Faxschreibens im Zu­sammenhang mit dem Gesamt­eindruck des Verlaufs des Arbeitsverhältnis­ses in den letzten Jah­ren zum Anlass ihrer Entscheidung, das Arbeitsver­hältnis mit dem Kläger fristlos sowie hilfsweise fristgerecht kündigen zu wol­len. Im Rahmen des Anhörungsschreibens an den Betriebsrat (vgl. Bl. 155 - 159 d.A.), welches den Betriebsrat am 20.02.2013 erreichte, fasste die Be­klagte die Entwicklung des Arbeitsverhältnisses unter Auflistung von Vor­gängen seit August 2010 zusammen, wobei sie neben dem Faxschreiben vom 11.02.2013 auch die vorgeschil­derten Verbesserungsvorschläge aus dem November 2012, die Abmahnung vom 18.03.2011 sowie die sich hieran anschließen­den Gesprächen unter Einschaltung der IG Metall Ende 2012 we­gen einer Beschwerde nach § 85 Betriebsverfassungsgesetz durch den Kläger und die letztlich erfolglosen Mitarbeitergesprä­che aus dem August 2011 näher ausführte. Der Betriebsrat hat die ihm durch das Betriebsverfas­sungsgesetz eingeräumte Stel­lungnahmefrist ohne Reaktion verstreichen lassen. Die Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom 25.02.2013, dem Klä­ger am sel­ben Tag noch zugegangen, das Arbeitsverhältnis fristlos aufge­kündigt (vgl. Bl. 6 d.A. = Bl. 13 d.A.). Mit Schreiben vom 28.02.2013 wurde das Arbeitsverhältnis ordentlich zum Ablauf des 31.8.2013 gekündigt.

36

Der Kläger hat sich unter den 27.02.2013 durch Einreichung einer Klage bei der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts Saarbrücken zunächst gegen die fristlose Kündigung zur Wehr gesetzt. Im Verlauf des Rechtsstreits ließ er sich durch einen von ihm beauf­tragten Rechtsanwalt vertreten, dem aber entsprechend seiner dem Gericht gegenüber gefertigten Anzeige vom 12.04.2013 (vgl. Bl. 90 d.A. = Bl. 91 d.A.) seitens des Klägers das Mandat entzo­gen wurde. Der Kläger seinerseits hatte bereits unter dem 10.04.2013, beim Arbeitsgericht Neunkirchen am 12.04.2013 ein­gegangen, einen eige­nen siebenseitigen Schriftsatz mit Anlagen B1 bis B18 (vgl. Bl. 59 - 89 d.A.) verfasst. Nachdem der Kläger in diesem Schreiben zunächst seine Möglich­keiten, auf Missstände aufmerksam zu machen, mit eigenen Worten näher kennzeichnet und darauf hingewiesen hatte, dass seine Mittel hierzu be­schränkt seien, führte er bereits auf der ersten Seite dieses Schreibens aus, dass es ihm dann, wenn es zu einem Arbeitsunfall komme, nur möglich sei, den Opfern sowie den Angehörigen mitzuteilen, dass es ihm leid tue unter Hinweis auf seine schriftlichen Mittei­lungen im Vorfeld. Ferner könne er nur darauf verweisen, dass er Opfer von Mobbingfällen geworden sei (vgl. Bl. 59 d.A.). Auf der zweiten Seite im unteren Bereich machte der Kläger sodann Aus­führungen dazu, dass bei einem Arbeitsunfall bei der Beklagten ein Mensch gestorben sei. Sodann zog der Kläger Parallelen zum Einsturz der Dachkonstruktion einer Eissporthalle in Bad Reichen­hall in Bayern und ver­wies darüber hinaus auf den Flugtag in Remscheid vom 28.08.1988 sowie das Unglück beim Flugtag am 27.07.2002 in Lemberg. Es folge seiner Ausfüh­rung, dass es im­mer das gleiche sein. Wenn es zu spät sei, dann werde im­mer etwas unternommen, nicht jedoch vorher. Seine Verbesserungs­vor­schläge würden erst dann umgesetzt, wenn etwas passiert sei, nicht jedoch vorher. Im Anschluss daran erklärte der Kläger, dass das Unternehmen der Beklagten von zwei Geschäftsführern ge­führt werde, um Arbeitsunfälle zu reduzieren. Dennoch gebe es immer wieder solche Arbeitsunfälle. Konflikte würden nicht gelöst, vielmehr werde der Arbeitsplatz zum Mobbingplatz (vgl. Bl. 60 d.A.). Bereits im ersten Absatz der nächsten Seite gab der Kläger an, dass gute alte Arbeitskollegen, die 30 - 40 Jahre im Werk der Beklagten ar­beiten, immer einen guten Rat mitgeteilt hätten. Er solle an seine Abfindung denken, da man irgendetwas finden werde, ihm zu kündigen. Er solle sich nicht widersetzen, sondern tun, was ihm gesagt werde. Sodann ergänzte er seine Ausführun­gen mit dem Satz, dass die vorgesetzten Kollegen bewusst aus­gesucht worden seien, um das Personalführungswerkzeug der Angst in der Praxis umzusetzen (vgl. Bl. 61 d.A.). Dies griff der Kläger auch auf Seite sechs des Schreibens im zweiten Absatz erneut auf (vgl. Bl. 64 d.A.). Auf Seite drei seines Schriftsatzes ging der Kläger in der Mitte darauf ein, dass die Hierarchie bei der Beklagten von Kollegen besetzt sei, die ihre Macht missbrauchen, sobald die ISO-Auditoren die Prüfung der Theorie in der Pra­xis vorgenommen hätten und das Werksgelände wieder verlassen hätten. Danach werde wieder das Personalführungsinstrument der Angst gebraucht. Dabei führte der Kläger zum Beweis einen Ver­gleich zum so genannten Mil­gram-Experiment als Anlage B12 mit in den Prozessstoff ein (vgl. Bl. 61 d.A., Bl. 78 - 80 d.A.). Neben vielen weiteren Ausführungen im Rahmen dieses Schriftsatzes erwähnte der Kläger auf Seite sechs in der unteren Hälfte sei­nes Schriftsatzes (vgl. Bl. 64 d.A.), dass es sein erster Weg sei, Kon­flikte im Arbeitsplatz zu lösen und zwar innerhalb des Hauses, in­dem man zum Be­triebsrat gehe. Komme es dabei nicht zu einer Lösung, sei es notwendig, sich an die Gewerkschaft zuwenden. Man sei als Arbeitnehmer dabei aller­dings ein Tischtennisball, wobei sich der Vorgesetzte auf der linken Seite befinde und auf der rechten Seite der Betriebsrat mit der Gewerkschaft. Der Klä­ger bezeichnete dies als dunkle Machenschaften der Arbeitneh­merver­treter. Nachdem dieser Schriftsatz die Beklagte am 15.04.2013 erreicht hatte, entschied sich die Beklagte dazu, dem Kläger erneut fristlos und hilfs­weise fristgerecht das Arbeitsver­hältnis aufzukündigen. Am 17.04.2013 wurde ein entsprechendes Anhörungsschreiben an den Betriebsrat verfasst (vgl. Bl. 31 - 33 d.A. im Aktenstück mit dem ehemaligen Aktenzeichen 4 Ca 713/13). Der Betriebsrat ließ die ihm durch § 102 BetrVG einge­räumten Stellungnahmefristen ungenutzt verstreichen. Mit Datum vom 25.04.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis er­neut fristlos sowie hilfsweise fristgerecht zum 31.10.2013 bezie­hungsweise zum nächstmöglichen Termin (vgl. Bl. 3 d.A. im ehe­maligen Aktenstück 4 Ca 713/13). Auch diese Kündi­gung erreichte den Kläger noch am Tag der Ausstellung.

37

Der Kläger hatte zuvor im Kalenderjahr 2013 beim Arbeitsgericht Neunkirchen über einen Rechtsanwalt aus Kaiserslautern als Pro­zessbevollmäch­tigten unter dem Aktenzeichen 3 Ca 25/13 einen Rechtsstreit beim Arbeits­gericht Neunkirchen eingeleitet, mit wel­chem er sich unter anderem gegen die ihm am 08.11.2010 eröff­neten Leistungsbeurteilung für 2010 in der Be­notung zur Wehr setzte und zum anderen Entgeltdifferenzen reklamierte. Nach Durchführung des Gütetermins vom 18.02.2013, zeigte der Pro­zess­bevollmächtigte mit Schreiben vom 11.04.2013 die Mandats­niederlegung an (vgl. Bl. 41 d.A. des Aktenstücks 3 Ca 25/13). Die Mandatsentziehung er­klärte der Kläger mit einem an das Gericht in Neunkirchen gerichteten Fax-Schreiben vom 24.04.2013 unter anderen mit den schlechten Erfahrungen, die er mit seinem Pro­zessbevollmächtigten im Rahmen des Gütetermins vom 18.02.2013 gemacht habe (vgl. Bl. 42 d.A. im Aktenstück 3 Ca 25/13). Nach erfolgter Mandatsentziehung verfasste der Kläger in diesem Rechts­streit unter dem 22.04.2013 einen Schriftsatz, der beim Arbeitsgericht Neunkirchen am 25.04.2013 eingegangen war (vgl. Bl. 44 - 48 d.A. mit Anla­gen B1 - B8 Bl. 49 - 57 d.A. im Ak­tenstück 3 Ca 25/13). Dieser Schriftsatz ging der Beklagten am 26.04.2013 zu. Im Rahmen dieses Schriftsatzes be­schwert sich der Kläger zunächst darüber, dass er auf seinen schriftlichen Wi­derspruch gegen die Leistungsbeurteilung für das Kalenderjahr 2010 keine Antwort erhalten hätte, und dass seine Nachfrage beim Betriebsrat auch nichts gebracht hätte außer der Antwort, dass sein Widerspruch abge­lehnt worden sei. Der Kläger führte daraufhin weiter aus, dass die Art, wie Meinungsverschiedenhei­ten von der paritätischen Kommission bearbeitet würden, fraglich sei, da man keine schriftliche Antwort erhalte. Der Kläger verlieh seiner Ansicht Ausdruck, dass die Statistik der paritätischen Kommis­sion sehr wichtig sei (vgl. auf Seite 2 des Schriftsatzes im 3. Absatz - Bl. 45 d.A.). Die Leistungsbeurteilung erfolge von oben nach unten und damit nicht in demokratischer Art von unten nach oben. Bei dem Produktionsstandort der Beklagten in H. handele sich um ein Unternehmen mit durchge­führter Demokratie ohne Meinungsfreiheit (vgl. auf Seite 2 des Schriftsatzes im vierten Ab­satz - Bl. 45 d.A.). Im fünften Absatz auf Seite 2 wurde von Seiten des Klägers folgendes ausgeführt, dass ihm die Zusammenarbeit mit den Kollegen sehr wichtig sei, dass aber ein Arbeitsunfall bei Kollegen ent­stehe, die die Arbeit ausführten, nicht jedoch bei ei­nem Personalführer selbst. Dabei sei das Vier-Augen-Prinzip das Schrecklichste eines Be­triebsablaufs. Gebe es nämlich einen Fehler, würden die guten Freunde helfen, um den Fehler zu un­terdrücken. Es sei wie ein Computer-Betriebs­system mit Virus, der schädlich für das System sei. Die gute Zusammenar­beit mit dem Betriebsrat und dem Personalbüro werde bereits mit der inner­be­trieblichen Stellenausschreibung mitgeteilt als vertrauensvolle Zu­sam­menarbeit. Ferner führte der Kläger in seinem Schreiben aus, dass man für seinen Widerspruch in der Leistungsbeurteilung die Antwort erhalte, wenn man außerhalb des Unternehmens bei ei­nem Rechtsanwalt Hilfe sucht. Die Folgen seien, dass man zum Mobbingopfer werde. Auch hier wiederholte der Kläger seine Ein­schätzung, dass es sich bei der Beklagten um ein Unter­nehmen handele, welches Demokratie ohne Meinungsfreiheit praktiziere (vgl. Seite 2 des Schriftsatzes im drittletzten Absatz - Bl. 45 d.A.). Der Kläger setzte sich danach mit einem von ihm gestellten Ur­laubsantrag, um am Sonntag 18.07.2010 an der Hochzeit seines besten Freundes teilnehmen zu können, auseinander. Dieser An­trag sei aber abgelehnt worden mit dem Hinweis des Abteilungs­leiters M., dass er zwar wisse, dass der Kläger den schönen Sonntag genießen wolle, dass der Kläger aber auch an die be­trieblichen Interessen denken müsse, zumal es keinen Ersatz für ihn gebe an diesem Tag. Dieses Beispiel nahm der Kläger zum Anlass, auf Seite 3 im zweiten Absatz des Schriftsatzes (vgl. Bl. 46 d.A.) auszuführen, dass derje­nige, der sich der Autorität nicht beuge, der also nicht immer der gute Kol­lege sei und alles unter­schreibe, was von oben kommt, zum Mobbingopfer werde. Der Arbeitsplatz werde dann zum Mobbingplatz. Der Kläger ging dann weiter darauf ein, dass er auch gegen die Leistungsbeurteilung für 2011 einen Widerspruch eingelegt habe, dass er aber hierauf er­neut keine Antwort von der paritätischen Kommission erhalten habe. Gegen die Leis­tungsbeurteilung für 2012 habe er deshalb keinen schriftlichen Widerspruch mehr eingelegt, da es sinnlos sei, immer wieder einen Anwalt zu beauftra­gen, wenn in einem Unternehmen die Demokratie nicht funktioniere und man unter­drückt werde mit Mobbingfällen (vgl. Bl. 46 d.A.). Auf der gleichen Seite setzte sich der Kläger mit sozialpsychologischen Aspekten auseinander, in­dem er ausführte, dass es die Macht des sozialen Umfelds und weniger die Persönlichkeit eines Menschen sei, die zum üblen Verhalten führe. Ferner setzte sich der Kläger mit der Prozessvertretung der Beklagten im Rahmen der gerichtlichen Verhandlungen durch die Personalleiterin der Beklagten ausei­nander, wobei er Unverständnis dafür kundtat, dass die Perso­nalleiterin über seine Arbeitsleistung berichte, ohne selbst mit ihm zusammen zu ar­beiten (vgl. Bl. 46/47 d.A.). Der Kläger wieder­holte auf Seite 4 im dritten Ab­satz dann auch seine Aussage, dass derjenige, der sich der Autorität nicht beuge, also nicht immer der gute Kollege sei, der alles unterschreibe, was von oben kommt, zum Mobbingopfer werde, so dass auch der Arbeitsplatz zum Mobbingplatz werde (vgl. Bl. 47 d.A.). Der Kläger erwähnte dann, dass er selbst hinsichtlich seiner Fragen nach Informationen in der Fachliteratur und dem Internet gesucht habe. Dabei habe er fest­gestellt, dass nach dem Arbeitsschutzgesetz eine Gefährdungs­beurteilung zu erstellen sei im Unter­nehmen, wobei sich der Klä­ger auf die ISO 31.000 bezogen hat. Der Kläger stellte sodann die Frage, was man aus Katastrophen wie dem ICE-Unglück von Eschede, der Explosion eines Kesselwagens in der BASF sowie dem Tankerunglück der Exxon-Valdez usw. lernen könne. Er habe seine Erkennt­nisse aus dem Selbst-Studium angewendet mit der Folge, fristlos gekündigt worden zu sein. Der Kläger vertiefte diese Darstellung noch weiter, indem auch zu anderen Unfällen außer­halb des Betriebs der Beklagten (Einsturz des Daches einer Eis­sporthalle in Bad Reichenhall sowie Flugtagunglück und Zugun­glück) Verbindungen hergestellt werden zur Arbeit mit den Last­kränen bei der Beklagten. Auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 22.04.2013 heißt es dann im ersten Absatz (vgl. Bl. 48 d.A. – 3 Ca 25/13 N.):

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„Ein Bild sagt 1000 Worte, was dem Kollege Herr F., pas­siert ist wird uns auch passieren, keine Zivilcourage zei­gen. Die Gefahren nicht mitteilen, wegschauen. Nach Professor Zimbardoist es die Macht der sozialen Um­felds, die zum üblen Verhalten führt“

39

Nach dem Erhalt dieses Schriftsatzes leitete die Beklagte ein weiteres Anhö­rungsverfahren beim Betriebsrat ein mit der Bitte um Zustimmung zur er­neuten fristlosen hilfsweise ordentlichen Kündigung (vgl. Bl. 51 - 53 d.A. im ehemaligen Aktenstück 4 Ca 713/13). Der Betriebsrat ließ erneut die ihm nach § 102 BetrVG eingeräumten Fristen für die Stellungnahme verstreichen. Die Be­klagte hat mit Kündigungsschreiben vom 07.05.2013, dem Kläger am selben Tag zugegangen, das Arbeitsverhältnis erneut fristlos aufgekündigt, sowie mit Schreiben vom 13.05.2013 hilfsweise or­dentlich zum 30.11.2013 bzw. zum nächstmöglichen Termin ge­kündigt (vgl. Bl. 12, 13 d.A. im ehema­ligen Aktenstück 4 Ca 1224/13 des Arbeitsgerichts Neunkirchen).

40

Im Zuge des gegen die Kündigungen vom 25.04.2013 ange­strengten Kündi­gungsschutzverfahrens (ehemaliges Aktenstück 4 Ca 713/13) verfasste der Kläger unter dem 12.07.2013 einen Schriftsatz, der am 15.07.2013 beim Ar­beitsgericht eingegangen war und entsprechend dem Vermerk am 19.07.2013 an die Be­klagte versandt wurde (vgl. Bl. 36 - 39 d.A. mit den Anlagen B1 - B7 Bl. 40 - 45 d.A. im ehemaligen Aktenstück 4 Ca 713/13). In diesem Schreiben wies der Kläger zunächst darauf hin, dass es erst nach dem Wechsel in der Position des Abteilungsleiters im Jahr 2010 zu Mei­nungsverschiedenheiten mit dem jetzigen Abtei­lungsleiter gekommen sei. Nach Schilderung seiner Erfahrungen bezüglich einiger Vorgänge, so auch bezüglich des abgelehnten Urlaubs zur Teilnahme an der Hochzeit des besten Freundes des Klägers an einem Sonntag im Jahr 2010, führte der Kläger auf Seite 2 dieses Schriftsatzes aus (vgl. Bl. 37 d.A.), dass Kollegen, die lange im Unternehmen gearbeitet hätten und den Abteilungs­leiter M.gut kennen würden, sich jetzt aber im Ruhestand befän­den, Geschichten erzählt hätten, dass dieser Vorgesetzte Gastar­beiter als Menschen zweiter Klasse behandelt habe. Der Kläger berichtete weiter, dass er seinen Ur­laubsschein vom 27.10.2012 vom Vorgesetzten unterschrieben bekommen habe, dass aber daraufhin nach roter Farbe gesucht worden sei, um ihn zu markie­ren. In seiner Schulzeit hätte er das Thema gehabt, warum da­mals diejenigen, die anders waren, mit gelber Farbe markiert wor­den seien. Es habe sich damals um traurige Geschichten gehan­delt (vgl. auf Seite 2 dieses Schriftsatzes in der Mitte - Bl. 37 d.A.).

41

Hierauf leitete die Beklagte mit Schreiben vom 31.07.2013 erneut ein Anhö­rungsverfahren beim Betriebsrat ein (vgl. Bl. 20 - 23 d.A. im ehemaligen Ak­tenstück 4 Ca 1224/13). Der Betriebsrat sah erneut vom Abfassen einer Stellungnahme ab. Mit Schreiben vom 05.08.2013, dem Kläger am selben Tag noch zugegangen, kün­digte die Beklagte das Arbeitsverhältnis daraufhin fristlos (vgl. Bl. 3 d.A. im ehemaligen Aktenstück 4 Ca 1224/13). Mit Schrei­ben vom 08.08.2013, dem Kläger am selben Tage noch zugegangen, kün­digte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 28.02.2014 or­dentlich sowie hilfsweise zum nächstmöglichen Termin (vgl. Bl. 4 d.A. im ehemaligen Aktenstück 4 Ca 1224/13).

42

Der Kläger hatte sich nach Erhalt des ersten Kündigungsschrei­bens vom 25.02.2013 arbeitsunfähig krank gemeldet. Eine Be­schäftigung des Klägers hat seither nicht mehr stattgefunden.

43

Der Kläger hat in erster Instanz die Ansicht vertreten, sowohl die vier fristlo­sen Kündigungen als auch die jeweils wegen des glei­chen Tatbestandes hilfsweise ausgesprochenen vier ordentlichen Kündigungen seien bereits mangels ordnungsgemäßer Betriebs­ratsanhörung unwirksam. Darüber hin­aus gebe es keinen Grund zum Ausspruch einer Kündigung nach Überzeu­gung des Klägers habe er sich lediglich schriftlich mitteilen können, weil dies das für ihn geeignete Mittel gewesen sei. Er habe einen Dank für seine Ver­besserungsvorschläge erwartet, weil bis 2010 seine Vor­schläge vom frühe­ren Vorgesetzten immer beachtet worden seien mit Blick auf dessen gutes Fachwissen. Im Jahr 2010 habe es eine Änderung gegeben im Sinne einer "Zeitenwende" mit dem Wechsel des Abteilungsleiters. Die Behauptung der Existenz von Mängeln am Kran Süd 2 sei berechtigt. Es seien nämlich in aus­reichender Menge Mängel für eine Stilllegung vorhanden. Es gebe Risse und man stoße sich beim Einsteigen an einem Stromkabel. Die Nichtgewäh­rung des Urlaubs im Juli 2010 betrachte der Klä­ger als Teil des systemati­schen Mobbings. Die Hierarchie der Ge­horsamkeit funktioniere bei der Be­klagten gut. Der Kläger ver­weise im Übrigen auch das Milgram-Experiment. Abgesehen da­von erfolge eine farbliche Kennzeichnung von Urlaubsanträ­gen ausländischer Arbeitnehmer, so dass man sich an eine vergan­gene Zeit erinnert fühle, in welcher Personen, die anders waren, mit gelber Farbe mar­kiert wurden.

44

Auch die Abmahnung vom 18.03.2011 halte der Kläger für unbe­rechtigt, weil der Kläger lediglich Antworten haben wollte auf Fra­gen bezüglich der Unfall­verhütung wegen des so genannten Rem­scheid-Krans.

45

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,

46

1.festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Arbeitsverhältnis durch die au­ßerordentliche Kün­digung der Beklagten vom 25.02.2013 nicht aufgelöst werden wird;

47

2.festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Arbeitsverhältnis durch die au­ßerordentliche Kün­digung der Beklagten vom 25.04.2013 nicht aufgelöst werden wird;

48

3.festzustellen dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die au­ßerordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.05.2013 nicht aufgelöst werden wird;

49

4.festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Arbeitsverhältnis durch die au­ßerordentliche Kün­digung der Beklagten vom 05.08.2013 nicht aufgelöst werden wird;

50

5.festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Arbeitsverhältnis durch die or­dentliche Kündigung der Beklagten vom 28.02.2013 nicht aufgelöst werden wird;

51

6.festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Arbeitsverhältnis durch die or­dentliche Kündigung der Beklagten vom 25.04.2013 nicht aufgelöst werden wird;

52

7.festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Arbeitsverhältnis durch die or­dentliche Kündigung der Beklagten vom 13.05.2013 nicht aufgelöst und been­det wer­den wird;

53

8.festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Arbeitsverhältnis durch die or­dentliche Kündigung der Beklagten vom 08.08.2013 nicht aufgelöst werden wird;

54

9.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern über den 28.02.2014 hinaus andauert;

55

10.die Beklagte zu verurteilen, die an den Kläger mit Schrei­ben vom 18.03.2011 erteilte Ab­mahnung aus der Perso­nalakte zu entfernen.

56

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,

57

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat in erster Instanz die Ansicht vertreten, ihr habe ein wichtiger Grund zum Ausspruch der Kündigungen jeweils ebenso zur Seite gestanden, wie ein Grund bestanden habe, die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen zu recht­fertigen. Die Verbesserungsvorschläge des Klägers aus dem Ka­lenderjahr 2012 hätten bereits rufschädigende Äußerungen ent­halten. Das Fax-Schreiben vom 11.02.2013 stelle nach Meinung der Be­klagten eine grobe Beleidigung des Abteilungsleiters und Vorgesetzten des Klägers dar. Es handele sich dabei um eine nachhaltige Störung des Be­triebsfriedens, wobei das Schreiben wohl überlegte Äußerungen des Klägers wiedergeben. Die Be­hauptungen seien im Übrigen wahrheitswidrig bezüglich der Män­gel am Arbeitsplatz. Der Beklagten seien jedenfalls keinerlei Män­gel am Arbeitsplatz des Klägers bekannt. Ein Arbeitsunfall habe lediglich in der Produktion stattgefunden. Am so genannten Rem­scheid-Kran im Stahllager Ost seien zwar die abgesicherten Auf­nahmevorrichtungen entfernt worden. Der Einsatz dieses Krans sei aber erst nach Freigabe durch einen Kran-Sachverständigen erfolgt. Das vom Kläger angesprochene Stromkabel sei eine Plas­tikbox, die aber versetzt worden sei. Die vom Kläger aufgeführten Risse am Kran seien durch einen Sachverständigen geprüft wor­den und als kosmetische Abplatzungen eingestuft worden. Abge­sehen davon sei der Kläger typischerweise im Stahllager Süd ein­gesetzt. Im Stahllager Ost werde er lediglich als Springer benötigt. Gerade in den letzten Jahren habe man bei der Beklagten die An­strengungen bezüglich der Arbeitssicherheit intensiviert unter Ein­schaltung eines externen Dienstleisters, so dass die Unfallzahlen sich im Vergleich der Jahre 2010/2011-2011/2012 halbiert hätten. Zudem habe es keine Anweisung zur Reinigung der Säge wäh­rend ihres Betriebs gegeben.

58

Auch im Schriftsatz vom 10.04.2013 seien erneut unhaltbare Vor­würfe ent­halten. Dies betreffe insbesondere die angeblich be­wusste Inkaufnahme von Todesfällen. In gleicher Weise sei dies aber auch zutreffend auf den Vorwurf der Nichteinhaltung von Ge­setzen sowie auf den Machtmissbrauch durch Vorgesetzte. Auch hier seien wieder erhebliche Beleidigungen und Verun­glimpfungen nach Überzeugung der Beklagten zu erkennen.

59

Im Schriftsatz vom 12.07.2013 sei dann der völlig unhaltbare Vor­wurf des Klägers zu lesen, dass Gastarbeiter wie jüdische Bürger in der Zeit des Nati­onalsozialismus behandelt würden. Dieser Vorwurf ergebe sich aus dem Hinweis des Klägers auf ein angeb­lich bei Urlaubsanträgen von Gastarbei­tern angebrachtes rotes Kreuz mit seinem anschließenden Vergleich zur Verwendung gel­ber Farbe aus früherer Zeit. Hierin sei eindeutig der Hinweis auf den gelben Judenstern der nationalsozialistischen Zeit enthalten.

60

Die Abmahnung vom 18.03.2011 sei nach Überzeugung der Be­klagten zu Recht erteilt worden. Der Kläger habe nämlich ohne Angabe von Gründen die Unterschrift verweigert bezüglich der von ihm durchgeführten Teilnahme an einer Sicherheitsunterweisung.

61

Das insgesamt die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts vom 10.10.2013 stützt sich im Wesentlichen auf folgende Ge­sichtspunkte. Nach den Ausführungen des Arbeitsgerichts ist das Arbeitsverhältnis aufgrund der dem Kläger gegenüber ausgespro­chenen fristlosen Kündigung vom 25.02.2013 wirksam aufgelöst worden, weil ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen hat. Insoweit wird zunächst allgemein ausge­führt, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten sowie gegenüber Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die betroffenen Personen bedeuten, einen erheblichen Verstoß gegen Pflichten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis darstellen können. Insoweit kann hierauf auch eine außerordentliche fristlose Kündigung letztlich gestützt werden. Das Faxschreiben vom 11.02.2013 stelle eine erhebliche Herabwürdigung des Abtei­lungsleiters des Klägers dar, indem ihm pauschal Kompetenzen im Umgang mit Personalführung ohne Darlegung konkreter Sach­verhalte sei­tens des Klägers abgesprochen werden. Arbeitnehmer dürften zwar durch­aus unternehmensöffentlich Kritik am Arbeitge­ber sowie den betrieblichen Verhältnissen üben, wobei diese ge­gebenenfalls auch überspitzt und pole­misch ausfallen darf. Es sei aber nicht hinzunehmen, wenn in grobem Maße unsachliche An­griffe vorgenommen werden, die unter anderen zur Untergra­bung der Position eines Vorgesetzten führen können. Der Kläger führe zu dem pauschale Angaben zu einer angeblichen Fremdenfeind­lichkeit des Abteilungsleiters aus. Er weise nämlich darauf hin, dass Gastarbeiter, die in Ruhestand gingen, traurige Geschichten über unterschiedliche Behandlung durch den Abteilungsleiter er­zählt hätten. Er könne darüber hinaus aus eige­ner Erfahrung be­stätigen, dass der Abteilungsleiter Gastarbeiter und deren Kinder als Menschen zweiter Klasse behandeln. Darin müsse nach Auf­fas­sung des Arbeitsgerichts die ausdrückliche Unterstellung von Fremdenfeind­lichkeit gesehen werden. Der Kläger verweise in diesem Zusammenhang nur pauschal auf eine Verfahrensweise bei Urlaubsanträgen. Dieses Fax-Schreiben beinhalte darüber hinaus eine Herabwürdigung anderer Abteilun­gen sowie des Be­triebsrates, wenn vorgeworfen werde, dass diese bei Feh­lern von Abteilungsleitern wegschauten. Auch gebe der Kläger lediglich pau­schal an, seine Verbesserungsvorschläge fänden keine Be­rücksichtigung. Er behaupte weiter pauschaliert, dass weitere Ab­teilungen sowie der Betriebs­rat ihrer Arbeit nicht nachkämen. Die Ehrverletzungen des Klägers wiegen nach Darstellung des Ar­beitsgerichts umso schwerer, je überlegter sie vom Kläger in sei­nem mehrseitigen Schreiben vorgebracht worden sein. Zudem könne ergänzend zur Bekräftigung des Vorliegens eines wichtigen Grundes auf Ausführungen des Klägers in weiteren Verlauf zu­rückgegriffen werden. Dies dürfe zwar nicht so weit gehen, dass eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch Berücksichti­gung des späteren Verhaltens rückwirkend zu einer wirksamen Kündigung werde. Allerdings können die Berücksichtigung nach­träglich eingetretener Umstände durchaus insoweit erfolgen, als sie die zur Kündigung führenden Vorgänge in einem anderen Licht erscheinen lie­ßen. Es müsse dabei eine so enge Beziehung zwi­schen alten und neuen Vorgängen gegeben sein, dass sie nicht außer Acht zu lassen sind, ohne dass der einheitliche Vorgang zerrissen werde. Hier sei dies beim Kläger aber der Fall, weil er im weiteren Verlauf des Verfahrens die Vorwürfe der Ausländerfeind­lichkeit gegenüber dem vorgesetzten Abteilungsleiter noch vertieft habe. So weise der Kläger in seinem Schriftsatz vom 10.04.2013 da­rauf hin, dass die Vorgesetzten bewusst ausgesucht worden seien, um das Personalführungswerkzeug Angst in der Praxis um­zusetzen. Die Hierarchie sei mit Kollegen besetzt, die ihre Macht missbrauchten. So entstünden Ar­beitsunfälle. Zudem setzt sich das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung in­tensiv mit der Bedeu­tung des Verweises des Klägers auf das so genannte Milgram-Experiment auseinander, das seinen Ursprung daraus ziehe, bei der sozialpsychologischen Erklärung von Verbrechen aus der Zeit des National­sozialismus eine Hilfestellung zu leisten.

62

Die Beklagte habe darüber hinaus die Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

63

Auch sei eine Unverhältnismäßigkeit im Ausspruch der fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung nicht zu erblicken. Im Fall des Klägers habe nämlich nicht von seiner Seite aus mit der Billi­gung seines Verhaltens durch die Beklagte gerechnet werden dürfen wegen der pauschalierten Absprache von Personalkom­petenzen und der Behauptung der Ausländerfeindlichkeit. Dies werde noch durch die Einbindung anderer Abteilungen sowie des Be­triebsrates und den diesen Bereichen gemachten Vorwurf, dass sie bei Fehlern der Abteilungsleiter wegschauten, verstärkt. Der Kläger habe ohne jegliches Monieren eines konkreten Sachver­haltes oder Verhaltens des Ab­teilungsleiters seinem Vortrag ge­halten und dabei in der Kritik nur eine belei­digende Form gewählt, so dass die Möglichkeit einer zukünftigen vertrau­ensvollen Zu­sammenarbeit nicht mehr ersichtlich sei. Eine Abmahnung dem Kläger gegenüber wäre aus Sicht des Arbeitsgerichts nicht Erfolg verspre­chend gewesen, da der Kläger noch im Schriftsatz vom 12.07.2013 trotz des Ausspruchs mehrerer Kündigungen im Vor­feld keineswegs sich habe davon abhalten lassen, erneute Belei­digungen schriftlich zu fixieren mit der Äuße­rung, der Abteilungs­leiter würde Gastarbeiter als Menschen zweiter Klasse behandeln. Dabei habe der Kläger sogar Bezüge zum Nationalsozialismus und zum gelben Judenstern hergestellt. Sein Verhalten mit diesem NS-Ver­gleich habe der Kläger im beleidigenden Stil damit noch erheblich ausge­weitet. Gegenüber diesen Feststellungen hinsicht­lich der massiven und er­heblichen Beleidigungen durch den Trä­ger könnten die fast 15 Jahre der Beschäftigung bei der Beklagten sowie der Familienstand des Klägers kei­neswegs im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers eine andere Sicht eröffnen.

64

Im Rahmen des Urteils wurde die Klage bezüglich der weiteren Kündigungen abgewiesen, weil ein Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung von deren Unwirksamkeit nicht mehr bestanden habe. Dies ergebe sich daraus, dass die zeitlich vorangegangene Kündigung vom 25.02.2013 das Arbeitsverhält­nis bereits aufgelöst gehabt habe, bevor die weiteren Kündigungen dem Kläger zuge­gangen seien.

65

Im Rahmen des Urteils wurde auch der Klageantrag auf Entfer­nung der Ab­mahnung vom 18.03.2011 als unbegründet abgewie­sen.

66

1.Der Kläger wendet sich im Rahmen seines Vorbringens in zweiter Instanzzunächst dagegen, dass das Arbeitsgericht bei der Beurteilung des Sachverhaltes die Vorgeschichte des Klägers nicht ausreichend berücksich­tigt habe, da es dann nach Überzeu­gung des Klägers hinsichtlich der Be­wertung des Schreibens vom 11.02.2013 an den Abteilungsleiter zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Probleme seien nämlich erst mit dem Wechsel in der Abteilungsleitung im Kalenderjahr 2010 aufgetreten. In den Jahren seit 2001 habe der Kläger als Kranführer ohne Probleme mit dem damaligen Abteilungsleiter zusammengearbeitet. Der Kläger sieht den Kern der aufgetretenen Probleme in der Weige­rung des Abteilungsleiters, münd­lich gegebene Arbeitsanweisun­gen auch schriftlich zu bestätigen. Der Kläger sei insbesondere gefangen von der Vorstellung, es läge ein Missstand vor, der möglicherweise Menschenleben gefährden könne. Ursache dieser Vor­stellung des Klägers sei die im Kalenderjahr 2010 ihren Beginn nehmende psychische Erkrankung des Klägers. Mit Erhalt der fristlosen Kündigung am 25.02.2013 sei der Kläger deshalb auch arbeitsunfähig krankgeschrieben worden, weil er sich in einer schweren depressiven Episode mit psychoti­schen Symptomen befunden habe und auch noch befinde. Folgen dieser Erkrankung, wegen der er sich auch mehrere Wochen in einer Klinik in the­ra­peutischer Behandlung befunden habe, sei, dass der Kläger zwar nicht unzurechnungsfähig geworden sei, wohl aber sei sein Auf­treten von Wahn­ideen bestimmt. Er habe nicht mehr korrigierbare Überzeugungen. So sehe sich der Kläger in der Verantwortung für das erneute Anbringen der Siche­rungsgurte des Lastenkrans, bzw. dass alle Lastenkräne mit entsprechender Sicherung verse­hen werden, um so die mögliche Verletzung oder gar den Tod von Menschen vermeiden zu können. Nach Einschätzung seiner be­handelnden Ärztin halte sie es aus medizinischer Sicht für plausi­bel, dass beim Kläger bereits seit 2010 eine unerkannte depres­sive Entwicklung be­gonnen habe durch wiederholte Ergebnisse der Hilflosigkeit, weil der Kläger mit seiner Sorge kein Gehör ge­funden habe.

67

Konkret halte der Kläger die Entscheidung für fehlerhaft, auf dem Fax-Schreiben 11.02.2013 basierend, letztlich die fristlose Kündi­gung vom 25.02.2013 für wirksam zu erachten. Der Kläger habe insbesondere keine Kenntnis zur möglichen Verbreitung des In­halts dieses Schreibens gehabt, weil er nicht gewusst habe, dass es sich um einen betriebsöffentlichen Fax­anschluss gehandelt habe, an welchen er das Schreiben versandt habe. Auch vom In­halt her gehe er davon aus, dass das Grundrecht der Mei­nungs­freiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz die Äußerungen, auch wenn sie polemisch oder verletzend formuliert seien, seine vorgebrachte Kritik abde­cke, so dass eine Kündigung hierauf jedenfalls nicht gestützt werden könne. Jedenfalls vertritt der Kläger die Ansicht, dass bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme eine vorherige Abmahnung erforderlich gewesen wäre. Es gelte nämlich auch bei der verhaltensbedingten Kündigung das soge­nannte Prognoseprinzip. Arbeitsvertragliche Pflichten habe der Kläger je­denfalls sicher nicht verletzt. Eine negative Prognose sei aber durch den In­halt des Faxschreibens vom 11.02.2013 nicht gerechtfertigt. Auch halte der Kläger das Vorbringen in diesem Schreiben nicht für so schwerwiegend, dass er die Rechtswidrig­keit seines Tuns ohne weiteres hätte erkennen müssen. Weiteres prozessuales Verteidigungsvorbringen dürfe nach Über­zeugung des Klägers hier nicht herangezogen werden, weil es für die Beur­teilung des Vorliegens eines Kündigungsgrundes auf den Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündigungserklärung selbst ankomme. Hier ziehe das Arbeitsge­richt nachträglich entstandene Umstände zur Rechtfertigung einer an sich nicht begründeten Kündigung heran. Es müsse dabei auch berücksichtigt werden, dass der Klä­ger sich in einer Sondersituation befunden habe, die ihn dazu ge­zwungen habe, Schriftsätze alleine und unbedacht selbst an das Arbeitsgericht zu verfassen. Der Kläger habe dabei mit seinen schlechten Deutschkenntnissen versucht, laienhafte Erklärungen schriftlich niederzule­gen.

68

Nach Überzeugung des Klägers lieferten seine Schriftsätze vom 10.04.2013 und 12.07.2013 ebenfalls keine Gründe für eine ver­haltensbedingte Kündi­gung. Das Schreiben aus dem April sei le­diglich die Antwort auf die Klage­abweisungsbegründung des Be­klagtenvertreters gewesen. Dabei sei es allgemein anerkannt, dass Schriftsätze innerhalb eines Kündigungsschutz­verfahrens durch das berechtigte Interesse des Arbeitnehmers gedeckt seien. Das Recht der Meinungsfreiheit sei dabei zu berücksichtigen. Eine isolierte Betrachtung eines bestimmten Äußerungsteiles oder Sat­zes dürfen dabei ebenfalls nicht erfolgen, weil diese den Anforde­rungen an eine zuver­lässige Ermittlung des Sinns regelmäßig nicht gerecht werde. Das Arbeitsge­richt habe seine Abwägung nur einseitig zu Lasten des Klägers vorgenom­men durch unzulässige Reduzierung der Aussage im Schreiben vom 10.04.2013, um so den Aspekt der Ausländerfeindlichkeit in den Vorder­grund stellen zu können. Es sei aber durchaus genauso denkbar gewesen, die Darstellung des Klägers als Präzisierung des Führungsstils seines Vor­gesetzten und als Kritik am Konfliktmanagement im Unter­nehmen zu verste­hen. Den Hinweis auf das Milgram-Experiment habe der Kläger lediglich verwandt als Beweis dafür, dass die Vorgesetzten ihre Macht missbrauchen. Ein konkreter Bezug auf einen bestimmten Vorgesetzten sei den Worten des Klägers je­denfalls nicht zu entnehmen. Auch das Schreiben vom 12.07.2013 sei insgesamt vom Recht der freien Meinungsäußerung gerade im Rahmen der Wahrnehmung der eigenen Interessen innerhalb ei­nes Kündigungs­schutzprozesses abgedeckt.

69

Im Übrigen habe die Beklagte nach Überzeugung des Klägers auch auf ihr Kündigungsrecht verzichtet. Obwohl bei Abfassung des Anhörungsschrei­bens vom 19.02.2013 an den Betriebsrat das Schreiben des Klägers vom 11.02.2013 schon bekannt gewesen sei, habe die Beklagte ausweislich des Textes im Schreiben an den Betriebsrat wohl nur eine Abmahnung erteilen wollen. Es ma­che nämlich keinen Sinn, einem Mitarbeiter eine Abmahnung aus­zuhändigen, um ihn gleichzeitig dann auch zu kündigen.

70

Der Kläger ist ferner der Überzeugung, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der beiden Kündigungen vom 25.02.2013 sowie 28.02.2013 nicht ordnungs­gemäß angehört worden sei. Man habe dem Betriebsrat gegenüber nämlich die fehlerhaften Informationen gegeben, die Kündigung erfolge aufgrund des Faxschreibens des Klägers vom 11.02.2013. Der Kläger habe aber deswe­gen nur eine Abmahnung erhalten sollen. Außerdem sei keine Freistellung des Klägers im Vorfeld erfolgt, womit die Beklagte von der übli­chen Eskalati­onsstufe in Kündigungsfällen in ihrem Unternehmen abgewichen sei. Im Üb­rigen sei die Anhörung auch unvollständig gewesen da unter anderem nur eine pauschale Behauptung der Störung des Betriebsfriedens durch die an­gebliche Beleidigung des Vorgesetzten im Fax-Schreiben thematisiert werde. Mit Blick auf die Auflage des Gerichts gegenüber der Beklagten, bis zum 31.05.2013 auf ein Schreiben des Klägers zu erwidern, sei die Überreichung der Betriebsratsanhörung in Kopie im Rahmen des Kammertermins vom 10.10.2013 als verspätet zu betrachten. Zu­mindest hätte man dem Kläger die Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen müssen.

71

2.Der Kläger vertritt auch in zweiter Instanzseine Überzeu­gung, dass die außerordentliche Kündigung wie auch die ordentliche Kündigung vom 25.04.2013 zu Unrecht erfolgt seien, weil die Äußerungen des Klägers von seinem Grundrecht der Mei­nungsfreiheit abgedeckt seien. Die Interes­senabwägung sei seiner Meinung nach deshalb fehlerhaft erfolgt, weil man die Erkrankung des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt habe, aufgrund derer es an einem schuldhaften Verstoß des Klägers bei Erstellung des Schreibens vom 10.04.2013 fehle. Im Rahmen der Betriebsrats­anhörung vom 17.04.2013 sei nur pauschal von Schädigung des Unternehmens der Beklagten die Rede, verursacht durch Inhalte im Schreiben des Klägers vom 10.04.2013, so dass diese Anhö­rung seiner Ansicht nach nicht ordnungsge­mäß erfolgte.

72

3.Die außerordentliche Kündigung vom 05.08.2013 sei wie die ordentli­che Kündigung vom 08.08.2013 aus den gleichen Gründen heraus unwirksam.

73

4.Die Interessenabwägung hätte dazu führen müssen, seine bis 2010 beanstandungsfreie Arbeit bei der Beklagten unter dem früheren Vor­gesetzten zu Gunsten des Klägers zu berück­sichtigen. Die Versetzung des Klägers sei als milderes Mittel aus­reichend gewesen. Abgesehen davon hätte zu seinen Gunsten bewertet werden müssen, dass es nicht die Absicht des Klägers gewesen sei, den Inhalt des Fax-Schreibens vom 11.02.2013 öf­fentlich bekannt zu machen. Er habe vielmehr das Fax an einen aus dem firmeneigenen Adressbuch seinem Vorgesetzten zuge­ordneten Faxan­schluss versandt. Auch die Erkrankung des Klä­gers hätte letztlich bei der Interessenabwägung den Ausschlag zu seinen Gunsten geben müssen.

74

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

75

1.das Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen vom 10.10.2013, Aktenzeichen 4 Ca 365/13, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Ar­beitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.02.2013 nicht auf­gelöst worden ist;

76

2.das Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen vom 10.10.2013, Aktenzeichen 4 Ca 365/13, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Ar­beitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.04.2013 nicht auf­gelöst worden ist;

77

3.das Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen vom 10.10.2013, Aktenzeichen 4 Ca 365/13, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Ar­beitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.05.2013 nicht auf­gelöst worden ist;

78

4.das Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen vom 10.10.2013, Aktenzeichen 4 Ca 365/13, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Ar­beitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 05.08.2013 nicht auf­gelöst worden ist;

79

5.das Urteil des Arbeitsgerichts Neukirchen vom 10.10.2013, Aktenzeichen 4 Ca 365/13, zu ändern und festzustellen, dass das zwi­schen den Parteien beste­hende Arbeits­verhältnis durch die ordentliche Kündi­gung der Beklagten vom 28.02.2013 nicht auf­gelöst worden ist;

80

6.das Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen vom 10.10.2013, Aktenzeichen 4 Ca 365/13, zu ändern und festzustellen, dass das zwi­schen den Parteien beste­hende Arbeits­verhältnis durch die ordentliche Kündi­gung der Beklagten vom 25.04.2013 nicht auf­gelöst worden ist;

81

7.das Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen vom 10.10.2013, Aktenzeichen 4 Ca 365/13, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Ar­beitsverhältnis durch die ordentliche Kündi­gung der Beklagten vom 13.05.2013 nicht aufgelöst worden ist;

82

8.das Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen vom 10.10.2013, Aktenzeichen 4 Ca 365/13, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Ar­beitsverhältnis durch die ordentliche Kündi­gung der Beklagten vom 08.08.2013 nicht aufgelöst worden ist;

83

9.das Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen vom 10.10.2013, Aktenzeichen 4 Ca 365/13, abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien beste­hende Ar­beitsverhältnis auch nicht durch andere Be­endigungstatbestände endet, sondern über den 28.02.2010 hinaus andauert

84

sowie

85

10.die Beklagte für den Fall des Obsiegens mit den Anträ­gen 1-9 zu verurteilen, dem Kläger als Brückenkran­fahrer im Stahllager der Beklagten bis zum rechtskräf­tigen Ab­schluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

86

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsge­richts Neunkirchen vom 10.10.2013, Ak­tenzeichen 4 Ca 365/13, zurückzuweisen.

87

1.Das Arbeitsverhältnis sei wirksam durch den Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 25.02.2013, jedenfalls auf der Basis der hilfsweise aus­gesprochenen ordentlichen Kündigung vom 28.02.2013 beendet worden.

88

Die Beklagte und Berufungsbeklagte wendet zunächst in zweiter Instanzein, dass der Vortrag des Klägers, sein Verhalten stehe in Zusammenhang mit einer Erkrankung, verspätet sei. Zudem sei der vom Kläger gehaltene Hinweis auf einen störungsfreien Ver­lauf des Arbeitsverhältnisses bis zum Kalenderjahr 2010 inhaltlich unzutreffend. Es habe nämlich häufige Quere­len mit seinen da­maligen Vorgesetzten gegeben. Dies habe Veranlassung gegeben zu einem Schichtwechsel, weil es kein Auskommen mehr mit ei­nem der beiden Vorgesetzten des Klägers gegeben habe. Die Darstellung des Klägers bezüglich angeblicher Probleme mit sei­nem aktuellen Vorgesetzten sei zu unsubstantiiert. Irgendwelche Probleme im Zusammenhang der Ein­weisung in die Bedienung des sogenannten Remscheid-Krans habe es aus Sicht der Be­klagten nicht gegeben, weil seitens des Vorgesetzten die ge­stell­ten Fragen wie bei allen anderen Kranführern auch dem Kläger gegen­über beantwortet worden seien. Dennoch habe der Kläger die Fachkraft für Arbeitssicherheit kontaktiert. Der Vorgesetzte und Abteilungsleiter des Klä­gers habe dem Kläger gegenüber ge­äußert, dass dieser selbst entscheiden müssen, wann er die Greifer öffne beim Beladen bzw. Entladen von LKWs, weil die Ausmaße des jeweiligen LKWs dafür entscheidend seien.

89

Das Vorliegen sowie die vom Kläger beschriebenen Auswirkungen der an­geblichen Erkrankung werden von der Beklagten in Zweifel gezogen. Gegen das Vorliegen einer Erkrankung spreche, dass die allgemein erkennbaren Symptome der vom Kläger beschrie­benen Erkrankung, nämlich unter ande­rem Antriebslosigkeit, beim Kläger gerade nicht zu verzeichnen gewesen seien. Er habe An­trieb genug gehabt für ein 3-seitiges Fax-Schreiben vom 11.02.2013. Ebenfalls habe er genügend Antrieb für weitere Schriftsätze in den arbeitsgerichtlichen Verfahren gehabt. Einen entsprechenden Eindruck habe er ja auch in den mündlichen Ver­handlungen vor dem Arbeitsgericht Neunkirchen hinterlassen. Selbst der eigene Vortrag des Klägers belege die Verantwortlich­keit für den Inhalt seiner Schreiben. Er berufe sich nämlich auf die Aussage der behandelnden Ärztin, die lediglich davon gesprochen habe, dass der Kläger sich zeitweise in einer Depression mit Wahnideen befunden habe. Abgesehen davon, dass der Kläger keinerlei konkrete Ansatzpunkte dafür vorgetragen habe, gäbe es auch keine Hilflosigkeitserlebnisse des Klägers im Rahmen des Arbeitsverhältnisses.

90

Hinsichtlich des Fax-Schreibens vom 11.02.2013 an den Abtei­lungsleiter sei es vollständig unbestritten, dass dieses Schreiben an einen innerhalb des Betriebes öffentlich zugänglichen Faxan­schluss gesandt worden sei, der sich in der Abteilung operative Logistik befindet. Eine Faxadresse, die nur den Abteilungsleiter ausweise als Adressat, gebe es nicht im Adressbuch der Beklag­ten. Dritte hätten dieses Fax auch lesen können. So habe das ein namentlich benannter Mitarbeiter gelesen und das Schreiben dann an die Vorgesetzten, insbesondere den Adressaten des Schreibens, übergeben. Ein weiterer namentlich benannter Mitar­beiter habe kurz überflogen. Vom Inhalt her sei dieses Schreiben nach Überzeugung der Beklagten durchaus geeignet, eine ver­haltensbedingte Kündigung auch als außerordentliche Kündigung zu tragen. Die diffamierenden Äußerungen in diesem Schreiben seien nach Meinung der Beklagten nicht mehr von der in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit abgedeckt. Das Arbeitsgericht habe hier in zutreffender Weise eine erhebliche Herabwürdigung des Abtei­lungsleiters festgestellt, weil mangels konkreter Benennung von Sachver­halten Werturteile über den Abteilungsleiter abgegeben worden seien. Ge­rade die Tatsache, dass es sich um ein einseitiges Schreiben handele, wel­ches ei­nige Zeit in Anspruch genommen haben müsse, zeige die sehr über­legte Darstellung des Klägers.

91

In zutreffender Weise habe das Arbeitsgericht im Rahmen seines Urteils auch Ausführungen des Klägers im weiteren Verlauf des Verfahrens mit be­rücksichtigt. Dabei sei insbesondere der Aspekt der Ausländerfeindlichkeit des Vorgesetzten vom Kläger im Ver­lauf des Verfahrens weiter ausgeführt worden und sogar noch verstärkt worden, etwa im Schriftsatz vom 10.04.2013 mit letztli­chem Bezug zum so genannten Milgram-Experiment.

92

Nach Überzeugung der Beklagten sei eine vorherige Abmahnung dem Klä­ger gegenüber entbehrlich gewesen, weil dieser schon nicht mit der Billigung seiner Äußerungen sowie der abgegebenen Werturteile habe rechnen dür­fen. Gerade das Absprechen jegli­cher Personalkompetenz des Abteilungs­leiters sowie der Vorwurf des Wegschauens bei Fehlern des dem Kläger vorgesetzten Ab­teilungsleiters auf Seiten des Betriebsrats, des Personalbüros wie auch der anderen Abteilungen, könne der Kläger kaum als Äuße­rungen werten, deren Billigung auf Arbeitgeberseite zu erwarten sei. Gleiches gelte für pauschale Verunglimpfungen und Beleidi­gungen von Vorgesetzten. Es sei auch nicht ersichtlich, wie durch den Ausspruch einer Abmahnung die Wiederherstellung des Ver­trauens möglich sein sollte, zumal eine solche Abmahnung, wie sich aus dem späteren Verhalten innerhalb des Gerichts­verfah­rens ergeben habe, nicht als Erfolg versprechend hätte angese­hen werden können. Der Kläger habe dies eindrucksvoll im Schreiben vom 12.07.2013 veranschaulicht.

93

Die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts Neunkirchen sei aus dem Blickwinkel der Beklagten nicht zu beanstanden gewesen, wobei insbeson­dere die Argumentation bezüglich der Notwendig­keit des persönlichen Füh­rens des Prozesses nicht als tragend einzustufen sei.

94

Ein Kündigungsverzicht habe auf Seiten der Beklagten nicht vor­gelegen, weil das Abmahnschreiben vom 18.02.2013, welches am 19.02.2013 dem Kläger übergeben werden sollte, einen völlig an­deren Sachverhalt betreffe. Der Kläger habe lediglich am 19.02.2013 im Rahmen des Gesprächs die Mög­lichkeit erhalten sollen, zum Fax-Schreiben vom 11.02.2013 Stellung zu nehmen.

95

Die Betriebsratsanhörung sei ebenfalls ordnungsgemäß erfolgt, wobei die Beklagte dem Grundsatz der subjektiven Determination gefolgt sei bei ihrer Mitteilung, das Fax-Schreiben vom 11.02.2013 sei der Anlass gewesen, die Kündigung auszusprechen.

96

2.Die Kündigungen vom 25.04.2013 seien nach Überzeu­gung der Beklagten ebenfalls wirksam ausgesprochen worden aufgrund des Inhalts des vom Kläger verfassten Schriftsatzes vom 10.04.2013. Aus diesem Schriftsatz ließen sich nämlich unhalt­bare Vorwürfe herauslesen, etwa, dass die Beklagte 12 Men­schenleben vorsätzlich gefährden würde. Ferner habe der Kläger bezogen auf die betriebliche Situation Vergleiche angestellt mit dem Flugzeugunglück in Ramstein. Auch habe der Kläger einen Vorwurf erhoben, dass ein bestimmter konkret bezeichneter Ar­beitsunfall von einem Mitarbeiter mit Anweisungsbefugnis zu ver­antworten gewesen sei, weil er einem Arbeitnehmer aufgegeben habe, die Säge zu reinigen, ohne diese dabei abzustellen.

97

3.Die Kündigungen vom 07.05.2013 sowie vom 13.05.2013 seien ebenfalls berechtigt, wobei diese sich auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 22.04.2013 im Zuge des Rechts­streites des Klägers vor dem Arbeitsgericht Neunkirchen mit dem Aktenzeichen 3 Ca 25/13 bezögen. Auch hier sei wie­der ein unzu­treffender Vorwurf des vorsätzlichen Verstoßes gegen Arbeitssi­cherheitsvorschriften enthalten, der Vorwurf der Vertuschung von Arbeits­unfällen sei ebenfalls unberechtigt und letztlich auch der Vorwurf, dass Vor­gesetzte die Mitarbeiter mobben würden.

98

4.Die außerordentliche Kündigung vom 05.08.2013 wie auch die hilfs­weise ordentlich ausgesprochene Kündigung vom 08.08.2013 seien ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Für diese Kündigungen habe der Schriftsatz des Klägers vom 12.07.2013 im Verfahren 4 Ca 713/13 beim Ar­beitsgericht Neunkirchen den Anlass gegeben. Hier werde vom Kläger nach Überzeugung der Beklagten in unvertretbarer Weise die auslän­derfeindliche Gesinnung dem Abteilungsleiter des Klägers zum Vorwurf gemacht. Auch werde ein Vergleich zum Nationalsozia­lismus gezogen mit dem Hinweis auf das Anbringen eines roten Kreuzes bei Urlaubsanträgen von ausländischen Mitarbeitern, in dem der Kläger darauf verweise, dass dies an die gelbe Farbe von früher erinnere. Gemeint sei damit eindeutig der Judenstern im Rahmen des Dritten Reichs.

99

Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die gewechsel­ten Schriftsätze nebst deren Anlagen, die Sitzungsnie­derschriften aus bei­den Instanzen sowie auf das Urteil des Ar­beitsgerichts Bezug genommen.

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Entscheidungsgründe

I.Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 2 c Ar­bGG statthaft. Sie ist gemäß den §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit den §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form fristgerecht eingelegt und be­gründet worden. Auch der in zweiter Instanz gestellte unechte Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung be­gegnet keinen Zulässigkeitsbedenken.

101

II.Der Berufung des Klägers bleibt jedoch der Erfolg zum großen Teil versagt, weil zwar die jeweils außerordentlich fristlos und hilfsweise or­dentlich seitens der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen vom 25. und 28.02.2013 sowie vom 25.04.2013 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht wirk­sam beendet haben (vgl. dazu weiter unter 1. und 2.). Dafür wurde das Arbeitsverhältnis aber aufgrund der dritten in Folge von der Beklagten erklärten außerordentlichen Kündigung vom 07.05.2013mit Ablauf des Tages ihres Zuganges - also mit Ablauf des 07.05.2013 - wirk­sam aufgelöst (dazu weiter unter 3.). Eine wei­tere rechtliche Untersuchung zur Wirksamkeit der hilfsweise aus­gesprochenen ordentlichen Kündigung vom 13.05.2013 bzw. der weiteren außerordentlich ausgesprochenen fristlo­sen Kündigung vom 05.08.2013 sowie der daran anknüpfend ordentlich er­klärten Kündigung vom 08.08.2013 bedurfte es daher mangels Bestehens eines besonderen Feststellungsinteresses ebenso wenig wie ei­nes Einge­hens auf die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kün­digungsschutzrechtsstreites zu­steht, weil dieser wegen der Auflö­sung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf des 07.05.2013 nicht mehr begründet sein kann (vgl. dazu weiter unter 4. und 5.).

102

1.Die dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 25.02.2014 außeror­dentlich erklärte fristlose Kündigung ist ebenso unwirksam mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs.1 BGB [dazu weiter unter a)] wie die hilfsweise ausge­sprochene ordentliche Kündigung vom 28.02.2013 sozial unge­rechtfertigt ist i.S.d. § 1 KSchG ist [dazu weiter unter b)].

103

a)Die als fristlose Kündigung ausgesprochene außerordent­liche Kündi­gung vom 25.02.2013 hat das Arbeitsver­hältnis der Parteien nicht wirk­sam beenden können, weil es zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungs­erklärung an einem wichti­gen Grund i.S.d. § 626 Abs.1 BGB gefehlt hat, der es der Beklag­ten nicht mehr als zumutbar hätte erscheinen lassen dürfen, den Kläger noch mindestens bis zum Ablauf der ordentlichen Kündi­gungs­frist weiter zu beschäftigen. Das vom Kläger verfasste, an seinen ihm vorge­setzten Abteilungsleiter adressierte und an einen innerhalb des Betriebs al­lerdings in der Abteilung operative Logis­tik betriebsöffentlichen Fax-An­schluss gesandte Schreiben vom 11.02.2013 allein stellt insoweit noch kei­nen wichtigen Grund dar, auch dann nicht, wenn man die von der Beklagten angeführten Vorgänge aus dem Kalenderjahr 2012 hinzunimmt.

104

aa)Nach § 626 Abs. 1 BGB kann von jedem Vertragsteil aus wichti­gem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ge­kündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichti­gung aller Umstände des Einzel­falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses selbst für die Zeitspanne der Kündigungsfrist oder bis zu der Beendigung des Dienstver­hältnis­ses nicht zugemutet werden kann. Die Prüfung erfolgt dabei in zwei Stufen. Zunächst muss geklärt werden, ob ein Grund vorliegt, der an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund darzustellen. In einer zweiten Stufe ist sodann zu prüfen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist unter Berücksichtigung der be­sonderen Umstände sowie unter beiderseitiger Interessenabwä­gung (vgl. std. Rspr. des BAG: BAG-Urteil vom 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - in DB 2010, 2395 - 2399, Rn 16 bei juris; BAG-Urteil vom 26.03.2009 - 2 AZR 953/07 -in NZA-RR 2010, 516 - 518, Rn 21 beijuris; BAG-Urteil vom 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 - in AP Nr. 202 zu § 626 BGB, Rn 19 beijuris; Fischermeier in KR, 10. Auflage Köln 2013, Rn 83 ff zu § 626 BGB; Müller-Glöge in Er­furter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Auf­lage München 2014, Rn 15 zu § 626 BGB). Bei Pflichtwidrigkeiten im Leis­tungsbereich wie auch im Verhaltensbereich muss dem Ausspruch einer (frist­losen) Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung vorausgehen, ehe im Wiederholungsfall das Arbeitsverhältnis wirksam durch Kündigung beendet werden kann (vgl. Müller-Glöge in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Auflage München 2014, Rn 29 zu § 626 BGB; Dörner/Vossen in Ascheid / Preis / Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, 4. Auf­lage München 2012, Rn 84 zu § 626 BGB). Es reicht dabei aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusam­menhang stehen (vgl. BAG Urteil vom 09.06.2011 - 2 AZR 323/10 - in NZA 2011, 1342 - 1346 - Rn 31 bei juris). Dies gilt nach der neueren Rechtsprechung grund­sätzlich auch für den Vertrauens­bereich (vgl. Wank in: Münchener Hand­buch zum Arbeitsrecht - Bd. I, 3. Auflage München 2009, Rn 62 zu § 98 m.w.N. so auch soweit steuerbares Verhalten und die Erwartung der Wie­derher­stellbarkeit des Vertrauens berechtigt ist: Hunold, Die Rechtspre­chung zur Abmahnung und Kündigung bei Vertragsstörungen im Vertrau­ensbereich, NZA-RR 2003, S. 57 - 65, 57 u. 58 m.w.N.; Müller-Glöge in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Auf­lage München 2014, Rn 29 c zu § 626 BGB). Diese Vorschaltung einer Pflicht zur vorherigen Abmahnung und des Abwartens mit einem Kündigungsausspruch bis zum Eintritt eines Wiederho­lungsfalles ist Ausfluss des ultima-ratio-Gedankens (vgl. Müller-Glöge in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Auflage Mün­chen 2014, Rn 29 zu § 626 BGB). Die Beendigung des Arbeits­verhältnisses soll immer die letzte Möglichkeit der Reaktion des Arbeitgebers bleiben, wenn zuvor mildere Mittel eine Korrektur eines Fehlverhaltens nicht wirksam für die Zu­kunft haben einleiten können. Die Verpflichtung zur Abmahnung kann bei besonders schwerwiegenden Pflichtverstößen ausnahmsweise dann ent­behr­lich sein, wenn im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände eine Ab­mahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann (vgl. BAG-Urteil vom 23.06.2009 - 2 AZR 532/08 - in NZA-RR 2009, 622 - 624, Rn 31; Müller-Glöge in: Erfurter Kommen­tar zum Arbeitsrecht, 14. Auflage Mün­chen 2014, Rn 29 c – 29 e zu § 626 BGB; Fischermeier in KR, 10. Auflage Köln 2013, Rn 266, 268 zu § 626 BGB).

105

bb)Wendet man diese Überlegungen auf den Fall des Klä­gers an, wird deutlich, dass jedenfalls am 25.02.2014 noch nicht von einem zum Aus­spruch der fristlosen Kündigung im konkreten Fall berechtigender wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs.1 BGB vor­gelegen hat.

106

(1)Grundsätzlich sind grobe Beleidigungen des Arbeitge­bers oder anderer Betriebsangehöriger, insbesondere von Vorge­setzten durchaus ge­eignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 2 BGB darzustellen, soweit nach Form oder Inhalt eine er­hebliche Ehrverletzung damit verbunden ist (vgl. Preis in Staudinger, BGB Kommentar, Neubearbeitung 2011, Rn 162 zu § 626 BGB; Müller-Glöge in Erfurter Kommentar zum Arbeits­recht, 14. Aufl. München 2014, Rn 86 zu § 626 BGB; KR-Fi­schermeier, 10.Aufl. Köln 2013, Rn 415 zu § 626 BGB; Sandmann in Henssler / Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kom­mentar, 6. Aufl. Köln 2014, Rn 242 zu § 626 BGB; BAG Urteil v. 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 - in NZA 2010, 698 - 701 - Rn 17 beijuris; BAG Urteil v. 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - in EzA § 626 BGB 2002 „Unkündbarkeit“ Nr. 1 - Rn 23 bei juris). Entsprechendes gilt auch für be­wusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehaup­tungen, etwa dann, wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen (vgl. BAG Urteil v. 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 - in NZA 2010, 698 - 701 - Rn 17 beijuris; BAG Urteil v. 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - in EzA § 626 BGB 2002 „Unkündbar­keit“ Nr. 1 - Rn 23 bei juris; LAG Hamm Urteil v. 04.12.2013 - 5 Sa 867/13 - Rn 29 beijuris; LAG Nürnberg Urteil v. 09.10.2013 - 4 Sa 323/13 - Rn 30 beijuris). Entscheidend ist dabei weniger die strafrechtliche Würdigung als der mit der Pflichtverletzung hinsichtlich Einhaltung des Gebotes der Rücksicht­nahme (§ 241 Abs. 2 BGB) einherge­hende Vertrauensbruch und die Beant­wortung der Frage nach der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsver­hältnisses (vgl. BAG Urteil v. 25.11.2010 - 2 AZR 801/09 - in NZA-RR 2012, 222 - 224 - Rn 17 beijuris; Preis in Staudinger, BGB Kommentar, Neube­arbeitung 2011, Rn 162 zu § 626 BGB). Es ist nicht notwendiger­weise erfor­derlich, dass vor dem Ausspruch einer fristlosen Kün­digung mehrere solch gleichgelagerte Pflichtverletzungen vorlie­gen müssen. Schon die erstmalige Ehrverletzung kann kündi­gungsrelevant sein und wiegt vor allem dann umso schwerer, je überlegter sie von Arbeitnehmerseite aus erfolgt ist (vgl. BAG Ur­teil v. 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 - in NZA 2010, 698 - 701 - Rn 17 beijuris; BAG Urteil v. 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - in EzA § 626 BGB 2002 „Unkündbarkeit“ Nr. 1 - Rn 23 bei juris).

107

(2)Innerhalb eines Arbeitsverhältnisses spielt gerade bei kritischen Äußerungen von Arbeitnehmern gegenüber ihren Vor­gesetzten oder über das Unternehmen bzw. andere Personen und Einrichtungen innerhalb des Betriebes oder Unternehmens die jedem in Deutschland lebenden Men­schen durch Art. 5 Abs.1 GG garantierte Meinungsfreiheit eine große Rolle; hierzu zählt natür­lich auch das Recht, diese Meinung äußern zu dürfen (vgl. Eisemann in Küttner, Personalbuch, 21. Aufl. München 2014, Rn 1 zum Stichwort Meinungsfreiheit im Teil A Arbeitsrecht m.w.N. sowie umfänglich hierzu Howald, Meinungsfreiheit im Arbeits­recht, ArbRAktuell 2013, 195-198). Dieses Grundrecht schützt aber weder Formalbeleidigungen und Schmähungen, noch be­wusst unwahre Tatsachenbehauptungen, weil das Grundrecht insoweit gerade nicht schrankenlos gewährt ist. Die Meinungs­frei­heit wird insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre anderer Personen gem. Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Dies schließt zwar nicht aus, dass Arbeitnehmer unternehmens­öffentlich Kritik am Arbeitgeber und an be­trieblichen Verhältnissen üben dürfen, wobei sie sich ggfls. dann auch ein­mal überspitzt oder polemisch äußern können. In grobem Maße unsachliche An­griffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten füh­ren kön­nen, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (vgl. BAG Urteil v. 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 - in NZA 2010, 698 - 701 - Rn 17 beijuris; BAG Urteil v. 10.10.2002 - 2 AZR 418/01 - in EzA § 626 BGB 2002 „Unkündbar­keit“ Nr.1 - Rn 23 bei juris).

108

(3)Hier hat der Kläger mit seinem Fax-Schreiben vom 11.02.2013 entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts zwar hart an der Grenze dessen argumentiert, was noch als Äußerung von Kri­tik verstanden werden kann. Wenn er seinen eigenen Vorspann im Schreiben ernstnimmt, dass er in sei­nem Arbeitsbereich im Stahllager Unfälle verhüten möchte, dann sind die folgenden Passagen sicherlich vom Grunde her durchaus geeignet, die Ver­trauensbasis für ein gedeihliches weiteres Zusammenarbeiten auf eine harte Probe zu stellen. Dort macht der Kläger seinem Vorge­setzten, dem Abtei­lungsleiter, den Vorwurf, sich seiner Verant­wortung zu entziehen, weil er immer dritte Personen hinzuziehen würde. In dieselbe Richtung geht der Vorwurf, der Abteilungsleiter würde Arbeitnehmer nur anschreien und einmal mündlich gege­bene Anweisungen später als inhaltlich so nicht gemeint dar­stel­len. Gerade auch der Hinweis auf ein mit ISBN angegebenes Buch aus dem Rowohlt-Verlag geht deutlich in die Richtung, dem Abteilungsleiter Kompetenzen im Bereich Menschenführung ab­zusprechen. Dies hat der Kläger dann auch in einem Absatz deut­lich gemacht, wenn er davon spricht, dass der Abteilungsleiter bei anderen Firmen, wie etwa Bosch, INA oder ZF, nur die Funktion eines Maschinenführers übertragen bekommen hätte, weil er in der Kommunikation mit Maschinen besser sei, während er als Perso­nalführer seinen Kollegen nur Schaden zufüge. Der Kläger lässt an dieser Stelle aber jegliche konkrete Schilderung von Vor­gängen oder Vorfällen vermissen, die seine sehr plakativ negativ geprägten Darstellungen auch nur ansatzweise würden stützen können.

109

Entgegen der Ansicht der Klägerseite kann zugunsten des Klägers hier nicht von einer dem grundrechtlich geschützten Bereich der Meinungsfreiheit zu­zuordnenden Inhalt ausgegangen werden, weil der Kommunikationsweg, den der Kläger hierfür gewählt hat, nämlich die Verwendung eines Fax-An­schlusses, welcher letztlich in einem eingegrenzten Bereich des Unterneh­mens dann doch betriebsöffentlich und gerade nicht nur dem Abteilungsleiter als Adressaten zugeordnet ist. Gerade dieser Umstand der objektiv vorlie­genden Überschreitung einer persönlichen Gesprächs-/Kommunikationssi­tuation nur zwischen Kläger und seinem Vor­gesetzten ist geeignet, dazu beitragen zu können, den Abtei­lungsleiter in seiner Position als Vorgesetzten zu untergraben. Al­lerdings muss losgelöst von der objektiven Faktenlage gerade bei einer verhaltensbedingt ausgesprochenen fristlosen Kündigung im Rahmen der Bewertung auch das subjektive Moment mit heran­gezogen werden. Losgelöst von der Frage der Möglichkeit für den Kläger, sich ein exaktes Bild davon machen zu können, dass der Fax-Anschluss gerade nicht nur vom Abteilungsleiter, den er mit seiner allerdings durch Fakten nicht be­gründeten Kritik hat errei­chen wollen, genutzt bzw. eingesehen und auf Ein­gänge hin kon­trolliert wird, hat der Kläger stetig versichert, davon ausgegan­gen zu sein, unmittelbar nur den Abteilungsleiter mit seinem Schreiben zu erreichen. Eine Verbreitung des Inhaltes war also letztlich bei Absendung nicht vorgesehen.

110

Auch wenn man dieses Schreiben nicht losgelöst von den Inhalten der vom Kläger eingereichten Schreiben 05.11.2012 (vgl. Bl. 27 - 29 d.A. = Bl. 45 - 47 d.A.) und vom 19.11.2012 (vgl. Bl. 30 - 31 d.A. = Bl. 48 - 49 d.A.) sehen kann, die jeweils als Anzeige eines Verbesserungsvorschlages bei der Be­klagten eingereicht worden sind, hätte es aus Sicht der erkennenden Kam­mer durchaus zu­nächst wohl noch ausgereicht, im Wege einer konkreten persönli­chen Ansprache und/oder einer schriftlich niedergelegten Abmah­nung dem Kläger sein Fehlverhalten in der Wahl der Darstellung seiner Kritik als deutliche Verletzung des Gebotes zur Rücksicht­nahme innerhalb eines Arbeitsverhältnisses deutlich zu machen, um ihm für den Wiederholungsfall die Beendigung - ggfls. auch die fristlose Kündigung - anzudrohen. Mit Blick auf das doch im­merhin bereits zu diesem Zeitpunkt deutlich über 15,5 Jahre be­stehende Arbeitsverhältnis - auch wenn dieses nicht gänzlich als unbe­lastet erscheinen mag - und mit Rücksicht auf die auch in den vom Kläger verfassten Schreiben selbst zum Ausdruck kom­mende keineswegs sichere Beherrschung der Deutschen Sprache in Wort und Schrift wäre es wohl noch möglich gewesen, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwen­dige Vertrauen durch eine Abmahnung und eine dem Kläger dadurch einge­räumte weitere Bewährungsmöglichkeit in der Wahl der Mittel sei­ner - ggfls. auch berechtigten - Kritik nochmals herzustellen.

111

Es kommt hierbei aus Sicht der Kammer auch ein weiterer rechtli­cher Aspekt hinzu. Zwar ist der Kläger im Irrtum, wenn sein Vor­trag so zu verstehen sein sollte, dass die Beklagte ihn wegen des Fax-Schreibens vom 11.02.2013 nur habe abmahnen wollen, weil sich die Abmahnung auf Inhalte und Vorhaltun­gen des Klägers im Rahmen der beiden als Verbesserungsvorschläge einge­reichten Schreiben aus dem November 2012 bezog. Allerdings ist es dann aus Sicht der Kammer vom zeitlichen Ablauf her nicht möglich, eine wirk­same fristlose Kündigung allein auf den Inhalt des Fax-Schreibens an den Abteilungsleiter vom 11.02.2013 zu stützen, wenn man vorhatte, dem Kläger eine Abmahnung zu erklären we­gen der in die Richtung der mangelnden Kompetenz, der fehlen­den Einhaltung von Sicherheitsvorschriften und des Inkaufneh­mens von eventuellen Personenschäden oder gar Arbeitsunfällen mit Todesfolgen gehenden Vorhaltungen in diesen Schreiben aus dem No­vember 2012 ohne erkennbare Ansätze der Darstellung eines Verbesse­rungsvorschlages. Es kommt bei dieser rechtlichen Bewertung dann nicht so sehr auf die Frage an, ob bei Weigerung des Klägers im Gespräch vom 19. Februar 2013, das Abmahn­schreiben entgegen zu nehmen, dieses rechtlich dennoch wegen der mündlichen Erläuterung vom Inhalt her als zugegangen gelten muss. Wesentlich für die Beurteilung des Vorliegens eines Kündi­gungsgrundes ist dabei aber umso mehr die Tatsache, dass es dem Kläger im Zeitpunkt des Abmahngesprächs sowie des Hin­gebens des Abmahn­schreibens zur vom Kläger letztlich verwei­gerten Mitnahme zum einen gar nicht mehr möglich gewesen wäre, sich die abgemahnte Verhaltensweise näher anzuschauen und sein zukünftiges Verhalten darauf abzustimmen, um eine er­neute Pflichtverletzung zu vermeiden. Die Beklagte hat nämlich ein zum Zeitpunkt des Gesprächs am 19.02.2013 bereits in der Vergangenheit liegendes weiteres aus ihrer Sicht kündigungsrele­vantes Fehlverhalten bei Abfassung und Versenden des Fax-Schreibens vom 11.02.2013 zum Anlass genommen, am 19.02.2013 den Betriebsrat zur außerordentlichen fristlosen wie auch zur hilfsweise ordentlichen Kündigung anzuhören i.S.d. § 102 Be­trVG. Selbst wenn der Kläger sich also den Inhalt des Ab­mahngesprächs oder des Schreibens hätte zu Herzen nehmen wollen, um sein Verhalten, insbesondere seine Art und Weise der Äußerung von Kritik an Vorgesetzten wie auch dem Arbeitgeber selbst, zu versachlichen und auch mit konkreten Beispielsfällen jeweils belastbar zu untermauern, wäre der Kündigungsaus­spruch vom 25.02.2013 damit nicht mehr zu verhindern gewesen. Inso­weit hat die Beklagte sich zu diesem frühen Zeitpunkt im Februar 2013 noch wi­dersprüchlich verhalten, weil der mündliche Aus­spruch einer Abmahnung und das Hinreichen eines dann nicht als angenommen gegengezeichneten Abmahnschreibens gar keinen Sinn machen kann, wenn man noch am sel­ben Tag des Abmahn­gesprächs wie der (geplanten) Aushändigung eines Abmahn­schreibens wegen eines anderen, aber in demselben Bereich zu verortenden Verhaltens des Arbeitnehmers aus der jüngeren Ver­gangenheit bereits eine fristlose Kündigung und hilfsweise eine ordentliche Kündigung aussprechen will und dies nach Durchlau­fen des Anhörungsverfahrens beim Betriebsrat auch in die Tat umsetzt. Dem Arbeitnehmer ist damit - unabhän­gig davon, ob er dazu subjektiv überhaupt gewillt gewesen wäre - jegliche Chance genommen, durch Kontrollierung seiner Art der Kritikübung an Vor­gesetzten und dem Arbeitgeber den weiteren Erhalt seines Arbeitsverhält­nisses zu sichern. Bei dieser Bewertung durch die Kammer wird nicht ver­kannt, dass es gerade vor dem Hintergrund verstärkter Inanspruchnahme der Arbeitsgerichte durch Arbeit­nehmer nach Zugang von Kündigungserklä­rungen und der weite­ren Annahme, dass solche von gekündigten Arbeit­nehmern einge­reichte Klagen auch erfolgreich sein können, durchaus auch Sinn machen kann wegen eines zeitlich zurückliegenden, aber vom Arbeit­geber noch nicht so sehr für kündigungsrelevant gehaltenen Pflichtenversto­ßes eine Abmahnung auszusprechen, während zeitgleich oder in unmittelba­rer zeitlicher Folge wegen eines jün­geren Pflichtenverstoßes dann bereits eine Kündigung erklärt wird. Dies macht nur dann keinen Sinn, wenn gerade der als abmah­nungsfähig eingestufte Pflichtenverstoß - wie dies hier der Fall ist - letztlich exakt in dieselbe Richtung gegangen ist, wie der nunmehr als Kündigungsgrund dienende Pflichtenverstoß. Der Vorwurf ge­genüber dem Kläger geht hier nämlich in beiden Fällen dahin, dass er ohne jegliche prüf­bare Benennung von betrieblichen Vor­gängen Vergleiche zu verschiedenen durch die Medien bekannt gewordenen größeren Unfällen mit Todesfolge für eine ganze Reihe von Menschen in seinen als Verbesserungsvorschläge be­zeichneten Schreiben im November 2012 gezogen hatte. Er hat damit den Verantwortlichen (Vorgesetzten wie auch dem Arbeit­geber) letztlich den Vorwurf mangelnder Einhaltung von Sicher­heitsbestimmungen unter Inkauf­nahme von Personenschäden gemacht. In genau dieselbe Richtung geht auch der Inhalt des Schreibens vom 11.02.2013 an den Abteilungsleiter, weil in die­sem Schreiben letztlich gerade die Ablehnung seiner Verbesse­rungs­vorschläge auch thematisiert wurde, wobei dann zusätzlich noch die Kom­petenzfrage des Abteilungsleiters negativ beant­wortet wurde sowie eine ne­gative Einstellung gegenüber Gastar­beitern herausgestellt wurde. Wenn die Beklagte aber darstellt, dass sie es zeitlich einfach vor dem 19.02.2013 nicht habe be­werkstelligen können, mit dem Kläger über Inhalte seiner Verbes­se­rungsvorschläge von November 2012 im Sinne einer Abmah­nung sprechen zu können, kann sie auf der anderen Seite aber auch den Inhalt des Schrei­bens vom 11.02.2013 für sich genom­men noch nicht als Kündigungsgrund heranziehen. Dem Kläger war nämlich bis zum Verfassen dieses Schreibens noch gar nicht deutlich gemacht worden, dass er aus Sicht der Beklagten als seine Arbeitgeberin mit dieser Art der Kritikführung den ihm zu­stehenden Rahmen der Ausübung seines grundgesetzlich ge­schützten Rechtes zur freien Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG unter Verletzung des Gebotes zur Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis (§ 241 Abs. 2 BGB) einer­seits wie auch ggfls. den Schutz der persönlichen Ehre anderer Angehöriger der Be­klagten aus Art. 5 Abs. 2 GG andererseits überschritten hatte. Er konnte damit objektiv diese Rüge eines Pflichtenverstoßes auch bei Abfas­sung seines an den Abteilungsleiter gerichteten Fax-Schreibens vom 11.02.2013 nicht berücksichtigen.

112

b)Die hilfsweise im Zusammenhang mit der fristlosen Kündi­gung vom 25.02.2013 erklärte ordentliche Kündigung vom 28.02.2013 ist sozial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG, weil sie nicht durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, ge­tragen wird. Die hilfsweise erklärte ordentli­che Kündigung ist wie die fristlose Kündigung vom 25.02.2013 aus zwei Ge­sichtspunkten heraus als sozial ungerechtfertigt zu bewerten. Zum einen ist das Fax-Schreiben vom 11.02.2013 zwar eine unsachlich vorgetra­gene Kri­tik, die bereits Züge einer Diffamierung des Vorgesetzten enthält, zumindest in dem Teil, in welchem ihm die Behandlung von Gastarbeitern als Men­schen zweiter Klasse vorgeworfen wird, ohne hierfür ein belastbares Beispiel überhaupt nur ansatzweise zu benennen. Ein solcher Verstoß gegen das Gebot der Rück­sichtnahme ohne vorherige Abmahnung ist aber noch nicht als so schwerwiegend einzustufen, dass es für sich genommen bereits eine Kündigung nach über 15,5-jährigem Bestand des Arbeitsver­hältnisses rechtfertigen kann. Zum anderen kommt auch hier wie­der die bereits im Rahmen der Beurteilung der fristlosen Kündi­gung näher ausgeführte Prob­lematik des Ausspruchs einer Ab­mahnung am 19.02.2013 bei verweigerter Gegenzeichnung eines Empfangs zum Tragen. Für die ordentliche Kündi­gung basierend auf einem Fehlverhalten in der Formulierung des Fax-Schreibens vom 11.02.2013 gilt nämlich dasselbe, dass es dem Kläger bei gleichzeitig erteilter Abmahnung und Einleitung des Kündigungs­ausspruchs letztlich nicht möglich sein konnte, sich überhaupt re­gelgerecht zu verhalten, weil der von der Beklagten herangezo­gene Kündigungsgrund bereits in der Vergangenheit lag.

113

2.Die fristlos erklärte außerordentliche Kündigung vom 25.04.2013 ist ebenfalls unwirksam in Ermangelung eines sie stützenden wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs.1 BGB [dazu wei­ter unter a)] wie auch die in die­sem Zusammenhang hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 25.04.2013 i.S.d § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt ist [dazu weiter unter b)].

114

a)Mit Ablauf des Tages des Zugangs der fristlos ausgespro­chenen außerordentlichen Kündigung vom 25.04.2013, also mit Ablauf des 25.04.2013, wurde das Arbeitsverhältnis zwi­schen den Parteien nicht been­det, weil der Beklagten auch zu diesem Zeitpunkt noch kein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zur Seite gestanden hat, der es für sie unzumutbar gemacht hätte, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht mindestens noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterzuführen. Der vom Kläger selbst verfasste Schriftsatz vom 10.04.2013 im Rahmen des Kündi­gungsschutzrechtsstreites gegen die beiden Kündigungen aus dem Februar 2013 ist ebenfalls noch nicht ge­eignet, in der Zusammenschau mit den In­halten der beiden nur als Verbesserungsvorschläge - fälschlicherweise - be­zeichneten Schreiben aus dem November 2012 sowie dem Fax-Schreiben vom 11.02.2013 die fristlose Kündigung gegenüber dem Kläger zu rechtferti­gen.

115

Den Schriftsatz vom 10.04.2013 hat der Kläger offenbar in unmit­telbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Mandatsentziehung gegenüber seinem bisherigen Prozessbevollmächtigten verfasst. Er ging taggleich am 12.04.2013 mit der Anzeige der Mandatsent­ziehung seitens der ehemaligen Prozessbevollmächtigten beim Arbeitsgericht ein.

116

Die in diesem Schriftsatz unter Beifügung umfänglicher und durchnumme­rierter Anlagen (Anl. B 1 – B 19) erneut vom Kläger vorgebrachten Anschul­digungen und Vergleiche zu medienmäßig umfassend bekannt gemachten Unglücksfällen aus verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens sind zwar durchaus geeignet, erhebliche Beeinträchtigungen in dem für die Fort­setzung des Ar­beitsverhältnisses notwendigen Vertrauen zu verursachen. Aller­dings stellen sie für sich alleine genommen sowie mit den bereits zu­rückliegenden Schreiben aus 2012 (eingereicht als Verbesse­rungsvor­schläge im November 2012) sowie mit dem Fax-Schrei­ben vom 11.02.2013 nach Überzeugung der Kammer noch keinen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB dar. Der Kläger darf nach den allgemeinen Grundsätzen der freien Meinungsäußerung [vgl. oben 1 a) bb) (1) und (2)] sicherlich durchaus auch kritische Äußerungen über den Führungsstil seines Vorgesetzten wie auch über seiner Meinung nach zu beanstandende Zustände und über ein negatives Klima innerhalb des Betriebes tätigen, wenn er die­sen Eindruck für sich so gewonnen hat. Allerdings hat der Kläger in seinem Schriftsatz entge­gen der Ansicht, wie er sie über seine jetzigen Prozessbevollmächtigten hat äußern lassen, die Grenzen der üblicherweise noch zu tolerierenden berech­tigten Interessen­wahrnehmung innerhalb einer schriftsätzlichen Vorbereitung eines Kündigungsschutzrechtsstreites überschritten. Er hat nämlich er­neut, ohne hierzu konkrete Beispielsfälle zu benennen, die sich ggfls. auch durch angegebene Beweismittel würden überprüfen lassen, den Umgang mit Ver­besserungsvorschlägen, die Miss­achtung von Arbeitssicherheitsvorgaben sowie den betrieblichen Führungsstil anprangert. Selbst wenn man dem Klä­ger seinen Migrationshintergrund bei der Formulierung in einer Sprache, die nicht seine Muttersprache ist, zu Gute halten muss, dass für ihn manche Be­deutungsnuancen sicher nur schwer zu fassen waren und er darüber hinaus den Schriftsatz auch emotionsgeladen verfasst haben mag, überschreitet er jedoch das zulässige Maß an Kritik. Es gibt keine Dokumentierung größerer (Arbeits-)Unfälle über das übliche Risiko innerhalb eines Betriebsablaufes hinaus­gehend im Bereich des Betriebes der Beklagten in H., auf die sich der Kläger berufen könnte. Gleiches gilt für eine signifikante Verlet­zungshäufigkeit oder gar Verletzungen mit Todesfolge als Folge mangelnder Sicherheitsüberprüfung, unterlassener Beseiti­gung von festgestellten Män­geln oder gar dem bewussten Außer­achtlassen von Arbeitssicherheitsbe­stimmungen von Seiten der Beklagten. Dennoch beharrt der Kläger auch in diesem Schriftsatz vom 10.04.2013 erneut auf der Benennung von Verglei­chen u.a. zu der Flugschau-Katastrophe in Ramstein und der eingestürzten Decke einer Eissporthalle in Bad Reichenhall. Der Kläger sieht auch erneut nur die Behandlung seines Verbesserungsvorschla­ges im Zusammenhang mit einer zusätzlichen Transportgutabsi­cherung am sog. Remscheid-Kran als für ihn nicht akzeptabel und führt in diesem Zusammenhang dann aus, wel­che Gefahren evtl. bei Sicherheitsmängeln an den Krananlagen hypothetisch von dem Betrieb dieser Anlagen ausgehen können und welche Folgen ein Unfall haben könnte. Er ergeht sich dabei allerdings direkt in völlig überzo­genen Vergleichen zu dem Flugschauunglück in Ramstein, wo im Rahmen der Show einer Kunstflugformation eine Kollision von Flugzeugen zu dem verheerenden Flammenmeer und den vielen verletzten Menschen und zu Todesopfern geführt hat. Was dieses Ereignis mit der Frage der Sicherheits­überprü­fung oder einer zusätzlichen Sicherungseinrichtung an einem Last­kran im Werk der Beklagten von der Qualität und den Ursa­chen her zu tun hat, wird ein Geheimnis des Klägers bleiben. Die Darstellung ist aber durch­aus geeignet, die Beklagte und ihr Si­cherheitsmanagement in einer so nicht zu tolerierenden Weise anzugreifen.

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In gleicher Weise ist das Maß einer polemisch vorgebrachten Kri­tik sicherlich dann voll, wenn der Kläger weiter in seinem Schrift­satz mehrfach ausführt, dass die Vorgesetzten bewusst ausge­sucht seien, um das Personalfüh­rungswerkzeug der Angst in der Praxis umzusetzen (vgl. im Abs. 1 auf S. 3 - Bl. 61 d.A.; im 2. Abs. auf S. 6 - Bl. 64 d.A.). Gleiches gilt, wenn der Kläger schreibt, dass die Hierarchie von Kollegen besetzt ist, die ihre Macht miss­brauchen, sobald die ISO-Auditoren die Theorie mit der Praxis abgleichen und dann das Werksgelände wieder verlassen (vgl. S. 3 Mitte - Bl. 61 d.A.). Hinzu kommt an dieser Stelle dann noch die Vertiefung dieser Ansicht durch ein Beweisangebot zum Füh­rungsstil unter Verweis auf das sog. Milgram-Experiment (vgl. S. 3 Mitte - Bl. 61 d.A. mit Anl. B 12 - Bl. 78 - 80 d.A.). Das Arbeitsge­richt hat zur Thematik Milgram-Experiment in seinem Urteil bereits ausreichend in zutreffender Weise Ausführungen gemacht (S. 13 d. Urteils - Bl. 182 d.A.). Zwischendurch erwähnt der Kläger zwar ein Beispiel für einen Arbeitsunfall (betroffener Mitarbeiter: Herr D.), den er in einen Zu­sammenhang stellt mit einer angeblich ge­gebenen Anweisung, eine Säge zur Aufrechterhaltung der gefor­derten Produktionsstückzahlen im laufenden Betrieb zu reinigen. Es fehlt allerdings hier der erkennbare Zusammenhang zu der angeprangerten Missachtungshaltung der Beklagten bzgl. der Ein­haltung von Arbeitssicherheitsbestimmungen, weil der Kläger un­mittelbar danach auch die zur Vermeidung solcher Vorfälle von der Beklagten ausge­gebene Anweisung der Mitführung eines Hängeschlosses bei Wartungsar­beiten zum Ausschalten der An­lage anführt (vgl. S. 3 unten / S. 4 oben - Bl. 61/62 d.A.). Damit gibt er ja gerade einen Beleg dafür, dass die pauschale Anschul­digung der zu geringen Beachtung der Arbeitssicherheit so nicht zu­treffen kann.

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Das Überschreiten einer sog. „roten Linie“ von erlaubter Kritik zu nicht ak­zeptabler Äußerung ist sicherlich als erreicht anzusehen, wenn der Kläger neben seinem zuvor bereits gemachten Verweis in einer Beweisange­botsangabe auf das Milgram-Experiment, nun auch noch vorträgt, es würden Urlaubsscheine heute von der Be­klagten mit einem roten Kreuz gekenn­zeichnet, während damals gelbe Farbe benutzt wurde, für diejenigen, die anders waren (vgl. letzter Abs. auf S. 4 - Bl. 62 d.A.). Die Verwendung von Verglei­chen des Verhaltens von Vorgesetzten bzw. des Arbeitgebers bzw. der Zustände innerhalb des Betriebes des Arbeitgebers mit dem nationalso­zialistischen Regime im Dritten Reich und deren Methoden zur Menschen­führung ist generell als wichtiger Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kün­digung i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB geeignet (vgl. BAG Urteil v. 07.07.2011 - 2 AZR 355/10 - in NZA 2011, 1412 - 1416 - Rn 14 beijuris; BAG Urteil v. 25.11.2005 - 2 AZR 584/04 - NZA 2006, 650 - 655 - Rn 29 ffbeijuris; KR-Fischermeier, 10. Aufl. Köln 2013, Rn 415 zu § 626 BGB; Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. München 2014, Rn 86 zu § 626 BGB; Sandmann in Henssler /Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 6. Aufl. Köln 2014, Rn 242 zu § 626 BGB). Der Kläger hat mit seinem Hinweis auf die gelbe Farbe von damals unzweideutig auf die Färbung des von Ju­den als Erkennungsmerkmal ihrer Zugehörigkeit zu einer Religi­onsgemein­schaft zu tragenden Stern angespielt. Er hat damit und mit dem ebenfalls angeführten Milgram-Experiment deutlich ma­chen wollen, dass ein Füh­rungsstil wie er auch im Dritten Reich angewandt wurde, bei der Beklagten Einzug gehalten habe, zumal man - wie schon im Fax-Schreiben vom 11.02.2013 angeführt - zumindest in der Person seines Abteilungsleiters feststellen müsse, dass Gastarbeiter als Menschen zweiter Klasse behandelt würden. Dies werde dann wohl auch deutlich in der Kennzeich­nung von Ur­laubsanträgen mit einem roten Kreuz. Abgesehen davon, dass die Beklagte diese farbliche Kennzeichnung gezielt auf eine Personengruppe in Abrede stellt, ergibt sich aus vom Kläger mit seinem Schriftsatz vom 12.07.2013 ein­gereichten Farbkopien von Anwesenheits-/Urlaubs-/Krankentageübersichten der Jahre 2011 und 2012, dass die Beklagte generell Farbkenn­zeichnungen als Unterscheidungsmerkmal nutzt zur besseren Darstellung und Förderung der schnelleren Lesbarkeit (vgl. Anl. B 1 und B 3 - Bl. 40, 42 d.A. - ehemals 4 Ca 713/13 N.). Es ist also vom Kläger ohne Antritt eines Wahrheitsbeweises lediglich die farbliche Kenntlichmachung von Urlaubsanträgen bei Gastar­bei­tern seitens der Beklagten in den Raum gestellt worden. Wie oben unter 1. a) bb) (1) und (2) bereits ausgeführt, wird aber die un­wahre Tatsachenbe­hauptung, insbesondere wenn sie - wie hier -auch noch mit einem den Vor­gesetzten bzw. den Arbeitgeber her­abwürdigenden Vergleich zu Handlungs­weisen des nationalsozia­listischen Regimes verbunden wird, nicht mehr vom grundgesetz­lich in Art. 5 Abs.1 S.1 GG geschützten Recht der freien Mei­nungsäußerung abgedeckt.

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Dennoch kommt die Kammer auch hier noch im Rahmen der ein­zelfallbezo­genen Interessenabwägung zu der Überzeugung, dass mit Blick auf die über 15,5-jährige Betriebszugehörigkeit sowie besondere Situation im Rahmen eines nunmehr nach Mandats­entziehung selbst geführten Kündigungs­schutzprozesses der Maßstab für die Annahme des Vorliegens der Unzu­mutbarkeit ei­ner Weiterbeschäftigung des Klägers und derjenige Maßstab für die Annahme einer unwiederbringlichen Zerstörung des für die Fortset­zung des Arbeitsverhältnisses notwendigen Vertrauens relativ hoch ange­setzt werden sollte. Diese Überlegung trägt der Tatsache Rechnung, dass der Kläger, wie sich aus seinem bishe­rigen Verhalten, namentlich schon der schriftlich niedergelegten Inhalte in seinen beiden als „Verbesserungsvor­schläge“ bezeich­neten Schreiben aus dem November 2012 erkennen lässt, dem Grunde nach von einer Vorstellung geprägt zu sein scheint, dass seine Vorschläge nicht ernst genommen und auch nicht korrekt bearbeitet werden, sowie, dass er sich trotz Betriebsrat seit der Unterstellung unter seinen jetzi­gen Abteilungsleiter einem für ihn nicht akzeptablen Führungsstil ausgesetzt sieht. Das Gericht hält dem Kläger insoweit noch zu Gute, dass jeder Arbeit­nehmer in seiner Art der Äußerung von Kritik anders sein darf, und dass es dem Arbeitgeber auch durchaus zugemutet werden kann, bei er­kennbar in der Grundgedankenführung hinsichtlich ihrer Vorstel­lungen und Ängste schwer erreichbaren Arbeitnehmern nicht nach einer ersten Abmahnung den unmittelbar folgenden Wiederho­lungsfall zum Anlass einer Kündigung zu nehmen. Gerade weil Abmahnung wegen der Inhalte der Schreiben aus dem November 2012 und erste Kündigung vom 25.02.2013 verbunden mit der hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 28.02.2013 nahezu zeitlich zusam­men gefallen sind, hätte es nach Überzeugung der Kammer auch hier im April 2013 noch ausgereicht, dem Kläger quasi als allerletzte Warnung nochmals eine Abmahnung auszusprechen. Dann wären die unwirksamen Kündigungen im Zusammenhang mit dem Gespräch vom 19.02.2013 und dem vom Kläger nicht entgegengenommenen Abmahnschreiben als erste Abmahnung anzusehen, dem nun eine zweite und letzte Abmahnung hätte fol­gen sollen. Die nächste Verletzung der arbeitsvertraglich gebote­nen Rücksichtnahmepflicht wäre dann unweigerlich Veranlassung gewesen für die Beklagte, das Arbeitsverhältnis ggfls. auch fristlos zu kündigen.

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b)Die hilfsweise zur fristlosen Kündigung ebenfalls am 25.04.2013 dem Kläger gegenüber erklärte ordentliche Kündigung ist sozial ungerecht­fertigt i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG und führt daher auch nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen kann hier auf die zur fristlosen Kündigung vom selben Tag verwiesen wer­den. Spätestens im Rahmen der Interessenabwägung ist hier selbst bei grundlegender Bejahung des Vorliegens eines verhaltensbedingten Kündi­gungs­grundes dem Kläger gegenüber erneut dem milderen Mittel der Ab­mahnung hier nochmals der Vorzug zu geben.

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3.Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist aber mit Ablauf des 07.05.2013, d.h. mit Ablauf des Tages, an welchem ihm die fristlos ausge­sprochene außerordentliche Kündigung der Beklag­ten vom 07.05.2013 zu­gegangen war, beendet worden, weil der Beklagten nunmehr ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB zur Seite gestanden hatte, der es ihr nicht mehr als zumutbar er­scheinen lassen durfte, das Arbeitsverhältnis weiter fortzusetzen, auch nicht nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Der Inhalt des vom Kläger im Rahmen eines sich in erster Linie gegen eine Leistungsbeurteilung im Arbeitsverhältnis richtenden Arbeitsgerichtsverfah­rens verfassten Schriftsatzes vom 22.04.2013 (vgl. Az. 3 Ca 25/13 des ArbG N.- dort Bl. 44 - 48 d.A. mit Anl. B 1 - B8 - Bl. 49 - 57 d.A.) macht es in Zu­sammen­schau mit den von der Beklagten geschilderten Vorgängen aus dem Kalenderjahr 2012 sowie dem Inhalt des Fax-Schreibens vom 11.02.2013 und des Schriftsatzes vom 10.04.2013 für die Beklagte unzumutbar, das Ar­beitsverhältnis weiter fortzusetzen.

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a)Nach Abfassen und Einreichung des Schriftsatzes vom 22.04.2013 im Rahmen des beim Arbeitsgericht Neunkirchen ge­führten Rechtsstreites mit dem Az. 3 Ca 25/13 und auch dem Zu­gang dieses Schriftsatzes am 26.04.2013 bei der Beklagten ist endgültig das Maß des noch durch mildere Mittel zu steuernden Verhaltens des Klägers in der Art seiner Kritikführung an direkten Vorgesetzten, anderen Personen im Betrieb der Beklagten (Be­triebsrat, Personalleitung) wie auch der Beklagten selbst als Ar­beitgeberin überschritten. Damit kann das Arbeitsverhältnis nicht mehr von dem notwen­digen Vertrauen in die Loyalität des Arbeit­nehmers getragen werden. Der Beklagten kann auch eine Wei­terführung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentli­chen Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden.

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aa)Der Kläger hat sich „alle Warnschüsse“ im Vorfeld sei­nes Schrift­satzes vom 22.04.2013 in keinster Weise zu Herzen genommen, um evtl. auch einmal selbstkritisch zu überlegen, wie er seine - aus seiner Sicht be­rechtigte Kritik - sachlicher und fun­dierter würde vortragen können. Auch in diesem Schriftsatz behält der Kläger seinen Stil hinsichtlich der Kritik an der Überwachung und Einhaltung der Arbeitssicherheit durch Ziehen unpassen­der und vor allem plakativer Vergleiche bei. Er weitet sie sogar noch aus, indem er nicht nur zum Flugschauunglück anlässlich des Flugtages in Ramstein und zur eingestürzten Decke der Eissport­halle in Bad Reichenhall den Vergleich zieht zur Verdeutlichung möglicher Folgen aus seiner Sicht mangelnder Beachtung von Sicherheitsvorkehrungen durch die Beklagte. Nun geht der Kläger auch noch auf das ICE Unglück von Eschede, eine Kesselwagen­explosion auf dem Betriebsgelände der BASF sowie das Tan­ker­unglück der EXXON-Valdez ein (vgl. S. 4 Mitte - Bl. 47 d.A. - 3 Ca 25/13 N.). Diese völlig abgehobenen Vergleiche sind geeignet, Vorgesetzte wie auch die Beklagte selbst in untragbarer Weise in ihrer Ehre und dem Ver­ständnis von Unternehmensführung zu treffen. Diese herangezogenen Bei­spiele haben erneut nichts mit der Frage zu tun, ob in bestimmten Fällen ein jeweils vom Kran­führer anhand des zu beladenen/entladenen LKWs zu entschei­dender Einsatz eines zur zusätzlichen Absicherung des Transport­gutes gedachter Greifereinsatz zu erfolgen hat oder nicht. In glei­cher Weise ist eine solche Verallgemeinerung auch nicht im min­desten geeignet, sach­lich die ebenfalls bereits in früheren Schriftsätzen des vorliegenden Verfah­rens aufgestellte Behaup­tung mit belastbaren Fakten zu untermauern, dass sich die Be­klagte trotz einer Sicherheitsüberprüfung und angeblich festge­stellter Mängel für den Weiterbetrieb des Krans entschieden habe (vgl. angezeigten Verbesserungsvorschlag vom 19.11.2012 - Bl. 30 - 31 d.A. = Bl. 48 - 49 d.A.). Darüber hinaus führt der Kläger in diesem Schriftsatz mehrfach aus, dass derjenige, der sich der Autorität nicht beuge, also nicht immer der gute Kollege sei und auch nicht alles unterschreibe, was von oben komme, zum Mob­bing-Opfer werde. Der Arbeitsplatz werde dann zum Mob­bingplatz (vgl. 2. Abs. auf S. 3 - Bl. 46 d.A. 3 Ca 25/13 N.sowie 2. Abs. auf S. 4 - Bl. 47 d.A. 3 Ca 25/13 N.). Der Kläger lässt aber in diesem Schreiben konkrete Angaben zu einzelnen, ihn angeblich zu Un­recht belastenden Vor­gängen vermissen. Stattdessen greift er neben seinem unmittelbaren Vorge­setzten, dem Abteilungsleiter, in diesem Schriftsatz auch die Arbeitsweise der Paritätischen Kommission nach ERA an. Neben seiner Beschwerde, auf den schriftlichen Widerspruch gegen seine Leistungsbeurteilung zu­nächst keine Antwort erhalten zu haben, zweifelt er, ohne hierzu konkret fallbezogen vorzutragen, die Objektivität der Behandlung eingelegter Widersprüche an. Er gibt seiner Überzeugung Aus­druck, dass die Statistik dieser Kommission sehr wichtig sei, na­mentlich die Anzahl derjenigen Widersprüche, die zu ei­ner Kor­rektur geführt hätten (vgl. 3. Abs. auf S. 2 - Bl. 45 d.A. 3 Ca 25/13 NK). Sodann unterstellt er der Beklagten als Unternehmen, dass dort die Demokratie ohne Meinungsfreiheit praktiziert werde. Eine Leistungsbeurtei­lung erfolge von oben nach unten. Dies werde entgegen der demokratischen Art so vorgenommen, die von unten nach oben verlaufe (vgl. 3. Abs. auf S. 2 - Bl. 45 d.A. 3 Ca 25/13 NK). In gleicher Weise spricht der Kläger der Perso­nalleiterin der Beklagten die Kompetenz ab, seine Arbeitsleistung beurteilen zu können, weil sie ja nicht unmittelbar mit ihm zusammenarbeite. Selbst der unmittelbare Vorgesetzte würde den Kläger nur an drei Tagen von 21 Ar­beitstagen sehen. Es sei daher verwunderlich, woher die Personalleiterin ihre Informationen habe (vgl. S. 3/4 - Bl. 46/47 d.A. 3 Ca 25/13 NK). Allein diese Darstellung zeigt, dass der Kläger ein absolut unstimmiges Bild von einem normalen or­ganisatorischen Aufbau der Personalführung innerhalb eines Be­triebes hat. Es ist für das Funktionieren und das Verbessern von Arbeitsabläufen und Arbeitsergebnissen, unter anderem auch unter dem Gesichtspunkt des Einhaltens der Arbeitssicherheit wie auch der Schaffung eines sinnvollen Betriebsklimas zwingend ge­boten, dass der jeweils unmit­telbare Vorgesetzte sich über den einzelnen Mitarbeiter/die einzelne Mitar­beiterin in regelmäßigen Abständen ein persönliches Bild hinsichtlich des Verhaltens wie auch der Leistungsfähigkeit verschafft. Der Normalfall in ei­ner be­trieblichen Organisation ist dann darin zu sehen, dass eine solche unmittelbar erfolgte Momentaufnahme an die personalführende Stelle, also die Personalsachbearbeitung oder Personalleitung, weitergeleitet wird. Die dort verantwortlichen Personen lassen dann gegebenenfalls nach Rückspra­che mit dem unmittelbaren Vorgesetzten und ggfls. auch einem Personalge­spräch die Ergeb­nisse in die Führung der Personalakte einfließen. Vor die­sem Hintergrund kann ein berechtigtes Anzweifeln der Kompetenz der Per­sonalleiterin hier im konkreten Fall sicherlich von Klägerseite nicht vorge­bracht werden. Der Kläger versteigt sich allerdings auch in der Folge in sei­nem Schreiben in eine ebenfalls durch An­gabe von konkreten Tatsachen nicht näher belegte Anschuldi­gung, dass im Unternehmen die Demokratie nicht funktioniere, dass die Autoritäten bei den Kolleginnen und Kollegen immer Recht hätten nach dem Vorbild der Universitäten. Unser Professor sei nämlich der beste Professor. Man müsse immer nur Ja sagen, sonst werde man zum Mobbing-Opfer und bekomme eine schlechte Beurteilung vom Professor. Er habe sich in der Fachlite­ratur unter anderem bezüglich der ISO 31.000 die Fachkenntnisse im Selbststudium angeeignet und dabei unter anderem auch gele­sen, dass es nach Professor Zimbardo die Macht des sozialen Umfeldes sei, die zu üblem Verhalten führe (vgl. S. 4/5 - Bl. 47/48 d.A. 3 Ca 25/13 N.). Auch hier zieht der Kläger wieder eine per­sönliche Schlussfolgerung, die sich in dieser Weise nicht aus von ihm vorgetragenen Sachverhalten belegen lässt. Er stellt vielmehr nur sinnentstellend verkürzt dar, dass er nach diesem Selbststu­dium das dort gelernte angewendet habe und daraufhin fristlos gekündigt worden sei. Er habe zum ersten Mal auf seine schriftli­chen Fragen eine Antwort erhalten, allerdings dann in Form der fristlosen Kündigung vom 25.02.2013 (vgl. S. 4/5 - Bl. 47/48 d.A. 3 Ca 25/13 NK).

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Zudem hat sich der Kläger ohne jegliche Darstellung eines hierzu passenden Beispiels, wobei hier auch seine Laienwertung schon ausgereicht hätte, dazu verstiegen, das Vier-Augen-Prinzip als das schädlichste eines Betriebsab­laufes zu bezeichnen. Dies be­gründete er auf S. 2 im 5. Absatz seines Schriftsatzes vom 22. April 2013 im Verfahren 3 Ca 25/13 beim Arbeitsge­richt Neunkir­chen (vgl. dort Bl. 45 d.A.) damit, dass dann, wenn es Fehler gebe, die guten Freunde helfen würden, diese Fehler zu unterdrü­cken. Ge­meint ist damit, dass diese dabei helfen würden, dass die Fehler und ihre Ursachen nicht ans Licht kommen sollen. Damit hat der Kläger einen ganz erheblichen Vorwurf gegen namentlich nicht näher gekennzeichnete Mitar­beiter der Beklagten erhoben, der geeignet ist, diese in ihrer Ehre zu kränken und deren Art und Weise des Umgangs mit Fehlern ggfls. sogar als ein straf­rechtlich relevantes Verhalten im weitesten Sinne darzustellen. Diese An­schuldigungen muss sich ein Arbeitgeber jedenfalls dann nicht gefallen las­sen, wenn sie nur pauschaliert in den Raum gestellt werden, ohne auch nur den geringsten Hinweis auf einen konkre­ten Einzelfall zu geben, aus wel­chem der Arbeitnehmer diesen geschilderten Eindruck glaubt zu Recht ge­wonnen haben zu dür­fen.

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Nimmt man diese insgesamt von mangelnder Sachlichkeit ge­prägte Darstel­lung, die geeignet ist, die Beklagte als Unternehmen wie auch einzelne ihrer Funktionsträger in Misskredit zu bringen, und die letztlich auch über das Maß der von der freien Meinungs­äußerung gedeckten Formulierung von Kritik hinausgehende An­griffe auf die (Berufs-)Ehre beinhaltet, zu den Inhalten der beiden als Verbesserungsvorschläge im November 2012 eingereichten Schreiben des Klägers sowie den Äußerungen im Fax-Schreiben vom 11.02.2013 und im Schriftsatz vom 10.04.2013 hinzu, ist die Fortführung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien auch nicht mehr bis zum Ablauf einer ordentlichen Kündigungsfrist zu­mutbar gewesen.

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bb)Zu Gunsten des Klägers kann hier nicht darauf verwie­sen wer­den, dass er als Folge der erstmals im Rahmen der Beru­fungsbegründung von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten vorgetragenen psychischen Erkrankung nicht für die Inhalte und Tragweite seiner selbst verfassten Schreiben und Schriftsätze in gleicher Weise verantwortlich zu machen sei wie ein vergleichba­rer Arbeitnehmer ohne schwere depressive Episode mit psychoti­schen Symptomen.

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Zum einen ist der Beklagten im Grundsatz beizupflichten, dass über § 67 Abs. 4 Arbeitsgerichtsgesetz die Berücksichtigung des erst jetzt in der Beru­fungsbegründung aufgegriffenen angeblichen Krankheitsbildes des Klägers unter Verspätungsgesichtspunkten einer nicht sachdienlichen Prozessfüh­rung nicht mehr zu verwer­ten ist. Nach der Einlassung des Klägers hierzu im Rahmen der Berufungsbegründung hat die behandelnde Ärztin nämlich un­mit­telbar nach dem Zugang der Kündigungen aus dem Februar 2013 die Behandlung als Folge der dadurch eingetretenen Arbeitsunfä­higkeit des Klä­gers aufgenommen. Es wäre also ohne Zweifel dem Kläger möglich gewe­sen, bereits in erster Instanzüber sei­nen früheren Prozessbevollmächtigten oder auch selbst diese psychische - temporäre - Erkrankung anzuführen. Allerdings hat der Kläger hierauf verzichtet. Dies geht jetzt zu seinen Lasten.

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Zum anderen kommt man aber selbst dann, wenn man den Vor­trag, den der Kläger in seiner Berufungsbegründung erstmals halten lässt, berücksichtigen kann, ebenfalls nicht zu dem vom Kläger gewünschten Ergebnis, für die In­halte seiner Schreiben letztlich nicht in der Weise verantwortlich gemacht werden zu dürfen, dass dieses Verhalten zur Annahme des Vorliegens eines wichtigen Grundes führt. Der Kläger hat nämlich ganz offensicht­lich zunächst der angegebenen behandelnden Ärzten gegenüber geäußert, dass es erst mit dem Wechsel des Vorgesetzten im Jahr 2010 zu Problemen gekommen sei. Dies hat die Beklagte ihrerseits durch Hinweis auf einen bereits vor dem Vorgesetzten­wechsel erforderlich gewordenen Schichtwechsel des Klägers, um Probleme zu beheben, ihrerseits bereits in Abrede gestellt. Auch wurde seitens der Klägervertretung vorgetragen, dass die behan­delnde Ärztin in einem Gespräch mit dem Prozessbevollmächtig­ten des Klägers davon be­richtet habe, dass sie es aus medizini­scher Sicht durchaus für plausibel halte, dass beim Kläger seit 2010 durch wiederholte Hilflosigkeitserlebnisse (er wurde mit sei­ner Sorge nicht gehört und ernst genommen) eine uner­kannte de­pressive Entwicklung begonnen habe, die zeitweise in eben dieser oben genannten Depression mit Wahnideen gipfelte (vgl. auf S. 4 unten im Schriftsatz vom 05.02.2014 - Bl. 221 d.A.). Solche Hilflo­sigkeitserlebnisse sind aber vom Kläger nicht näher skizziert und konkret ausgeführt worden, wenn man einmal davon absieht, dass die beiden aus Sicht der Kammer zu Unrecht mit der Überschrift Verbesserungsvorschlag eingereichten Schrei­ben aus dem No­vember 2012 nicht den gewünschten Erfolg brachten. Von Kläger­seite wird darüber hinaus auch nicht einmal behauptet, dass aus Sicht der behandelnden Ärztin ein Permanentzustand beim Kläger vorhanden sei, der ihn gegebenenfalls von seiner Verantwortung für sein Verhalten und den Inhalt der von ihm verfassten Schrei­ben hätte insgesamt dann freistellen könnte. Die Verwendung des Wortes „zeitweise" bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch, dass es durchaus Phasen gibt, die auch keineswegs nur einen geringen Umfang haben müssen, in denen der Kläger gerade nicht von seiner Erkrankung eingenommen ist. Er kann also für Handlungsweisen und Formulierungen in diesem dann beschwer­defreien Zeitraum sicherlich Verantwortung übernehmen. Allein vor diesem Hintergrund ist es daher für die Kammer keineswegs einsichtig, an welchen Eckpunkten der Kläger etwa festgemacht haben will, sowohl bei der Abfassung seiner beiden als Verbes­serungsvorschläge bezeichneten Schreiben im November 2012 als auch bei der Abfassung des Fax-Schreibens vom 11.02.2013 sowie bei den Schrifts­ätzen vom 10. und 22.04.2013 sich immer gerade in einer depressiven Phase befunden zu haben, die in Wahnvorstellungen gegipfelt haben soll. Dies ist umso weniger nachvollziehbar, als der Kläger auch im weiteren Verlauf des Rechtsstreits unter dem 12.07.2013 einen Schriftsatz verfasste (vgl. Bl. 36 - 39 d.A. + Anl. B 1 – B 7 Bl. 40 - 45 d.A. - ehemals 4 Ca 713/13 N.), in welchem er seine bisherige Linie in der Art der Darstellung seiner Kritik beibehielt.

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cc)Der Kläger kann sich nach Überzeugung der Kammer auch nicht darauf berufen, dass er gerade aufgrund der Tatsache, dass Deutsch nicht seine Muttersprache sei und er zusätzlich den Prozess in erster Instanz auch noch habe selbst führen müssen. Der Kläger hat sich nämlich bis in den April 2013 hinein sowohl im vorliegenden Rechtsstreit wie auch in dem Rechts­streit um seine Leistungsbeurteilung (3 Ca 25/13 NK) jeweils von unter­schiedli­chen Anwälten vertreten lassen. Im vorliegenden Verfahren hat er sich einer Rechtsanwaltskanzlei aus Saarbrücken hinsichtlich der Prozess­führung anvertraut. In dem Verfahren um seine Leis­tungsbeurteilung hat er die Vertretung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Kaiserslautern vornehmen lassen. In beiden Fäl­len - ohne dass dies hier hinsichtlich der vom Kläger herangezo­genen Gründe einer Bewertung zu unterziehen ist - hatte der Klä­ger das Vertrauen in die seinen Interessen entsprechende Ver­tretung durch die jeweils für ihn tätig werdenden Rechtsanwälte offenbar verloren, was letztlich zur Mandatsentziehung geführt hat. Wenn sich aber der Kläger zunächst einer rechtlichen Vertretung durch einen Rechtsanwalt versichert hatte, kann er im Nachgang für sich nicht reklamieren, hinsichtlich der Abfassung weiterer Schriftsätze einen Bonus erhalten zu müssen in der Bewertung von Art und Ausdruck, weil er den Prozess nunmehr habe alleine führen müssen. Es oblag letztlich der Entscheidung des Klägers selbst, den Prozess alleine weiterzuführen. Er hat nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gegebenenfalls einen weiteren Prozessbevollmächtigten heranzu­ziehen und zu beauftragen. Auf die Möglichkeiten der Gewährung von Pro­zesskostenhilfe auch nach Mandatsentziehung wäre zumindest in einem Be­ratungsge­spräch bei einem weiteren Prozessbevollmächtigten sicher hinge­wiesen worden.

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dd)Der Wirksamkeit der nunmehr mit Schreiben vom 07.05.2013 - zugegangen am 07.05.2013 - ausgesprochenen fristlosen Kündigung steht auch nicht mehr der Einwand entgegen, es hätte noch eines milderen Mittels im Vorfeld einer vielleicht in Zukunft einmal auszusprechenden Kündigung bei einem Wieder­holungsfall bedurft. Der Kläger war durch das Gespräch am 19.02.2013 mit der angesprochenen Abmahnung vom 18.02.2013, durch die beiden Kündigungen vom 25. und 28.02.2013 sowie die beiden weiteren Kündigungen vom 25.04.2013 in ausreichendem Maße vorgewarnt. Es wurde dem Kläger damit deutlich vor Augen gehalten, dass die Beklagte die von ihm, auch nach Wertung der Kammer, in unsachlicher Art vorgetragene Kritik mit einem generellem Absprechen der Perso­nalführungskompetenz beim unmittelbar vorgesetzten Abtei­lungsleiter, der Behauptung eines an­geblichen Nichtbeachtens von Arbeitssicherheitsvorschriften, den unhaltba­ren Vergleichen zu medial einem breiten Publikum bekannt gemachten Un­faller­eignissen der vergangenen Jahre wie auch dem Ziehen eines Verglei­ches zu nationalsozialistischen Handlungsweisen, nicht mehr weiter hinneh­men werde. Dennoch hat der Kläger nicht nachgelassen, auch in zeitlich nach den ersten Kündigungstatbe­ständen verfassten Schriftsätzen, seine Art und Weise der Kritik­führung beizubehalten. Man kann dem Kläger hier auch nicht sein Recht zu Gute halten, sich im Rahmen eines Kündigungsschutz­prozesses gegen Anwürfe der Beklagtenseite angemessen vertei­digen zu dürfen, wenn man auf den Kündigungsanlass der Kündi­gung vom 07.05.2013 abstellt. Anlass war ein Schriftsatz in einem außerhalb der Kün­digungstatbestände geführten Rechtsstreit um Inhalte einer Leistungsbeur­teilung des Klägers. Gerade dies zeigt, dass der Kläger unabhängig von dem Inhalt des gerade geführten Rechtsstreites sich nahezu ein „Feindbild“ auf­gebaut hat hinsicht­lich der Personen, die für die Beklagte handelnd seine Vorge­setzten sind. Mit dem Arbeitsgericht und seinen Ausführungen zur Möglichkeit der Berücksichtigung von nach dem eigentlichen Kün­digungszu­gang weiter vorgefallenen Sachverhalten, geht auch die erkennende Kam­mer davon aus, dass zwar die Wirksamkeit einer Kündigung grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen ist, dass aber nachträglich eingetretene Umstände durchaus für die gerichtli­che Beurteilung insoweit von Bedeutung sein können, als sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (vgl. BAG Urteil vom 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 (Fall: Emmely) - in NZA 2010,1227 - 1234 - Rn 52 und 53 beijuris). Gerade das weitere Vor­bringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 12. Juli 2013 (vgl. Bl. 36 - 39 d.A. mit Anl. B 1 – B 7 - Bl. 40 - 45 d.A. ehemals 4 Ca 713/13 NK) wie auch sein persönliches Auftreten im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsge­richt machen deutlich, dass sich alle bis zum Kündi­gungsaus­spruch vom 07.05.2013 vorliegenden Schreiben und Schriftsätze nahtlos mit dem nachfolgenden Schriftsatz vom 12.07.2013 zu einem Ge­samtbild zusammenfügen, welches die Grundhaltung des Klägers bestätigt. Es kann daher nicht mehr davon ausge­gangen werden, dass der Kläger sich durch den Ausspruch einer Abmahnung in seiner Haltung gegenüber seinem Vorgesetzten, dem Betriebsrat, der paritätischen Kommission, der Perso­nallei­tung oder gar der Beklagten selbst ändern würde. Sein Verhalten und seine Ausdrucksweise in den Schreiben sind von einer nega­tiven Grundhal­tung geprägt, die teilweise zumindest auch von ei­nem falschen Grundver­ständnis bei der innerbetrieblichen Be­wertungs-Hierarchie ausgeht. Es kann der Beklagten auch nicht weiter zugemutet werden, durch unsachliche Äuße­rungen in ein bestimmtes Licht gedrängt zu werden als Arbeitgeberin, die es mit der Arbeitssicherheit nicht so genau halte, anders denkende und auf­merksame Arbeitnehmer mit Mobbingverhalten unterdrücke und zudem dulde, dass Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund von Vorgesetzten wie Menschen zweiter Klasse behandelt wür­den, wobei dabei vom Kläger auch noch Vergleiche zu nationalso­zialistischen Verhaltensmustern herangezogen werden.

131

ee)Letztlich ist die Kündigung auch ordnungsgemäß in­nerhalb der zweiwöchigen Erklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB dem Kläger zuge­gangen, da der Schriftsatz vom 22.04.2013 die Beklagte am 26.04. 2013 erreicht hat. Mithin liegt der Tag des Zugangs der Kündigung, der 07.05.2013, innerhalb von zwei Wo­chen gerechnet ab Kenntniserlangung der Beklagten vom Vorlie­gen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs.1 BGB zum Aus­spruch einer fristlosen Kündigung.

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4.Mit Blick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 07.05.2013 war auf die Frage der Begründetheit der drei weiteren gegen die zeitlich nach dem 07.05.2013 liegen­den Kündigungstatbestände vom 13.05.2013, vom 05.08.2013 und vom 08.08.2013 nicht mehr einzugehen, da eine der Grund­voraussetzungen für die Bejahung eines entsprechenden beson­deren Feststellungsinteresses, nämlich das Bestehen eines Ar­beits­verhältnisses zwischen den Parteien, zum Zeitpunkt des je­weiligen Zugangs dieser Kündigungserklärungen bereits nicht mehr gegeben war. Dem Antrag des Klägers auf Weiterbeschäfti­gung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutz­rechtsstreites ist der Erfolg ebenfalls mit Blick auf die Be­endigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 07.05.2013 versagt. Eine Verurteilung zu einer vergangenheitsbezogenen Weiterbeschäfti­gung über den Zeitpunkt des Zugangs der vor dem 07.05.2013 ausgesprochenen frist­losen Kündigungen vom 25.02.2013 und vom 25.04.2013 scheidet schon wegen Zeitablaufs aus, weil der Antrag auf Weiterbeschäftigung von der Natur der Sache her zu­kunftsorientiert zu verstehen ist.

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 4 ArbGG.

134

IV. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzun­gen nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen und der Sache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung beizumes­sen ist.

gez. Hossfeld gez. Hallauer gez. Schaper