Schadensersatz wegen Verstoß gegen das ArbZG - LAG Saarland 2 Sa 145/13
Zur Darlegungslast bei einer auf Schadensersatz in Geld
gerichteten Anspruchsstellung zählt in aller Regel (Ausnahme z.B. § 15 Abs.2
AGG) der Vortrag von Tatsachen, aus denen sich bei Anwendung der als verletzt
bezeichneten Norm ableiten lässt, dass die Verletzungshandlung adäquat kausal
zu einem Schaden beim Anspruchsteller geführt hat.
§ 3 S.2 ArbZG dient der Flexibilisierung der Arbeitszeitvorgaben innerhalb eines Arbeitsverhältnisses. Nach Ablösung der AZO im Jahr 1994 durch das ArbZG ist der 8-Stunden-Tag nicht mehr als Regelarbeitstag zu betrachten. Es wird weiterhin hinsichtlich der in einer Woche maximal zulässigen Arbeitszeit nach §§ 1, 3 ArbZG am Werktag und nicht am individuellen Einsatztag des Arbeitnehmers angeknüpft.
Die RL 3003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) enthält für Verletzungen ihrer Vorgaben keine unmittelbar zwischen Personen auf privatrechtlicher Ebene anzuwendenden Sanktionsvorgaben (vgl. EuGH, Urteil vom. 25.11.2010 - C-429/09).
Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 9. April 2014 - LAG 2 Sa 145/13:
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 24.09.2013 im Verfahren 5 Ca 589/13 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin und Berufungsklägerin.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten vorliegend über die Berechtigung eines von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz, unter dem Gesichtspunkt eines von ihr behaupteten Verstoßes gegen die §§ 1,3 Arbeitszeitgesetz sowie wegen Nichtbeachtung von Art. 6 b und Art. 16 b der RL 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) wegen dauerhaften Einsatzes im Bereich von Dienstleistungen innerhalb des Einzelhandels, mit einer arbeitstäglichen Arbeitszeit von mehr als 8 Stunden, wobei die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden allerdings vollständig vergütet worden sind. Als weitere Aspekte für die Begründetheit des Schadensersatzanspruchs werden die Verletzung von §§ 1, 3 Arbeitszeitgesetz als Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sowie eine Nichtbeachtung von Art. 31 Abs. 2 EU Grundrechts-Charta [EU-GRCharta] angeführt.
1
Die Beklagte und Berufungsbeklagte ist ein Unternehmen aus M., welches Zubehör für Armbanduhren produziert und entsprechende Dienstleistungen mit so genannten Depots an Einzelhandelskunden / -kundinnen in Kaufhäusern und Supermärkten anbietet.
2
Die am 15.04.1976 geborene Klägerin war in der Zeit vom 02.05.2011 bis 30.04.2013 als Arbeitnehmerin mit Aufgaben im Service sowie Verkauf in den von der Beklagten und Berufungsbeklagten unterhaltenen Depots bei G. in S., bei K. S. sowie einmal pro Woche bei Gl. S. beschäftigt worden. Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildete zunächst der Arbeitsvertrag vom 19.04.2011 (vgl. Bl. 8 - 11 d.A.). Dieser Arbeitsvertrag war gemäß § 1 Abs. 1 auf die Zeit vom 02.05.2011 bis 30.04.2012 ohne Angabe von Sachgründen befristet abgeschlossen worden. In § 2 dieses Arbeitsvertrags wurde die Arbeitszeit wie folgt geregelt:
3
§ 2 Arbeitszeit
4
1.Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt 38,0 Stunden.
5
2.Die Lage der Arbeitszeit wird gemäß den betrieblichen Erfordernissen durch den Arbeitgeber eingeteilt. Ebenso werden die freien Tage und Pausenzeiten nach Absprache mit dem Arbeitgeber festgelegt.
6
3.Die Arbeitszeiten sind über das örtlich installierte M.er-Zeiterfassungssystem zu erfassen. Dies gilt auch für alle Arbeitszeitunterbrechungen wie zum Beispiel für Pausen, Arztgänge oder ähnliche Abwesenheitsgründe.
7
Zusätzlich sind die Arbeits- und Abwesenheitszeiten täglich manuell in einem Wochenarbeitszeitnachweis anzugeben. Dieses Formular ist von der Abteilungsleitung oder durch deren Vertretung abzuzeichnen und jeweils im 14 tägigen Rhythmus bis zum Ende der Woche oder spätestens am Montag der Folgewoche an die Verwaltung des Arbeitgebers in M. zu übermitteln.
8
4.Der Arbeitnehmer ist in Abstimmung mit dem Arbeitgeber verpflichtet, Mehr- und Überarbeit sowie Sonntags- und Feiertagsarbeit zu leisten, soweit dies gesetzlich zulässig ist und den jeweiligen betrieblichen Erfordernissen entspricht.
9
§ 11 des Arbeitsvertrags enthält eine Bestimmung zur Festlegung von Verfallfristen:
10
§ 11Verfallfristen
11
Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsparteien binnen einer Frist von 3 Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Frist von einem Monat einzuklagen.
12
Unter dem 19.03./23.04.2012 kam es zu einer Verlängerung der Befristungsvereinbarung mit folgender Festlegung (vgl. Bl. 7 d.A.):
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§ 1.1Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses / Tätigkeit / Arbeitsort
14
Der Arbeitnehmer trat am 02.05.2011 befristet bis zum 30.04.2012 in die Dienste des Arbeitgebers.
15
Vor Ablauf des oben genannten Beendigungstermins wird das Arbeitsverhältnis bis zum 30.04.2013 verlängert. Das Arbeitsverhältnis endet automatisch mit Ablauf der Frist am 30.04.2013, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedarf.
16
Alle anderen Punkte Ihres Arbeitsvertrages gelten unverändert weiter. ….
17
Der Umfang des Arbeitseinsatzes der Klägerin ergibt sich aus den von ihr entsprechend den Vorgaben aus dem Arbeitsvertrag in Handaufschrieb geführten Arbeitszeitnachweisen für den Zeitraum 02.05.2011 bis 30.04.2013 (vgl. Bl. 25 - 92 d.A.) sowie aus den von der Beklagten für den gleichen Zeitraum vorgelegten Ausdrucken aus dem von der Beklagten für ihre Mitarbeiter eingerichteten Zeiterfassungssystem (vgl. Bl. 121 - 151 d.A.).
18
Die durchschnittliche Vergütung der Klägerin lag ihren eigenen Angaben zufolge bei 1.252,00 pro Monat. Ausweislich ihrer Erklärung im Protokoll des Gütetermins vom 04.06.2013 (vgl. Bl. 101 d.A.) wurden aber alle von ihr geleisteten Arbeitsstunden von der Beklagten auch tatsächlich vergütet.
19
Die Klägerin hat in 1. Instanz ihre Rechtsansicht vertreten, dass ihr ein Schadensersatzanspruch in Höhe von mindestens 10.000,00 gegen die Beklagte wegen Verstoßes gegen bundesgesetzliche sowie europarechtliche Vorgaben zur Arbeitszeitbegrenzung zustehe. So habe die Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 Arbeitszeitgesetz, § 17 Ladenschlussgesetz sowie aus pVV bzw. §§ 280, 281 BGB diesen Anspruch. Nach ihrer Ansicht bestehe dieser Schadenersatzanspruch unabhängig von der tatsächlich erfolgten Vergütung der von der Klägerin für die Beklagte geleisteten Arbeitsstunden. Zumal daneben auch ein Schmerzensgeldanspruch gerechtfertigt sei. Dies ergebe sich allein aus der Nichteinhaltung der Vorgaben zur täglichen Arbeitszeit in Höhe von 8 Stunden. Hinsichtlich der Berechnung der Höhe des Schadenersatzanspruches halte die Klägerin einen Betrag in Höhe von 30 % der ersparten Aufwendungen für gerechtfertigt. Ausgehend von ihrer zweijährigen Beschäftigung habe die Beklagte bei 1.252,00 pro Monat für die Klägerin 31.008,00 aufgewandt (ohne Lohnnebenkosten). Die Beklagte habe aufgrund unterlassener Einstellung einer weiteren Arbeitskraft, die dann die restlichen, aus Sicht der Klägerin unzulässigen Zusatzstunden, hätte leisten können, ca. 30 % dieses Betrages, also ca. 10.000 mindestens eingespart. Die Beklagte habe hier auch einen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern auf dem Markt erlangt als Folge der Nichteinhaltung der Arbeitszeit gesetzlicher Vorgaben und so eine nicht unerhebliche Gewinnerzielung erreicht. Die Klägerin sei von Beginn an unter Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz eingesetzt worden, weil sie bereits am 02.05.2011 von 9:30 Uhr bis 20:00 Uhr bei G. in S. bei einer Stunde Pause ihre Arbeit habe erbringen müssen. Es seien mithin 9,5 Stunden Arbeitszeit angefallen. Gesetzlich seien aber 8 Stunden vorgeschrieben. Aus den Arbeitszeitnachweisen ergebe sich, dass es sich hierbei nicht um einen einmaligen Vorgang gehandelt habe. Dies werde auch durch die Ausdrucke aus dem Zeiterfassungssystem, welche von der Beklagten in den Prozessstoff eingeführt worden seien, belegt.
20
Die Klägerin ist der Überzeugung, die Beklagte habe § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz fehlerhaft ausgelegt. Zunächst müsse von § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages ausgehend die von der Beklagten selbst gemachte Vorgabe einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden der Arbeitseinsatz der Klägerin betrachtet werden. Bei Anwendung von § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz bedeutet dies unter Zugrundelegung von 6 Werktagen, dass pro Arbeitstag 6,3 Stunden anfallen könnten (= 38 Stunden/Woche durch 6 Werktage). Insofern günstigere Regelung in § 2 Abs. 1 Arbeitsvertrag habe Vorrang vor § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz, der ein zulässiges Maß für die Höchstarbeitszeit von bis zu 10 Stunden täglich festlege. Nach Auffassung der Klägerin sei dies aber nur dann zulässig, wenn in den folgenden 6 Monaten täglich 6,3 Stunden nicht überschritten worden wären für den Arbeitstag.
21
Der Schaden der Klägerin werde in der entgangenen Lebenszeit gesehen.
22
Die Klägerin hat zuletzt in 1. Instanz beantragt,
23
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin angemessenen Schadensersatz zu Zahlen zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung, wobei ein Betrag in Höhe von 10.000,00 nicht unterschritten werden sollte.
Die Beklagte hat in 1. Instanz beantragt,
24
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat in 1. Instanz bereits vorgetragen, dass ihrer Ansicht nach beim Einsatz der Klägerin kein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz zu verzeichnen sei. § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz erlaube eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit bis zu 10 Stunden, sofern ein Ausgleich innerhalb von 6 Kalendermonaten/24 Wochen dazu führt, dass im Durchschnitt 8 Stunden Arbeit werktäglich nicht überschritten werden. Die Klägerin habe aber an keinem Arbeitstag tatsächlich länger als 10 Stunden gearbeitet. In der Regel habe die Klägerin auf den Monat bezogen sogar täglich nicht mehr als 8 Stunden Arbeit geleistet. Selbst bei zu Gunsten der Klägerin einmal als zulässig unterstellter Höchstarbeitszeit von 48 Stunden/Woche sei diese Grenze nur in 3 Fällen geringfügig überschritten worden. So habe die Klägerin in der Woche vom 02.05.2011 bis 08.05.2011 eine Arbeitszeit von 50,42 Stunden erbracht. In der Woche vom 26.03.2012 bis 31.03.2012 sei eine Arbeitszeit von 54,12 Stunden angefallen. 51,43 Stunden habe die Klägerin im Zeitraum 30.07.2012 bis 05.08.2012 gearbeitet. Allerdings lasse § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz sogar vorübergehende Verlängerung bezogen auf 6 Werktage in der Woche auf bis zu 10 Stunden also 60 Stunden in der Woche zu, mit den oben genannten weiteren Voraussetzungen des Ausgleichs. Gerade bei der Überschreitung dieser Höchstgrenzen habe die Klägerin meist innerhalb eines Monats durch Gewährung entsprechender Freizeit ihren Ausgleich erhalten.
25
Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung von § 3 Arbeitszeitgesetz könne aus Sicht der Beklagten nicht beanstandet werden. Das Arbeitszeitgesetz lege nämlich seinen Berechnungen und Vorgaben eine 6-Tage-Woche zu Grunde. Dies ergebe sich aus der Verwendung des Begriffs Werktag. Auch wenn die Klägerin in der Regel nur 5 Arbeitstage und teilweise auch einmal 4 Arbeitstage in der Woche geleistet habe, sei es der Beklagten als Arbeitgeberin nicht verwehrt, bei der Umrechnung auf den 6. Werktag in der Woche zurückzugreifen. Hieraus ergebe sich dann folgende auf Werktage umgerechnete Arbeitseinsatzsituation der Klägerin während der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses, wenn man Arbeitsunfähigkeitstage und Urlaubstage von den monatlich zur Verfügung stehenden Werktagen zunächst abziehe:
26
Jahr
Monat
Arbeitszeit
Anzahl d. WT
ArbZeit/WT
2011
Mai 2011
172,4 Std.
26 WT
6,63 Std./WT
Bl. 109 /
B1 – Bl. 121
Juni 2011
149,92 Std.
23 WT
6,52 Std./WT
Bl. 109 /
B2 – Bl. 122
Juli 2011
171,50 Std.
26 WT
6,60 Std./WT
Bl. 109 /
B3 – Bl. 123
August 2011
160,30 Std.
26 WT
6,17 Std./WT
Bl. 109-110 /
B4 – Bl. 124
September 2011
174,07 Std.
26 WT
6,69 Std./WT
Bl. 110 /
B5 – Bl. 125
Oktober 2011
166,13 Std.
25 WT
6,64 Std./WT
Bl. 110 /
B6 – Bl. 126
November 2011
145,73 Std.
25 WT
5,82 Std./WT
Bl. 110-111 /
B7 – Bl. 127
Dezember 2011
164,12 Std.
26 WT
6,31 Std./WT
Bl. 111 /
B8 – Bl. 128
2012
Januar 2012
139,73 Std.
*23 WT
* da 3 AU-Tage 23.01.-25.01.
6,07 Std./WT
Bl. 111 /
B9 – Bl. 129- 130
Februar 2012
142,45 Std.
22 WT
da 3 UT
27.02.-29.02.
6,47 Std./WT
Bl. 111-112
B10 – Bl. 131
März 2012
100,93 Std.
18 WT
da 9 UT
5,60 Std./WT
Bl. 112 /
B11 – Bl. 132
April 2012
136,25 Std.
21 WT
da 2 AU-Tage
6,48 Std./WT
Bl. 112-113 /
B12 – Bl. 133-134
Mai 2012
118,95 Std.
22 WT
da 3 AU-Tage
5,66 Std./WT
Bl. 113 /
B13 – Bl. 135-136
Juni 2012
144,65 Std.
25 WT
5,78 Std./WT
Bl. 113 /
B14 - 137
Juli 2012
156,67 Std.
25 WT
da 1 AU-Tag
6,26 Std./WT
Bl. 113-114 /
B15 – Bl. 138 – 139
August 2012
126,43 Std.
20 WT
da 2 AU-Tage
und 4 UT
6,32 Std./WT
Bl. 114 /
B16 – Bl. 140 – 141
September 2012
111,80 Std.
21 WT
da 4 UT
5,32 Std./WT
Bl. 114-115 /
B17 – Bl. 142
Oktober 2012
77,25 Std.
14 WT
da 4 AU-Tage
und 8 UT
5,51 Std./WT
Bl. 115 /
B18 – Bl. 143
November 2012
147,18 Std.
25 WT
5,88 Std./WT
Bl. 115 /
B19 – Bl. 144
Dezember 2012
52,85 Std.
11 WT
da 12 AU-Tge.
und 1 UT
4,80 Std./WT
Bl. 115-116 /
B20 – Bl. 145 – 146
2013
Januar 2013
91,30 Std.
14 WT
da 12 AU-Tge.
6,52 Std./WT
Bl. 116 /
B21 – Bl. 147 - 148
Februar 2013
133,48 Std.
22 WT
da 2 AU-Tage
6,06 Std./WT
Bl. 116-117 /
B22 – Bl. 149
März 2013
159,50 Std.
25 WT
6,38 Std./WT
Bl. 117 /
B23 – Bl. 150
April 2013
64,27 Std.
16 WT
da 9 UT
4,01 Std./WT
Bl. 117 /
B24 – Bl. 151
27
Nach Auffassung der Beklagten hätten auch keine Verstöße gegen das Ladenschlussgesetz oder gegen das UWG vorgelegen.
28
Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin von entstandenen Ansprüchen einmal ausgehen könnte, seien diese nach § 11 des Arbeitsvertrages verfallen, weil sie erstmals mit Schriftsatz vom 28.05.2013 geltend gemacht worden seien.
29
Das die Klage insgesamt abweisende Urteil des Arbeitsgerichts vom 24.09.2013 (vgl. Bl. 183 - 193 d.A.) geht davon aus, dass der Klägerin weder ein Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz aus §§ 280, 282 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB, noch aus § 823 Abs. 1 BGB sowie auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitszeitgesetz, dem Nachweisgesetz oder dem UWG zustehe.
30
Ein Schadensersatzanspruch bestehe nämlich schon deshalb nicht, weil von der Klägerin ein entsprechend zu ersetzender Schaden nicht dargelegt worden sei. Bis Ende 2001 seien nämlich bei einer Pflichtverletzung im Sinne einer positiven Vertragsverletzung (pVV) für die Zubilligung eines Ersatzanspruchs die Entstehung sowie der Nachweis eines Schadens erforderlich gewesen. Dies verhalte sich seit 01.01.2002 mit Inkrafttreten der Schuldrechtsmodernisierung bei § 280 BGB als Nachfolgebestimmung zur pVV nicht anders. Gleiches gelte für einen Schadensersatzanspruch basierend auf § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB.
31
Ein Anspruch auf Schadensersatz lasse sich auch nicht auf § 253 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, begründen. § 253 Abs. 1 BGB gewähren nämlich nur eine Entschädigung in denen durch das Gesetz bestimmten Fällen. Eine Entschädigungspflicht selbst bei Vorliegen eines Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz, das Ladenschlussgesetz oder das UWG sei jedoch nicht vorgesehen, weil eine solche Norm nicht existent sei. Allgemeine im BGB enthaltene Schadensersatznormen wie ein Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB setzen aber, anders als etwa die Norm des § 15 Abs. 1 AGG, das Vorliegen eines vermögensrechtlichen Schadens voraus. Das Vorliegen eines solchen Schadens habe die Klägerin aber nicht darlegen können. Es sei auch kein nichtvermögensrechtlicher Schaden als Voraussetzung für § 253 Abs. 1 BGB in der Form entstanden, dass man von entgangener Lebenszeit sprechen kann. Eigenem Bekunden zufolge sei jede von der Klägerin geleistete Arbeitsstunde auch tatsächlich ordnungsgemäß abgerechnet und von der Beklagten auch vergütet worden. Im Arbeitsleben gebe es keine entgangene Lebenszeit. Der Arbeitgeber schulde für tatsächliche Beschäftigungen Lohnzahlung. Auch bei einer Beschäftigung über das übliche, arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich oder gesetzlich zulässige Maß hinaus schulde der Arbeitgeber nach § 612 BGB die Vergütung. Zudem ergebe sich der Lohnanspruch aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag auch für Überstunden und Mehrarbeit.
32
Ein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz selbst sei nach den Ausführungen im Urteil nicht gegeben. § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz lasse die Möglichkeit der Verlängerung der üblichen werktäglichen Arbeitszeit von 8 Stunden auf bis zu 10 Stunden zu. Allerdings dürfen dann innerhalb von 6 Kalendermonaten bzw. 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden pro Werktag nicht überschritten werden. Diese Voraussetzung sei erfüllt, wenn die Summe der vom einzelnen Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsstunden die Summe der für ihn in diesem Zeitraum zulässigen Stunden nicht überschreitet. Die Monatsaufzeichnungen der Beklagten zeigten, dass die Klägerin in keinem Monat mehr Arbeitsstunden geleistet habe als sie arbeitsvertraglich dazu Verpflichtung gehabt hätte. Die Klägerin habe sich nämlich aufgrund der ihr gewährten Ausgleichstage stets wöchentlich im zulässigen Rahmen bei ihrer Arbeitsleistung befunden. Die Klägerin habe allerdings diesen Umstand verkannt, weil sie die Ausgleichstage bei ihren Überlegungen nicht berücksichtigt habe. Sie habe lediglich die Tage herangezogen für ihre Berechnung, an denen sie tatsächlich gearbeitet hat. Dies seien im Durchschnitt 9,5 Stunden gewesen. Nur deshalb habe sie Werte ermitteln können, die oberhalb der gesetzlichen Vorgaben des § 3 Arbeitszeitgesetz liegen. Das Arbeitszeitgesetz gehe aber von 6 Werktagen zu je 8 Stunden, mithin also von 48 Stunden pro Woche aus; es liege gerade nicht Arbeitstage zu Grunde. Es liege höchst Arbeitszeiten fest, deren Grenzen nicht überschritten werden darf. Von der Durchführung eines so genannten Günstigkeitsvergleichs könne nicht ausgegangen werden. Obwohl in der jeweiligen Woche nach den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes 60 Stunden an Arbeitsleistung zulässig gewesen wären, habe die Klägerin lediglich ausweislich der Zeiterfassung in 3 Wochen länger als 48 Stunden gearbeitet, so dass § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz nicht verletzt worden sei.
33
Selbst bei Annahme von 48 Stunden pro Woche, also nach dem Arbeitszeitgesetz zulässige Höchstgrenze, wäre zu Gunsten der Klägerin nicht von einem durchsetzbaren Schadensersatzanspruch auszugehen. Jede über 48 Stunden pro Woche geleistete Arbeitsstunden wäre bei dieser Betrachtung zunächst als Verletzung von § 3 Arbeitszeitgesetz anzusehen, wenn man der Darstellung der Klägerin folgen wollte. Aber auch hier hätte die Klägerin einen Schaden zunächst einmal darlegen müssen. Zudem wäre ein solcher Schadensersatzanspruch nach § 11 Arbeitsvertrag verfallen gewesen weil eine Geltendmachung erstmals mit der Klageerweiterung vom 28.05.2013 erfolgt sei.
34
Nach den Ausführungen des Arbeitsgerichts im Urteil liege auch kein Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz oder das UWG vor.
35
Die Klägerin und Berufungsklägerin ist der Ansicht, dass das Arbeitsgericht den Ansatz für den von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht richtig erkannt habe.
36
So lasse sich der Schadensersatzanspruch direkt aus der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie, der RL 2003/88/EG, ableiten wenn ein Arbeitgeber hinsichtlich der dort vorgegebenen Höchstarbeitszeit gegen Union im Einzelarbeitsverhältnis verstoßen habe. Hierzu beruft sich die Klägerin auf ein Urteil des EuGH vom 25.11.2010 unter dem Aktenzeichen C- 429/09.
37
Das Arbeitsgericht habe die Bedeutung des Arbeitszeitgesetzes als Schutzgesetz vollkommen verkannt. So habe es fehlerhaft darauf hingewiesen, dass eine Darlegung eines Schadens nicht erfolgt sei. Dabei habe das Arbeitsgericht den Vergütungsanspruch für erbrachte Mehrarbeit verwechselt mit dem von der Klägerin verfolgten Anspruch auf Schadensersatz bei Verstoß gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften des Arbeitszeitgesetzes. Vor diesem Hintergrund gingen die Ausführungen im Urteil zu § 253 BGB ebenso wie diejenigen zu § 612 BGB an der Sache vorbei. Ausreichend für das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs sei bereits der Verstoß gegen § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz. Dabei sei es ohne Belang, ob der Arbeitnehmer die von ihm geforderte und abgeleistete Mehrarbeit tatsächlich vergütet erhalten habe, oder ob der Arbeitnehmer mit der Ableistung der Mehrarbeit einverstanden war. Im Urteil habe das Arbeitsgericht lediglich lapidar unter Hinweis auf die Zeiterfassung einen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz abgelehnt. Angeblich habe die Klägerin im Durchschnitt nicht mehr als 8 Stunden Arbeit geleistet, wobei allerdings das Urteil gerade nicht auf den Unterschied zwischen täglicher Arbeitszeit und durchschnittlicher werktägliche Arbeitszeit des § 3 Arbeitszeitgesetz eingegangen sein. Eine ökonomische Betrachtungsweise der Arbeitszeit verbiete sich nämlich unter dem Gesichtspunkt, dass das Arbeitszeitgesetz ein Arbeitnehmerschutzgesetz sei. Dieser Gesichtspunkt werde auch im Erwägungsgrund 4 zur RL 2003/88/EG letztlich bestätigt. Auch finde diese Überlegung der Klägerin nach ihrer Ansicht eine Stütze in Art. 31 Abs. 1 EU-Grundrechts-Charta. Das deutsche Arbeitszeitgesetz bleibe dem gegenüber schon in seiner Zwecksetzung hinter der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie zurück, da gemäß § 1 Nr. 1 Halbsatz 1 Arbeitszeitgesetz nur die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheitsschutz festgeschrieben sind. Auch die 2. Zweckbestimmung des deutschen Gesetzes, nämlich die Verbesserung der Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten in § 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Arbeitszeitgesetz sei vom Arbeitsgericht verkannt worden. In § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz sei nämlich die Verankerung des 8-Stunden-Tages vorgenommen worden mit einem Ansatz an werktägliche Arbeitszeit. Demgegenüber sei der Ansatz der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie in Art. 6 bder Arbeitstag, so dass bei Überschreitung eines 8-Stunden-Tages ein Ausgleich innerhalb einer Woche nach Auffassung der Klägerin stattzufinden habe. Es sei deshalb nach Meinung der Klägerin auf die faktische Arbeitswoche, also bei der Klägerin teilweise auf die 4-Tage-Woche, abzustellen. Demgegenüber ergebe sich bei 48 Stunden in einer 6-Tage-Woche deshalb bei Annahme tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung in einer 5-Tage-Woche immer noch eine Arbeitszeit von 9 Stunden 20 min/Tag als Höchstgrenze, so dass niemals die von § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz vorgegebenen 8 Stunden eingehalten würden. Bei Anwendung der Ausnahmeregelung des § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz komme die Regelung des § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz mit 8 Stunden/Tag zu dem niemals zum tragen. In § 3 Arbeitszeitgesetz sei aber kein Hinweis enthalten auf eine durchschnittliche werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden. Es werde vielmehr klar definiert, dass eine werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden vorgeben sei. Es erfolge also keine Umlegung der rechtlich bei 6 Werktagen möglichen 48 - 60 Stunden auf die individuell tatsächlich geleisteten 5 Werktage pro Woche. Es gebe also 2 offene Fragen bezüglich § 3 Arbeitszeitgesetz. Zum einen stelle sich das Problem, dass eine Umlage der bei 6 Werktagen zulässigen 8 Stunden pro Werktag auf die nur geleisteten 5 Arbeitstage bei einer Verlängerung bis zu 10 Stunden pro Werktag und entsprechender Umlegung auf 5 Arbeitstage zu einer Belastung von 11 Stunden 40 Min. führen würde. Der 2. Bereich sei der Bezugszeitraum für den zu schaffenden Ausgleich. Dieser sei nach § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz auf 6 Monate angelegt wohingegen Art. 17 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 19 Absatz 1 RL 2003/88/EG lediglich einen Ausgleichszeitraum von 4 Monaten vorsieht. Damit ergebe sich aber auch, dass die Vorschrift des § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz bezüglich des 6-Monats-Zeitraums als europarechtswidrig einzustufen sei.
38
Die Klägerin geht auch in 2. Instanz davon aus, dass es einer Darlegung eines gesonderten materiellen Schadens nicht bedürfe. Insoweit habe der EuGH in seinem Urteil vom 25.11.2010 unter dem Aktenzeichen C-429/09 den Verlust der Ruhezeit als ausreichend angesehen für die Annahme eines Schadensersatzanspruchs. Jede von der Klägerin über die Grenze von § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz hinaus geleistete Arbeitsstunde führe zu einem Verlust an Ruhezeit und stelle somit einen auszugleichenden Schaden dar.
39
Unter dem Aspekt, dass § 3 Arbeitszeitgesetz ein Schutzgesetz darstelle, könne die Klägerin auch auf § 823 Abs. 2 BGB gestützt ihren Schaden gegenüber der Beklagten geltend machen. Dafür sei es unerheblich, ob mögliche Ersatzansprüche gegen den Bund oder ein Bundesland gegeben seien wegen Nichtbeachtung der Vorgaben in der RL 2003/88/EG.
40
Den Hinweis des Arbeitsgerichts auf § 11 des Arbeitsvertrages halte die Klägerin für belanglos, weil diese Bestimmung auf den vorliegend geltend gemachten Anspruch keine Anwendung finde. Es gehe nicht um die Abgeltung von Überstunden, sondern um die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. In § 11 sei kein Hinweis enthalten dahingehend, dass diese Ausschlussfristklausel sich auch auf deliktische Ansprüche beziehen soll.
41
Letztlich hätte das Arbeitsgericht Veranlassung gehabt und deshalb auch die Verpflichtung hierzu eine Vorlage nach Art. 267 AEUV an den EuGH zu machen.
42
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt,
43
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 24.09.2013 – 5 Ca 589/13 - , zugestellt am 07.10.2013, die Beklagte und Berufungsbeklagte kostenpflichtig zu verurteilen,
44
wegen des Verstoßes gegen das Arbeitsschutzgesetz an die Klägerin Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, wobei ein Betrag von 10.000,00 nicht unterschritten werden sollte,
45
zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Antragstellung.
46
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
47
die Berufung zurückzuweisen.
48
Die Beklagte ist auch in 2. Instanz der Überzeugung, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Schadensersatz, wegen eines Verstoßes gegen das Arbeitszeitgesetz zu, da ein solcher Verstoß keineswegs ersichtlich sei. Aus der Entscheidung des EuGH im Urteil vom 25.11.2010 mit dem Aktenzeichen C-429/09 könne nichts abgeleitet werden, was zu Gunsten des von der Klägerin reklamierten Anspruchs spreche. Selbst bei Annahme, dass die Entscheidung im Sinne der Klägerin ausgefallen wäre, dass sich also ein Arbeitnehmer auf Union berufen könne, um die Haftung der Behörden des betreffenden Mitgliedstaates auszulösen und so Ersatz seines Schadens erlangen könne, der ihm durch Verstoß gegen die Bestimmungen entstanden sei, führe dies nicht zur Annahme eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin. Die Entscheidung des EuGH betreffe nur die Haftung und Schadensersatzverpflichtung einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung, weil der Fall eines Feuerwehrmanns im Einsatzdienst der Stadt Halle als öffentlich-rechtliche Arbeitgeberin zur Beurteilung angestanden habe. Damit sei die vertikale Gebundenheit und somit die Auswirkungen einer europäischen Richtlinie auf ein öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis angesprochen. Hier gehe es jedoch um ein privatrechtliches Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten. Eine unmittelbare Wirkung werde aber nach Überzeugung der Beklagten den Richtlinien der EU im Verhältnis der Bürger untereinander vor ihrer Umsetzung durch den jeweiligen Mitgliedstaat nicht beigemessen. Darüber hinaus habe der Europäische Gerichtshof in der von der Klägerin zitierten Entscheidung gerade festgehalten, dass die RL 2003/88/EG keine Bestimmung zu den Sanktionen enthalte. Es sei also gerade keine spezielle Regelung zum Ersatz des Schadens in dieser Richtlinie enthalten, wenn gegen die Richtlinie verstoßen werde. Mithin fehle es, wie das Arbeitsgericht im Urteil ausgeführt habe, an der Darlegung eines durch den angeblichen Verstoß bei der Klägerin eingetretenen Schadens. Das EuGH-Urteil entbinde aber den Betroffenen gerade nicht von der Pflicht zur Darlegung eines durch den Verstoß gegen Union entstandenen und dann zu ersetzenden Schadens.
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Nach Überzeugung der Beklagten sei aber darüber hinaus auch gar kein Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitszeitgesetz in Verbindung mit der RL 2003/88/EG oder aber direkt gegen die RL 2003/88/EG durch die Beklagte mit dem von der Klägerin verlangten Einsatz begangen worden.
50
Ein Verstoß gegen § 3 Arbeitszeitgesetz sei jedenfalls nicht zu verzeichnen. Grundsätzlich lasse § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz eine Überschreitung der Arbeitszeit von 8 Stunden pro Werktag nicht zu. Allerdings führe § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz dazu, dass eine Verlängerung auf bis zu 10 Stunden pro Werktag zulässig wird, wenn im Ausgleichszeitraum insgesamt nicht mehr als 8 Stunden im Durchschnitt pro Werktag anfallen. Es könne also im Unterschied zur Auffassung der Klägerin gerade nicht davon gesprochen werden, dass der 8-Stunden-Tag als gesetzliche Regelarbeitszeit festgelegt sei. Die einzige Voraussetzung für die Verlängerung über 8 Stunden hinaus sei, dass ein Ausgleich von Mehrarbeit in dem in § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz definierten Ausgleichszeitraum erfolge. Somit sei entgegen der Darstellung der Klägerin § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz auch keine Ausnahmeregel, auf die nur gelegentlich zurückgegriffen werden dürfe. Es sei auch nicht auf die individuelle Arbeitswoche eines Arbeitnehmers abzustellen, wie sich aus dem klaren Wortlaut des § 3 Arbeitszeitgesetz mit seiner Bezugnahme auf den Werktag und nicht auf den Arbeitstag ergebe. Damit hätte die Klägerin bei ihrer Betrachtung die ihr gewährten Tage mit berücksichtigen müssen. Eine Umrechnung der Höchstgrenzen für die Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz auf die individuell von der Klägerin geleisteten Arbeitstage sei jedenfalls verfehlt. Das Arbeitszeitgesetz gehe von 6 Werktagen aus, so dass zwischen 48 Stunden pro Woche und 60 Stunden pro Woche, letzteres bei entsprechendem Ausgleich im Ausgleichszeitraum, rechtlich zulässig seien.
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Ein Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben aus Art. 16 lit.b RL 2003/88/EG sei ebenfalls nicht zu verzeichnen. Hiernach sei es zulässig, 48 Stunden innerhalb eines 7-Tages-Zeitraums bei Abstellen auf einen Bezugszeitraum von 4 Monaten als Grenze Arbeit von Arbeitnehmern leisten zu lassen. Diese Regelung stelle ein Mittel der Flexibilisierung der Arbeitszeit dar. Die Beklagte habe gegen diese Vorgaben, wie sich aus den Ausdrucken aus dem bei der Beklagten installierten Zeiterfassungssystem ergebe, hinsichtlich der Arbeitszeit der Klägerin nicht verstoßen. Lediglich in den 3 bereits erstinstanzlich bezeichneten Wochen sei bezogen auf 6 Werktagen eine geringfügige Überschreitung von 48 Stunden vorgekommen. Der Ausgleich sei der Klägerin aber innerhalb des europarechtlich vorgegebenen 4-Monats-Zeitraums gewährt worden. Das faktische Vorliegen einer 5-Tage-Woche, oder dasjenige einer 4-Tage-Woche, kraft Vereinbarung im Arbeitsverhältnis sei nach Überzeugung der Beklagten kein Gegenargument gegen die Anknüpfung an das Arbeitszeitgesetz. Bei mehr als 8 Stunden Arbeitszeit werde durch freie Tage ein Ausgleich gewährt, damit der Gesundheitsschutz zu Gunsten des Arbeitnehmers eingehalten werde. Jedenfalls sei zu keinem Zeitpunkt eine Überschreitung der nach dem Arbeitszeitgesetz festgelegten Höchstgrenzen von 48 - 60 Stunden pro 6 Werktage zu verzeichnen gewesen. Die Klägerin habe auch an keinem Arbeitstag 10 Stunden als Grenze mit ihrer Arbeitsleistung überschritten. Mithin sei die Beklagte der Ansicht, dass selbst bei angenommener teilweiser Europarechtswidrigkeit des Arbeitszeitgesetzes der Klägerin dennoch kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zugebilligt werden könne mangels Vorliegens eines Verstoßes gegen die RL 2003/88/EG.
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Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin wären ihre Ansprüche auf Schadensersatz, wenn sie den überhaupt entstanden wären, nach § 11 des Arbeitsvertrages verfallen, weil Ausschlussfristen sich auch auf deliktische Schadensersatzansprüche erstrecken dürfen.
53
Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze in beiden Instanzen sowie auf die jeweiligen Sitzungsniederschriften verwiesen und das Urteil des Arbeitsgerichts in Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Sie ist gemäß den §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit den §§ 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form fristgerecht eingelegt und begründet worden.
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II.Die Berufung der Klägerin bleibt jedoch ohne Erfolg. Der Klägerin steht nämlich der von ihr gegenüber der Beklagten geltend gemachte Schadensersatzanspruch basierend auf von ihr behaupteten Verletzungen arbeitszeitrechtlicher Vorgaben nicht zu. Dem Erfolg eines von der Klägerin reklamierten Schadensersatzanspruches steht zunächst bereits offensichtlich losgelöst von der Prüfung, ob eine bundesgesetzliche oder europarechtliche Arbeitszeitregelung als Schutzgesetz für Arbeitnehmer und deren Gesundheit verletzt ist oder nicht, die fehlende Darlegung eines bei der Klägerin eingetretenen Schadens entgegen (dazu weiter unter 1.). Es liegen aber auch die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280, 282 i.V.m. § 241 Abs.2 BGB, aus § 823 Abs.1 BGB oder § 823 Abs.2 BGB nicht vor, weil die Beklagte mit dem von der Klägerin abverlangten Arbeitseinsatz keineswegs gegen Vorgaben aus §§ 1, 3 ArbZG verstoßen hat (dazu weiter unter 2.). Ferner liegt auch kein Verstoß gegen Art. 6 b, 16 b und 19 RL 2003/88/EG oder Art. 31 Abs. 2 EU-GRCharta vor (dazu weiter unter 3.). Ein Verstoß gegen § 17 LadenschlG oder UWG ist ebenfalls nicht zu verzeichnen (dazu weiter unter 4.). Letztlich liegt eine Vorlageverpflichtung an den EuGH nicht vor (dazu weiter unter 5.).
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1.Der Berufung der Klägerin ist bereits deshalb schon der Erfolg zu versagen, weil der von ihr geltend gemachte Schadensersatzanspruch trotz schon in 1. Instanz erfolgter Hinweise nur unvollständig dargelegt worden ist. Zu den, einen solchen Anspruch begründenden Voraussetzungen, zählt nach all den hier in Betracht kommenden Normen auch die Darlegung, dass bei Verletzung einer Vorschrift, losgelöst ob eine gesonderte Darlegung eines irgendwie gearteten Grades des Verschuldens bei der Verletzungshandlung notwendig wird, auch adäquat kausal bei der Klägerin ein Schaden verursacht wurde. Die reine Behauptung in 1. Instanz, der Verlust an Lebenszeit in Folge der behaupteten Überschreitung zulässiger Arbeitszeitgrenzen, oder die Behauptung in 2. Instanz, der Verlust an Ruhezeit, stellten eine ausreichende Darlegung eines Schadens dar, ist nach Auffassung der Kammer nahezu offensichtlich nicht ausreichend, um im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung das tatsächliche Vorhandensein eines Schadens bei der Klägerin bejahen zu können. Jedenfalls kann hieraus nicht abgeleitet werden, die Beklagte sei verpflichtet einen Schaden in Höhe von mindestens 10.000,00 auszugleichen. Selbst wenn man noch der Klägerin - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts und der erkennenden Kammer des Landesarbeitsgerichts - in ihrer Auffassung Folge leisten wollte, dass die reine Verletzungshandlung arbeitszeitrechtlicher Vorgaben zu Höchstgrenzen automatisch zu einem zu ersetzenden Schaden führen würde, fehlt jegliche nachvollziehbare Darlegung, warum der Verlust von Lebenszeit bzw. der Verlust von Ruhezeit einem wertmäßigen Ausgleich entsprechen soll, welcher in angeblich ersparten Aufwendungen durch Unterlassen der Einstellung einer zusätzlichen Arbeitskraft zur Unterstützung und zeitlichen Entlastung der Klägerin besteht.
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Betrachtet man sich die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 282 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB, so ist allgemein anerkannt, dass zur schlüssigen Darlegung eines Anspruchs auch eine nachvollziehbare Beschreibung des entstandenen Schadens sowie des daraus resultierenden finanziell begehrten Ausgleichs gehört. Für den Umfang des Schadens trägt der Geschädigte, wenn keine Sonderregeln bestehen, genauso die Behauptungs- und Beweislast wie für alle anderen anspruchsbegründenden Tatsachen, insbesondere für den haftungsbegründenden Tatbestand (vgl. Schiemann in Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2005, Rn 88 zu den Vorbemerkungen zu §§ 249 – 254 BGB; Oetker in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. München 2012, Rn 481 zu § 280 BGB). Gleiches gilt für einen Schadensersatzanspruch basierend auf unerlaubte Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB bzw. bei Verletzung eines anerkannten Schutzgesetzes im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (Oetker in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. München 2012, Rn 482 zu § 280 BGB).
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Auch wenn man vom Ersatz immaterieller Schäden über § 253 Abs. 1 und 2 BGB ausgehen wollte, wäre es Sache der Klägerin gewesen, nachvollziehbare Anhaltspunkte für bei ihr entstandene Schäden zu liefern. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin eigenem Bekunden zufolge jede von ihr tatsächlich abgeleistete Arbeitsstunden auch vergütet erhalten hat. Sie hat darüber hinaus ausweislich der von ihr selbst eingereichten Arbeitszeitnachweise (vgl. Bl. 25 – 92 d.A.), wie auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten in den Streitstoff eingeführten Ausdrucke aus dem Zeiterfassungssystem (vgl. Bl. 121 – 151 d.A.), an keinem einzigen Arbeitstag eine arbeitszeitliche Grenze von 10,0 Stunden überschritten. Es kann also wegen ihres gleichförmigen Einsatzes im Einzelhandel keineswegs angenommen werden, dass die Klägerin tatsächlich im Unterschied zu der durchaus denkbaren Situation bei etwa in Wechselschicht beschäftigten Arbeitnehmern mit zusätzlichen Einsatzbereitschaften einen Verlust von Lebenszeit oder einen solchen von Ruhezeit erfahren hat. Mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts geht auch die erkennende Kammer davon aus, dass es im Arbeitsleben vom Grundsatz her immer einen Verlust von Lebenszeit geben wird, der jedoch nicht zu einem ersatzfähigen Schaden führt, für den der Arbeitgeber über die für diese von Arbeitnehmern aufgewandte Lebenszeit vereinbarte Vergütung hinausgehend finanziell einzustehen hat. Die geleistete Arbeit selbst dient nämlich für die wohl weitaus überwiegende Zahl arbeitender Menschen dazu, die nötigen finanziellen Mittel zur Lebensführung zu erwirtschaften. Bei von der Klägerin einmal zu ihren Gunsten unterstellt regelmäßig gearbeiteten 9,5 Stunden / Einsatztag zzgl. 1 Stunde Pause bleiben selbst unter großzügiger Bemessung der aufzuwenden Zeit für die wegen der relativ kurzen Distanz zwischen der Wohnung der Klägerin in der M.-straße in S. (C. – 6…) und ihren beiden Haupteinsatzstellen G. sowie bei K. – beide in der B.-straße in S. (C. – 6…) - vermutlich fußläufig zurückzulegende Wegstrecke immer noch deutlich mehr als 10 Stunden Ruhezeit pro Einsatztag bis zum Beginn ihrer Arbeit am nächsten Arbeitstag übrig. Bei dieser Betrachtung ist dann sogar noch völlig unberücksichtigt, dass der Klägerin auch freie Tage als Ausgleich gewährt worden sind. Dass es z.T. nur 4 Einsatztage in einer Woche gab, wird auch von der Klägerin letztlich nicht bestritten, weil sich dies unschwer aus den von ihr selbst gem. § 2 Abs.3 des Arbeitsvertrages geführten Arbeitszeitnachweisen wie auch aus den Ausdrucken aus dem Zeiterfassungssystem selbst ergibt.
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Auch der Rückgriff der Klägerin auf die Entscheidung des EuGH vom 25.11.2010 – C- 429/09 - (in NZA 2011 Seite 53-60) vermag der Klägerin die Notwendigkeit der Darlegung eines bei ihr entstandenen Schadens nicht zu nehmen. Der Europäische Gerichtshof hat nämlich festgehalten, dass die europäische Kommission zu Recht ausgeführt habe, dass die RL 2003/88/EG (also die Arbeitszeitrichtlinie) keine Bestimmung zu den Sanktionen, die bei einem Verstoß gegen die Vorschriften Anwendung finden, enthalte. Es gebe also keine spezielle Regelung zum Ersatz des Schadens, der den Arbeitnehmern durch diesen Verstoß möglicherweise entstanden ist (vgl. EuGH Urteil vom 24.11.2010 C-429/09 – in NZA 2011, Seite 53 - 60 - Rn. 44 bei juris). Dabei wurden 3 Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch aufgestellt. Die 1. Voraussetzung besteht darin, dass die Unionsnorm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezwecken muss. Die 2. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch sieht der EuGH darin, dass der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert sein muss. Als 3. Voraussetzung muss zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehen (vgl. EuGH aaO. - Rn. 47 bei juris). Dem so Geschädigten kommt dabei lediglich eine Erleichterung dahingehend zu Gute, dass die Verpflichtung zum Ersatz der dem einzelnen entstandenen Schäden nicht von einer an den Verschuldensbegriff geknüpften Voraussetzung abhängig gemacht werden darf, die über den hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Union hinausgeht (vgl. EuGH aaO - Rn. 67 bei juris). Soweit es um die Frage geht, in welcher Form und in welchem Umfang Schadensersatz zu leisten ist, hat der EuGH festgelegt, dass es in Ermangelung von Union auf diesem Gebiet Sache des nationalen Rechts des betroffenen Mitgliedstaats ist, unter Beachtung des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes zu bestimmen, ob der Ersatz des Schadens, der einem Arbeitnehmer durch den Verstoß gegen eine Vorschrift des Unionsrechts entstanden ist, diesem Arbeitnehmer in Form von Freizeitausgleich oder in Form einer finanziellen Entschädigung zu gewähren ist. Es ist dabei ebenfalls Sache des nationalen Rechts des betroffenen Mitgliedstaats, die dazu erforderlichen Regeln für die Art und Weise der Berechnung der Höhe festzulegen. Die in den Artikeln 16 - 19 der RL 2003/88/EG vorgesehenen Bezugszeiträume seien in diesem Zusammenhang nicht relevant (vgl. EuGH aaO - Rn. 98 bei juris).
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Es kann also keine Rede davon sein, dass das Arbeitsgericht die Unterscheidung zwischen einem hier geltend gemachten Entschädigungsanspruch für angebliche Verletzung von Arbeitszeitvorschriften mit einem normalen Ersatzanspruch wegen etwa nicht vollständig gezahlter Vergütung nicht sauber auseinandergehalten habe, weil nach den vorstehenden Ausführungen deutlich zu Tage tritt, dass selbst unter Beachtung europarechtlicher Vorgaben im Bereich der Arbeitszeit der alleinige Verstoß gegen eine Norm noch nicht automatisch den möglicherweise Geschädigten davon entbindet, den bei ihm eingetretenen Schaden in irgendeiner Weise näher darzulegen. Das Arbeitsgericht hat insofern völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass bei den hier in Betracht zu ziehenden Normen, die dem Schutz von Arbeitnehmern gegen Verletzung von Arbeitszeitgrenzen bezwecken, eine etwa der Bestimmung des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG vergleichbare Regelung fehlt, die es einem Arbeitnehmer entbehrlich macht, den Schaden und dessen Höhe näher darzulegen und gegebenenfalls im Falle eines Bestreitens auch unter Beweis zu stellen.
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Soweit im Rahmen der mündlichen Erörterungen vor der erkennenden Kammer am 09.04.2014 als mögliche Schädigung der Klägerin auf gesundheitliche Aspekte hingewiesen worden ist, die aus der als Uhrmacherin bei ihrer Arbeit einzunehmende gekrümmte, sitzende Haltung mit einem Lupenglas vor einem Auge herrühren, kann dieser Aspekt aus zwei Gesichtspunkten nicht herangezogen werden von der Klägerin, um nunmehr im Berufungsverfahren den erstinstanzlich durch Urteil versagten Schadensersatzanspruch dennoch begründen zu können. Abgesehen davon, dass die Tätigkeit der Klägerin unter anderem im Auswechseln von Batterien in Armbanduhren sowie dem Wechsel von Uhrenarmbändern bei der Beklagten gelegen hat, hat die Klägerin keinerlei Tatsachen angedeutet, die die Möglichkeit der Verletzung von Arbeitsschutzgesichtspunkten für die Einrichtung des der Klägerin zur Verfügung gestellten Arbeitsplatzes erkennen lassen würden. Vielmehr handelt es sich bei der geschilderten Tätigkeit und vor allem bei der Art und Weise, wie diese zu erbringen ist, um eine innerhalb des Berufsbilds des Uhrmachers typische Arbeitsweise. Die Zuhilfenahme eines Lupenglases ergibt sich aus der menschlichen Unzulänglichkeit, miniaturisierte Schrauben, Federn und Zahnrädchen über eine längere Arbeitszeit hinweg mit bloßem Auge nicht so exakt erkennen zu können, dass mechanische Fehleingriffe in die Funktionsfähigkeit eines Uhrwerks sicher zu vermeiden sind. Zum anderen steht aber § 67 Abs. 4 ArbGG bereits einer Verwertbarkeit dieses Gesichtspunkts entgegen. Die Klägerin hat über die gesamte Laufzeit des erstinstanzlichen Verfahrens einzig und allein die Aspekte des Arbeitszeitrechts in ihrem Arbeitsverhältnis zum Gegenstand des Ansatzes ihres Schadensersatzanspruchs gemacht. Gleiches gilt für die Berufungsbegründungsschrift. Auch hier sind nur Aspekte des deutschen und europäischen Arbeitszeitrechts und deren mögliche Verletzung durch die Beklagte als Argumente für einen Schadensersatzanspruch von der Klägerin vorgebracht worden.
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2.Die weiteren Ausführungen erfolgen in erster Linie zur Abrundung der sich bereits nach den zu 1. gemachten Ausführungen hinsichtlich des Fehlens einer Darstellung eines bei der Klägerin eingetretenen (immateriellen) Schadens ergebenden Unbegründetheit der eingelegten Berufung. Die von der Klägerin während ihrer zweijährigen Tätigkeit bei der Beklagten abverlangten und von ihr auch tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten sind im Unterschied zur Auffassung der Klägerin keineswegs unter Verletzung der §§ 1, 3 Arbeitszeitgesetz erbracht worden.
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a)Nach § 3 S. 1 Arbeitszeitgesetz beträgt die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer 8 Stunden, wobei diese zeitliche Grenze zunächst nach dem Text von Satz 1 auch nicht überschritten werden darf. Entsprechend der Definition in § 3 Abs. 2 Bundesurlaubsgesetz gelten als Werktage alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Innerhalb einer Kalenderwoche gibt es also typischerweise 6 Werktage von montags bis samstags. In der Konsequenz bedeutet dies, dass bei einem pro Werktag nach Satz 1 angegebenen maximalen 8-Stunden-Tag und 6 Werktagen in der Woche grundsätzlich eine maximale wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden durch § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Bundesurlaubsgesetz definiert ist.
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§ 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz lässt dann aber im Sinne der Ermöglichung eines flexibleren Arbeitseinsatzes von Arbeitnehmern eine Verlängerung bis zu 10 Stunden zu, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Gerade zu dieser Bestimmung von § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz ist aber anzumerken, dass es sich um eine Norm handelt, welche in Ablösung der früheren Arbeitszeitordnung, den Einstieg für Arbeitgeber in eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung ermöglichte ohne die bis zum Inkrafttreten des Arbeitszeitgesetzes gemäß § 15 Abs.2 Arbeitszeitordnung (gültig bis 30.06.1994) für Arbeitseinsätze über 8 Stunden am Arbeitstag hinausgehend geltende Zuschlagspflicht bei der Vergütung in Höhe von 25 %. Es kann daher gerade über § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz zur Einführung verschiedener Modelle kommen wie etwa Gleitzeit, Überarbeit, Vor- und Nacharbeit sowie Nebenarbeit, solange am jeweiligen Tag die Arbeitszeit ohne Pausen sich in der Grenze von 10 Stunden hält. Im Rahmen einer Woche kann daher auch an nur 4 Tagen vom Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in einem Umfang von 10 Stunden eingefordert werden entsprechend den mit ihm getroffenen Vereinbarungen. Der Arbeitnehmer leistet dann an 4 Tagen in der Woche eine 40-Stunden-Woche. Über den Ansatz des Arbeitszeitgesetzes am Werktag wird nach dem Arbeitszeitgesetz dennoch die Betrachtung des Arbeitseinsatzes auf die 6 Werktage einer Woche (excl. Wochen mit einem Feiertag innerhalb der 6 Werktage) verteilt, so dass pro Werktag auch in diesem Fall lediglich 6,66 Stunden gearbeitet worden sind ausgehend von der Berechnung: 40 Stunden dividiert durch 6 Werktage. Es sind demnach weit weniger als 8 Stunden, wie dies in der Zusammenschau von § 3 Satz 1 mit § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz textlich vorgegeben ist, an Arbeitszeit für einen Werktag abgefordert worden (vgl. Neumann / Biebl, Arbeitszeitgesetz, 15. Aufl. München 2008, Rn 6 zu § 3 ArbZG). Mit der Ablösung der früheren Arbeitszeitordnung durch das Arbeitszeitgesetz (mit Wirkung zum 01.07.1994) und mit der seither bestehenden Möglichkeit, über § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz ohne unmittelbare Auslösung einer Zuschlagspflicht bei der Vergütung die Arbeitszeit bis zu 10 Stunden pro Einsatz an einem Werktag ausdehnen zu können, wurde auch der 8-Stunden-Tag als regelmäßige werktägliche Arbeitszeit aufgegeben(vgl. Baeck / Deutsch, Arbeitszeitgesetz, 3. Aufl. München 2014, Rn 18 zu § 3 ArbZG; Wank in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 14. Aufl. München 2014, Rn 1 zu § 3 ArbZG).
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b)Betrachtet man unter diesen Gesichtspunkten die von der Klägerin gemäß § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrages von ihr neben dem bei der Beklagten technisiert geführten Zeiterfassungssystem gefertigten manuellen Wochenarbeitszeitnachweise (vgl. Bl. 25 - 92 d.A.) sowie die entsprechenden Ausdrucke aus dem Zeiterfassungssystem für den Zeitraum 02.05.2011 bis 30.04.2013 (vgl. Bl. 121 - 151 d.A.), deren Inhalt auf von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird, wird zum einen deutlich, dass die Klägerin bezogen auf 6 Werktage in einer Regelwoche unter Berücksichtigung auch gewährter Ausgleichstage in keinem Fall die nach § 3 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Arbeitszeitgesetz zulässige Grenze von 10 Stunden an einem Einsatztag überhaupt nur erreicht hat. Selbst wenn man die von der Klägerin angeführten 9,5 Stunden zu ihren Gunsten einmal als Regeleinsatzzeit zur Grundlage machen wollte, ergibt sich in der Auswertung keine Verletzung der Bestimmung des § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz, weil die Klägerin im Durchschnitt sogar nicht einmal bezogen auf 6 Monate sondern sogar auf einen Zeitraum von unter 4 Monaten nicht mehr als 8 Stunden pro Werktag zur Arbeitsleistung herangezogen wurde. Die Klägerin kommt von einer nach den oben unter 2.a) gemachten Ausführungen mit der Zielsetzung des Arbeitszeitgesetzes nicht vereinbaren Voraussetzung bei ihren Überlegungen zu einem anderen Ergebnis. Die Klägerin legt nämlich, wie seitens der Klägervertretung auch mündlich nochmals im Kammertermin vom 09.04.2014 ausgeführt wurde, ganz offenbar ihrem Auslegungsergebnis die Betrachtung zu Grunde, dass § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz einen 8-Stunden-Tag als Regelarbeitstag hinsichtlich der einzuhaltenden Arbeitszeitgrenze festschreibt. Ebenfalls ist den bisher geführten schriftlichen Darlegungen der Klägerin in 1. Instanz ihre Rechtsansicht zu entnehmen, dass entgegen der gesetzlichen Intention § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz keineswegs eine dauerhafte Verlängerung von Arbeitszeiten an Werktagen bis zu 10 Stunden zulasse. § 3 S.1 Arbeitszeitgesetz sei nach Vorstellung der Klägerin lediglich eine Ausnahmevorschrift, so dass nach Beendigung des Bezugszeitraums, den § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz für den Ausgleich auf 6 Monate festgeschrieben hat, sich nicht unmittelbar erneut eine Zeitspanne mit Verlängerungen bis zu 10 Stunden pro Werktag anschließen dürfe. Gerade dieser Ansatz ist aber nach den Ausführungen oben zu 2.a) verfehlt. Das Arbeitszeitgesetz geht von der gesetzgeberischen Zielsetzung her betrachtet einen moderneren Weg als die von ihm mit Wirkung zum 01.07.1994 abgelöste Arbeitszeitordnung, um eine finanziell für Arbeitgeber attraktive Möglichkeit des flexibleren Arbeitseinsatzes im Sinne der besseren Positionierung am Markt und die damit u.a. auch einhergehende Sicherung von Arbeitsplätzen auf Dauer zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund und den sich verändernden Bedürfnissen auch auf Arbeitnehmerseite, gerade was die Einführung von Gleitzeitmodellen anbelangt, gerecht werden zu können wurde die starre Beschränkung auf den 8-Stunden-Arbeitstag als Regelarbeitstag aufgegeben. Es wurde vielmehr insbesondere durch Ablösung von § 15 Abs.2 Arbeitszeitordnung in § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz eine zuschlagsfreie Verlängerungsmöglichkeit der werktäglichen Arbeitszeit bis zu 10 Stunden eröffnet. Letztlich geht die Klägerin fehl in der Annahme, es müsse hinsichtlich der Betrachtung der Arbeitszeitgrenzen auf den individuellen Arbeitstag oder wenigstens auf die individuelle Arbeitswoche abgestellt werden, um festzustellen, ob die arbeitszeitgesetzlichen Grenzen für den Arbeitseinsatz überschritten seien oder nicht. Abzustellen ist vielmehr wegen der eindeutigen Wortwahl in § 3 Arbeitszeitgesetz auf den Werktag, damit auf die 6 Werktage in der Woche und dem in § 3 Satz 2 Arbeitszeitgesetz genannten Bezugszeitraum für den Ausgleich von 6 Monaten bzw. 24 Kalenderwochen. Nur wenn hier eine Überschreitung zulässiger Grenzen festzustellen ist, kann von einer Verletzung der Vorgaben aus §§ 1, 3 Arbeitszeitgesetz gesprochen werden. Dies ist im Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten jedoch nicht der Fall gewesen.
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3.Der von der Klägerin begehrte Schadensersatz lässt sich auch nicht auf eine Kombination der Verletzung arbeitszeitrechtlicher Vorgaben aus § 3 Arbeitszeitgesetz mit Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 6 b, 16 b und 19 RL 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) oder direkt auf einen Verstoß gegen die letztgenannten Bestimmungen der RL 2003/88/EG stützen.
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a)Art. 1 Abs. 1 der RL 2003/88/EG des Europäischen Rates und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299 v. 18.11.2003, S. 9-19) befasst sich mit dem Gegenstand und dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie. Dabei wird festgelegt, dass die Richtlinie Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung beinhaltet. In Art. 1 Abs. 2 a der Richtlinie wird als Gegenstand der Richtlinie tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten, der Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen und die wöchentliche Höchstarbeitszeit aufgeführt. Diese Überlegungen vorangestellt ist im Erwägungsgrund Nummer 4 davon die Rede, dass die Verbesserung von Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit Zielsetzungen darstellen, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen.
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Art. 6 b der RL 2003/88/EG wendet sich hinsichtlich seiner Festlegung und zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit sprachlich an die Mitgliedstaaten. Dort ist bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Art. 16 b der Richtlinie wendet sich mit seinen Vorgaben zu Bezugszeiträumen sprachlich ebenfalls an die Mitgliedstaaten. Dort ist normiert, dass die Mitgliedstaaten für die Anwendung der folgenden Artikel einen Bezugszeitraum vorsehen können und zwar – so unter b) - für Art. 6 (wöchentliche Höchstarbeitszeit) bis zu 4 Monaten. Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt, dass sofern die betroffenen Arbeitnehmer gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher gleichwertiger Ausgleichsruhezeiten aus objektivem Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz erhalten, im Wege von Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern gemäß den Abs. 3, 4 und 5 abgewichen werden kann. Abs. 3 benennt dann unter anderem auch Art. 16 als einen Artikel, von dem nach Art. 17 Abs. 2 in den in Abs. 3 genannten Fällen abgewichen werden darf. Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt, dass die in Art. 17 Abs. 3 vorgesehene Möglichkeit der Abweichung von Art. 16 b nicht die Festlegung eines Bezugszeitraums zur Folge haben darauf, der länger ist als 6 Monate.
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Für die Anwendbarkeit europarechtliche Bestimmungen unterscheidet man zwischen so genanntem primären Europarecht, wozu unter anderem die EU Grundrechtscharta [EU-GRCharta] zählt, und dem sekundären Europarecht, wie etwa die Richtlinien. Art. 288 Abs. 2 und 3 AEUV, also des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, machen hier als Nachfolgebestimmung zu Art. 259 im EG Vertrag die Vorgabe, dass die Verordnung selbst allgemeine Geltung hat; sie ist insbesondere in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (Abs. 2). Demgegenüber ist nach Art. 288 Abs. 3 AEUV die Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Allerdings bleibt es den innerstaatlichen Stellen überlassen, die Wahl der Form und der Mittel selbst zu treffen. Danach ergibt sich, dass Richtlinien eine verbindliche Vorgabe des Ziels nur unmittelbar für die jeweiligen Mitgliedstaaten hat. Die Umsetzung der Richtlinien muss innerhalb der genannten Fristen erfolgen. Allerdings ist damit auch deutlich gemacht, dass die Richtlinien im jeweiligen Mitgliedstaat grundsätzlich nicht unmittelbar im Verhältnis der Bürger und Bürgerinnen untereinander anwendbar sind. Sie enthalten vielmehr nur eine Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers, die Richtlinie selbst innerhalb der dort bestimmten Frist in nationales Recht umzusetzen. Private können daher grundsätzlich keine Rechte aus der Richtlinie selbst herleiten bzw. sind auch nicht durch die Richtlinie verpflichtet (vgl. Tillmanns in Henssler / Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 5. Aufl. Köln 2012, Rn 17 zu den Vorbemerkungen zum AEUV m.w.N.). Ohne einen innerstaatlichen Umsetzungsakt in für die Bürger und Bürgerinnen des Mitgliedstaats geltendes Recht fehlt es also einer Richtlinie an so genannter horizontaler Direktwirkung. Eine vertikale Direktwirkung wird allerdings dann angenommen, wenn der Mitgliedstaat etwa die ihm gesetzte Frist aus der Richtlinie zur Umsetzung in innerstaatliches Recht versäumt hat. Hier kann auch der Private in bestimmten Fällen unmittelbar Rechte aus der Richtlinie zwar nicht gegen einen anderen Privaten geltend machen; er kann solche Rechte aber unmittelbar gegen den Mitgliedstaat (und ihm nachgeordnete öffentliche Stellen) gegebenenfalls aus der Richtlinie verfolgen. Der Betroffene kann sich auch auf eine vertikale Direktwirkung berufen, wenn der Klagegegner nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern etwa ein nichtstaatliches, aber dem öffentlichen Bereich zurechenbares Rechtssubjekt ist, wenn es sich also zum Beispiel um einen öffentlichen Arbeitgeber handelt (vgl. Tillmanns in Henssler / Willemsen / Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 5. Aufl. Köln 2012, Rn 118 und 19 zu den Vorbemerkungen zum AEUV m.w.N.).
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b)Wendet man diese Aspekte auf die Fallgestaltung an, wird deutlich, dass der Klägerin unmittelbar begründet auf Vorgaben in der RL 2003/88/EG und deren Verletzung selbst nach fehlender Umsetzung der dort genannten Ziele durch die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat keine Ansprüche im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zur Beklagten zustehen können. Der insoweit von der Klägerin zitierten Entscheidung des EuGH im Urteil vom 25.11.2010 – C-429/09 – (in NZA 2011 Seite 53-60) kann für den Ausgang hier keine unmittelbare zu Gunsten der Klägerin wirkende Bedeutung beigemessen werden. Der dem EuGH vorgelegte Sachverhalt betraf nämlich einen Fall, der nach dem oben unter 3. a) geschilderten Voraussetzungen vertikale Direktwirkung von Vorgaben aus einer Richtlinie durchaus zulassen kann. Der Sachverhalt befasste sich mit einem öffentlich-rechtlich geführten Arbeitsverhältnis eines Feuerwehrmanns, der im Einsatzdienst der Stadt Halle beschäftigt war. Mithin war also nicht, wie hier im Fall der Klägerin, ein Arbeitsverhältnis zwischen einer natürlichen Privatperson und einer juristischen Person des privaten Rechts auf privatrechtlicher Basis Gegenstand der rechtlichen Überlegungen des EuGH. Losgelöst hiervon hat aber der EuGH dennoch ausgeurteilt, dass es Sache nationalen Rechts des betroffenen Mitgliedstaats bleibe, unter Beachtung des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes zu bestimmen, ob ein Ersatz des Schadens, der einem Arbeitnehmer wie im Ausgangsverfahren des namentlich benannten Feuerwehrmanns durch den Verstoß gegen eine Vorschrift des Unionsrechts entstanden ist, diesem Arbeitnehmer in Form von Freizeitausgleich oder in Form einer finanziellen Entschädigung zu gewähren ist. Dabei soll es auch dem Mitgliedstaat überlassen bleiben, Regeln für die Art und Weise der Berechnung der Höhe festzulegen (vgl. EuGH Urteil v. 25.11.2010 – C-429/09 – in NZA 2011, S. 63 – 60 – Rn (Slg.) 98 beijuris). Es ergibt sich also unabhängig von der Frage, ob überhaupt eine Verletzung von Vorgaben aus der RL 2003/88/EG vorliegt, für die Klägerin aus der Richtlinie selbst keine Sanktion, insbesondere keine Sanktion in Form der Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz mit inhaltlicher Festlegung nach Form, Umfang oder Höhe des zu leistenden Schadensersatzes gegen die Beklagte als privatrechtliche Arbeitgeberin (vgl. EuGH Urteil v. 25.11.2010 – C-429/09 – in NZA 2011, S.63 – 60 – Rn (Slg.) 44 beijuris).
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Der insoweit von der Klägerin gegen eine unterschiedliche Behandlung zwischen Arbeitnehmern in einem privatrechtlich geführten Arbeitsverhältnis gegenüber solchen in einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis bzgl. der Frage, Rechte direkt aus einer europäischen Richtlinie herleiten zu dürfen gegen den jeweiligen Arbeitgeber, erhobene Einwand der Verletzung von Art. 3 Grundgesetz bedarf aus Sicht der Kammer keiner tiefgreifenden rechtlichen Erörterung. Die Klägerin verkennt mit diesem Einwand die grundlegende Systematik der Festlegung durch das Grundgesetz für das rechtlich geordnete gesellschaftliche und verwaltungsmäßige Zusammenleben der Bürger und Bürgerinnen der Bundesrepublik Deutschland. Art. 33 Abs. 4 und 5 Grundgesetz garantieren die Existenz wie auch die Möglichkeit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes aufgrund ihres besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses. Damit ist die aus dem Grundgesetz selbst abzuleitende Legitimierung einer unterschiedlichen rechtlichen Betrachtung von Arbeits- / Dienstverhältnissen im Bereich des öffentlichen Dienstes gegenüber privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen für bestimmte Teilaspekte kurz skizziert. An diesen tragenden Grundsäulen der Bundesrepublik Deutschland will auch die erkennende Kammer des Landesarbeitsgerichts trotz des Einwandes der Klägerin und Berufungsklägerin nicht rütteln. Insbesondere steht dies auch wegen des Gewaltenteilungsprinzips dem Landesarbeitsgericht als Teil der rechtsprechenden Gewalt nicht zu.
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Ausweislich der von der Klägerin entsprechend der Vorgaben in ihrem Arbeitsvertrag zusätzlich geführten Arbeitszeitnachweisen für den gesamten Zeitraum ihrer Beschäftigung (vgl. Bl. 25 - 92 d.A.) wie auch unter Berücksichtigung der von der Beklagtenseite vorgelegten Zeiterfassungssystem-Ausdrucke für den Zeitraum 02.05.2011 bis 30.04.2013 (vgl. Bl. 121-151 d.A.) lässt sich aber auch kein Verstoß gegen die Vorgaben aus der Richtlinie zur Arbeitszeit, der RL 2003/88/EG, erkennen. Art. 6 b RL 2003/88/EG gibt nur vor, dass die durchschnittliche Arbeitszeit in einem Zeitraum von 7 Tagen 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreiten darf. Dabei legt Art. 16 b hinsichtlich des Bezugszeitraums für die wöchentliche Höchstarbeitszeit einen solchen Zeitraum bis zu 4 Monaten fest. Auch wenn zwischen den Parteien letztlich unstreitig geblieben ist, dass in 3 Wochen während des gesamten Arbeitsverhältnisses einmal 50,42 Stunden in der Woche vom 02.05.2011 bis 08.05.2011, zum anderen 54,15 Stunden in der Woche vom 26.03.2012 bis 31.03.2012 und zum Dritten 51,43 Stunden in der Woche vom 30.07.2012 bis 05.08.2012 von der Klägerin gearbeitet wurde, wären dies die einzigen Wochen geblieben, in denen die Vorgabe von 48 Stunden innerhalb eines Zeitraums von 7 Tagen überschritten worden sind. Dass hier Abweichungen auf der einen Seite auch in der Richtlinie selbst etwa durch Rechtsvorschriften in Art. 17 Abs. 2 und 3 möglich sind, bliebe dabei in der Betrachtung sogar noch unberücksichtigt. Ebenso lässt diese Betrachtung völlig außer Acht, dass im Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten letztlich innerhalb eines Bezugszeitraums, wie ihn Art. 16 b der RL 2003/88/EG hinsichtlich seiner zeitlichen Länge mit 4 Monaten vorgibt, durch entsprechende Ausgleichstage/Freizeitgewährung und Umlegung der in diesem 4-Monats-Zeitraum geleisteten Gesamtarbeitszeit auf den 7-Tages-Zeitraum gerade keine Überschreitung der aus Art. 6 b der RL 2003/88/EG gesetzten Höchstgrenze von 48 Stunden einschließlich der Überstunden vorgelegen hat.
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c)Ein Schadensersatzanspruch kann sich für die Klägerin in der von ihr geltend gemachten Form auch nicht aus Art. 31 Abs. 2 EU-GRCharta ergeben gegenüber der Beklagten als privatrechtliche Arbeitgeberin. In Abs. 2 wird festgelegt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht haben auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub. Diese europarechtlich festgelegten Grundrechte finden ihren Widerhall in den §§ 1, 3 Arbeitszeitgesetz sowie in Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 6 b, Art. 16 b sowie Art. 19 der RL 2003/88/EG. Eine unmittelbare Verletzung von Art. 31 Abs. 2 EU-GRCharta wäre also nur denkbar, wenn es die vorgenannten Bestimmungen noch nicht gäbe, aus denen sich Vorgaben für die Einhaltung von Höchstarbeitszeiten sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten ableiten lassen. Losgelöst davon wäre auch hier wieder der Anspruch der Klägerin deshalb nicht als begründet anzusehen, weil trotz der Einordnung als primäres Europarecht aus dieser Bestimmung des Art. 31 Abs. 2 EU-GRCharta keinerlei Sanktion im Sinne der Zubilligung eines Schadensersatzanspruchs ohne Darlegung, worin der Schaden exakt bestehen soll, erkennbar wird.
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4.Mit dem Arbeitsgericht geht auch die erkennende Kammer des Landesarbeitsgerichts davon aus, dass eine Verletzung von § 17 Ladenschlussgesetz ebenso wenig nachgewiesen ist, wie durch die Unterlassung einer Einstellung einer zusätzlichen Kraft zur Klägerin eine Verletzung gegen Bestimmungen des UWG zu verzeichnen ist. Auch hier gilt, dass selbst dann, wenn ein solcher Verstoß tatsächlich vorgelegen hätte, der Klägerin nicht eine Erleichterung in ihrer Darlegungslast zuteil werden kann, den ihr entstandenen Schaden inhaltlich wie dem Umfang nach näher zu definieren. Sie muss insbesondere Tatsachen vortragen, aus denen sich die Errechnung eines von ihr begehrten finanziellen Schadensausgleichs rechtfertigen könnte. Allein der Hinweis auf einen Verlust an Lebenszeit oder auf den Verlust von Ruhezeit kann hier jedenfalls nicht ausreichen im Sinne der der klagenden Partei zunächst einmal obliegenden Grund-Darlegungslast.
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5.Abschließend sei nur angemerkt, dass der Vorhalt der Klägerin, das Arbeitsgericht hätte bestimmte Aspekte im Zusammenhang mit der Einordnung des Arbeitszeitgesetzes als Schutzgesetz im Zusammenspiel mit der Auslegung von Bestimmungen der RL 2003/88/EG EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen müssen, nicht berechtigt ist. Weder das Arbeitsgericht noch das erkennende Landesarbeitsgericht sind in Anwendung von Art. 267 Abs. 3 AEUV verpflichtet, eine solche Vorlage an den EuGH zu fertigen. Eine solche Verpflichtung besteht nur für ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO in Verbindung mit § 64 Abs. 4 ArbGG.
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IV. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen und der Sache insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist.
gez. Hossfeld gez. Schäfer gez. Wolter