Verkehrssicherungspflichten in einer Skihütte - OLG Hamm 9 U 45/12
Die Klägerin verlangte vom Inhaber ein Skihütte in Winterberg Schadensersatz, nachdem sie mit Skischuhen auf dem nassen Boden der Skihütte ausgerutscht war und sich beim Sturz verletzt hatte. Im Bereich der Bodenschwelle gab es ein gelbes Hinweisschild mit der Aufschrift "Vorsicht Stufe!". Die fragliche Bodenstelle hatte die Klägerin vor ihrem Sturz bereits mehrfach betreten. Beim Sturz trug sie Skischuhe.
Die Klage wurde in 1. Instanz abgwiesen. Nach Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Hamm hat die Klägerin die Berufung zurückgenommen.
Der Besucher einer Skihütte muss mit dem Vorhandensein von Feuchtigkeit bzw. Nässe auf dem Fußboden und daraus resultierender Glätte rechnen (Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. August 2012 - 9 U 45/12).
Hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht für Gaststätten sei anerkannt, dass bei der Gestaltung der Gasträume dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass die Aufmerksamkeit und Konzentration der Gäste durch die in der Gaststätte stattfindende Kommunikation insbesondere nach dem Genuss alkoholischer Getränke Einschränkungen erfahren kann. Demnach ist die Verkehrssicherungspflicht eines Gaststätteninhabers grundsätzlich gesteigert. Das ist nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich auch von einem Betreiber einer Skihütte zu beachten. Allerdings sei auch hier zu berücksichtigen, dass erkennbare Besonderheiten der Örtlichkeit von den Verkehrsteilnehmern auch ohne Sicherung und Warnung hinzunehmen sind, wenn es ihnen möglich ist, sich entsprechend darauf einzustellen
Die Klägerin habe mit einem nassen und auch glatten Boden in der Skihütte rechnen und sich darauf einstellen müssen. Zu der Nässe und Glätte habe es ohne Weiteres durch von anderen Personen in die Hütte hineingetragenen und dann auftauenden Schnee kommen können. Deswegen habe die Klägerin besonders vorsichtig gehen müssen, zumal die von ihr getragenen Skischuhe ihre Gehsicherheit möglicherweise noch eingeschränkt hätten. Im Übrigen treffe die Klägerin auch ein Eigenverschulden an dem Unfall, das die Verantwortlichkeit des Hüttenbesitzers zurücktreten lasse. Sie sei nämlich nicht sofort beim Betreten der Hütte gestürzt, sondern habe die fragliche Bodenstelle vor ihrem Sturz bereits mehrfach betreten und daher die Rutschgefahr an dieser Stelle wahrnehmen und sich auf diese einstellen können.
Volltext des Hinweisbeschlusses des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. August 2012- 9 U 45/12:
Leitsatz
Der Besucher einer Skihütte muss mit dem Vorhandensein von Feuchtigkeit bzw. Nässe auf dem Fußboden und daraus resultierender Glätte rechnen.
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gegen das am 12.01.2012 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 4.000,00 € sowie materiellen Schadensersatz wegen eines Unfalls, der sich am 04.01.2010 in X in der vom Beklagten betriebenen Skihütte "O.-klause" ereignete.
Nach persönlicher Anhörung der Klägerin und Inaugenscheinnahme der vorgelegten Lichtbilder hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens weiterhin geltend, der Beklagte habe die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem er es unterlassen habe, die von der auf dem Boden angebrachten Kupferschiene ausgehende Rutschgefahr abzuwenden.
II. Nach einstimmiger Überzeugung des Senats hat die Berufung der Klägerin offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, die Sache keine grundsätzliche Bedeutung und ist eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich; zudem ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 - 4 ZPO.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Sie hat keine Ansprüche gegen den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB wegen einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, zwar grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkannter Maßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind; Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (BGH, NJW 2010, 1967 m. w. N.).
Hinsichtlich der Verkehrssicherungspflicht für Gaststätten ist anerkannt, dass bei der Gestaltung der Gasträume dem Umstand Rechnung zu tragen ist, dass die Aufmerksamkeit und Konzentration der Gäste durch die in der Gaststätte stattfindende Kommunikation insbesondere nach dem Genuss alkoholischer Getränke Einschränkungen erfahren kann (OLG Saarbrücken, NJOZ 2010, 662). Demnach ist die Verkehrssicherungspflicht eines Gaststätteninhabers grundsätzlich gesteigert (Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 14. Kap. Rn. 113). Das ist nach Auffassung des hiesigen Senats grundsätzlich auch von einem Betreiber einer sog. Skihütte zu beachten. Allerdings ist auch hier zu berücksichtigen, dass erkennbare Besonderheiten der Örtlichkeit von den Verkehrsteilnehmern auch ohne Sicherung und Warnung hinzunehmen sind, wenn es ihnen möglich ist, sich entsprechend darauf einzustellen (Geigel/Wellner, a. a. O., 14. Kap. Rn. 37 m. w. N.).
Hier war im Bereich der Sturzstelle schon aufgrund der unterschiedlichen Farbgebung des Bodens (helle Fliesen bzw. dunkles Holz) deutlich zu erkennen, dass der Bodenbelag wechselte. Schon deshalb war beim Begehen dieses Übergangsbereichs erhöhte Vorsicht geboten. Aber auch die angebrachte Kupferschiene war ausweislich der vorgelegten Lichtbilder trotz einer möglicherweise im Laufe der Zeit eingetretenen Verfärbung hinreichend sichtbar. Sie wies im Vergleich zu dem Holzboden eine hellere Farbe auf und war gerade nicht ebenso dunkel wie dieser.
Dass an der Sturzstelle ein scharfkantiger Versatz bzw. eine Stolperkante im Boden vorhanden gewesen wäre, macht die Klägerin nicht geltend. Dies ergibt sich auch nicht aus den Lichtbildern. Vielmehr zeigen diese, dass vor der Kupferschiene eine aus Holz bestehende Abschrägung vorhanden ist, wodurch eine Stolperkante vermieden wird.
Hinzu kommt, dass im Bereich der Bodenschwelle ein gelbes Hinweisschild mit der Aufschrift "Vorsicht Stufe!" angebracht ist, wie dies aus dem Lichtbild Nr. I. hervorgeht. Dieses Schild warnt zwar in erster Linie vor einem Höhenunterschied am Boden, lenkt jedoch zugleich die Aufmerksamkeit der Gäste dorthin, also auf die Bodenschwelle und die Kupferschiene. Dass dieses Schild erst nach dem Sturz der Klägerin angebracht worden ist, ist nicht anzunehmen. Das Vorbringen der Klägerin, es könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das Warnschild schon zum Zeitpunkt des Unfalls dort gehangen und auf die Gefahren hingewiesen habe, der Beklagte könne das Schild auch schon vorher (gemeint ist offenbar: nachträglich) aufgehängt haben, läuft auf eine bloße Vermutung hinaus. Wenn die Klägerin das Schild übersehen hat, geht das nicht zu Lasten des Beklagten, sondern beruht auf ihrem eigenen Verschulden.
Dafür, dass die mit der Kupferschiene versehene Bodenschwelle unschwer erkennbar war und bei hinreichender Aufmerksamkeit gefahrlos passiert werden konnte, spricht auch der Umstand, dass es vor dem Unfall der Klägerin unstreitig an dieser Stelle während der Zeit des Betriebs der Skihütte durch den Beklagten, also seit mehr als 15 Jahren, noch zu keinem Sturz eines Gastes gekommen ist.
Ferner musste die Klägerin mit dem Vorhandensein von Feuchtigkeit bzw. Nässe auf dem Boden der Skihütte und mit daraus resultierender Glätte rechnen. Dazu konnte es ohne Weiteres durch von anderen Personen hineingetragenen und dann auftauenden Schnee kommen. Ein Gast, der mit Skischuhen eine Skihütte betritt, muss sich auch darauf einstellen, dass er aufgrund der Konstruktion dieser Schuhe insbesondere auf nassem Untergrund möglicherweise nur über eine eingeschränkte Gehsicherheit verfügt. Er muss deshalb besondere Vorsicht walten lassen und sein Gehverhalten daran anpassen. Ob Skihütten im Bereich des Gastraums üblicherweise nicht mit Bodenfliesen ausgestattet sind, kann letztlich dahinstehen. Auf den Bodenfliesen ist die Klägerin nach eigenem Vorbringen nicht gestürzt.
Selbst wenn man zur Vermeidung eines verbleibenden Sturzrisikos das Aufbringen eines Teppichstreifens oder eines Gummibelags im Bereich der Bodenschwelle bzw. der Kupferschiene für erforderlich hält, ergibt sich aus dem Fehlen einer solchen Sicherungsmaßnahme hier keine Haftung des Beklagten. Die Klägerin trifft nämlich ein derart erhebliches Eigenverschulden an dem Unfall (§ 254 Abs. 1 BGB), dass dahinter eine etwaige Verantwortlichkeit des Beklagten vollständig zurücktritt. Offenkundig ist die Klägerin infolge von Unachtsamkeit zu Fall gekommen. Sie ist nicht etwa unmittelbar nach Betreten der Skihütte dort gestürzt. Vielmehr hatte sie ausreichend Gelegenheit, die Beschaffenheit des Bodenbereichs dort wahrzunehmen. So hatte sie nach ihren Angaben zunächst das bestellte Essen zum Tisch gebracht und war dann zurück zum Tresen gegangen, um das Essen zu bezahlen. Erst auf dem Rückweg von dort, nachdem sie durch ein Fenster ihren Bruder wahrgenommen hatte, kam es zum Sturz. Zuvor war die Klägerin ersichtlich in der Lage, sich unfallfrei in der Skihütte zu bewegen. Bei dieser Sachlage sind Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten wegen des streitgegenständlichen Vorfalls ausgeschlossen.
Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gegeben.