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Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers schwerbehinderte Stellenbewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen

27. Mar
2021

Die in § 82 Satz 2 SGB IX (in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung) bzw. § 165 Satz 3 SGB IX (in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung) bestimmte Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, schwerbehinderte Stellenbewerber/innen zum Vorstellungsgespräch einzuladen, gehört zu den Pflichten des Arbeitgebers, mit denen kein individueller Anspruch bzw. kein individuelles Recht der jeweiligen schwerbehinderten Bewerber/innen auf eine Einladung korrespondiert, auf den bzw. auf das diese rechtswirksam verzichten könnten. (Leitsätze)

Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 26.11.2020 - BAG 8 AZR 59/20:

Tenor

            Auf die Revision der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. Juli 2019- 7 Sa 15/19 -im Kostenpunkt vollständig und im Übrigen teilweise aufgehoben.

            Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2019 - 14 Ca 2090/18 -teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

                    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.581,79 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. April 2018 zu zahlen.

                    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

            Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen.

Tatbestand

     
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Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt (im Folgenden Beklagte) verpflichtet ist, an die Klägerin eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung zu zahlen.
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Die Beklagte veröffentlichte am 9. November 2017 im Amtsblatt der Landeshauptstadt X und am 10. November 2017 im Staatsanzeiger Y eine Stellenausschreibung für eine nach der Entgeltgruppe 7 TVöD-VKA vergütete Tätigkeit eines/einer Sachbearbeiters/Sachbearbeiterin beim Jugendamt, Dienststelle Haushalt, Gebühren und Rechnungswesen mit der Kennzahl 5.
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Mit E-Mail vom 26. November 2017 bewarb sich die schwerbehinderte Klägerin auf diese Stelle. In dem Bewerbungsschreiben heißt es ua.:
        
    
„Bewerbung - Assistenzstelle 36% unbefristet - Rest befristet
            
Sehr geehrter Herr N,
            
sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr,
            
auf das nette fernmündliche Gespräch mit Ihnen nehme ich gerne Bezug und bewerbe mich um die o.g. Stelle, auch wenn heute noch nicht feststeht, mit wie viel Prozent diese letztlich angetreten werden kann. Da es sich bei der Stelle vorrangig um eine Stelle beim Jugendamt handelt, möchte ich mein Glück versuchen.
            
Inzwischen will bei mir auch keine so rechte Freude mehr aufkommen, denn immer wieder Absagen zu bekommen, ist auch nicht wirklich motivierend, freundlich und hilfreich, dabei fühle ich mich mit meinen 54 Jahren keineswegs alt und verbraucht. Auch die Tatsache, dass ich schwerbehindert bin, ist keinesfalls ein Indiz dafür, dass ich unfähiger bin als andere, eine gute Arbeit abzuliefern.
            
...     
            
Wenn Sie nun beim Lesen meiner Bewerbung bis hierher gekommen sind, dann freut es mich. Noch mehr würde ich mich freuen, wenn Sie mir eine Chance geben, uns bei einem persönlichen Gespräch näher kennenzulernen. Bitte laden Sie mich nur dann zu einem Vorstellungsgespräch ein, wenn Sie mich in die engere Wahl nehmen, alles andere macht m. E. wenig Sinn.
            
So warte ich nun auf Ihr hoffentlich positives Antwortschreiben und sehe diesem gespannt und dankend entgegen.
            
…“    
4
    
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 23. Januar 2018 ua. mit:
        
    
„Sehr geehrte Frau S,
            
wir bedanken uns bei Ihnen für Ihr Interesse an einer Stelle beim Jugendamt.
            
Bedauerlicherweise müssen wir Ihnen mitteilen, dass Sie dieses Mal nicht zum Zuge gekommen sind.
            
...     
            
Wir wünschen Ihnen für Ihren weiteren Lebens- und Berufsweg alles Gute und viel Erfolg. …“
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Mit Schreiben vom 29. Januar 2018 machte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) für die Klägerin erfolglos die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend.
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Mit ihrer am 12. April 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 23. April 2018 zugestellten Klage hat die Klägerin ihr auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichtetes Begehren weiterverfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe sie den Vorgaben des AGG und des SGB IX zuwider wegen ihrer (Schwer)Behinderung benachteiligt. Dies folge bereits daraus, dass sie entgegen der in § 82 Satz 2 SGB IX (in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung; im Folgenden aF) bzw. § 165 Satz 3 SGB IX (in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung; im Folgenden nF) getroffenen Bestimmung nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei. Sie habe im Bewerbungsschreiben ausreichend auf ihre Schwerbehinderung hingewiesen. Den Grad der Behinderung (GdB) habe sie nicht mitteilen müssen. Sie habe auch nicht wirksam auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch verzichtet. Das Gesetz sehe eine Verzichtsmöglichkeit nicht vor. Desungeachtet habe sie auch keinen Verzicht erklärt.
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Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
        
    
die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 7.163,58 Euro nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, nicht verpflichtet gewesen zu sein, die Klägerin zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Zum einen habe die Klägerin ihre Schwerbehinderung nicht den Vorgaben der Rechtsprechung entsprechend unter Angabe des GdB mitgeteilt. Zum anderen habe sie in ihrem Bewerbungsschreiben wirksam auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch verzichtet.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe
     


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Die zulässige Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Der Senat hält unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entschädigung iHv. 3.581,79 Euro für angemessen.
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A. Die auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichtete Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin durfte die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen.
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§ 15 Abs. 2 AGG räumt dem Gericht bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung einen Ermessensspielraum ein (vgl. BAG 28. Mai 2020 - 8 AZR 170/19 - Rn. 27), weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Die Klägerin hat auch Tatsachen benannt, die das Gericht dabei heranziehen soll und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angegeben (zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags: vgl. etwa BAG 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 16; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 16). Die Klägerin hat als aus ihrer Sicht nicht zu unterschreitenden Mindestbetrag ein dreifaches Bruttomonatsentgelt nach der Entgeltgruppe 7 Stufe 1 TVöD-VKA angegeben.
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B. Die Klage ist auch teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. 3.581,79 Euro.
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I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für die Klägerin ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Die Klägerin ist als Bewerberin für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigte iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Dies folgt aus dem Umstand, dass sie eine Bewerbung eingereicht hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff (vgl. näher ua. BAG 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 62, BAGE 155, 149). Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSv. § 6 Abs. 2 AGG.
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II. Die Klägerin hat den Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG).
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Die Klägerin hat ihren Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 29. Januar 2018 frist- und formgerecht geltend gemacht. Die Beklagte hatte die Bewerbung der Klägerin mit Schreiben vom 23. Januar 2018 abgelehnt (zum Begriff der „Ablehnung durch den Arbeitgeber“ iSv. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG vgl. BAG 29. Juni 2017 - 8 AZR 402/15 - Rn. 20, BAGE 159, 334). Die am 12. April 2018 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage wahrt die Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG.
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III. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG für einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung vor. Die Beklagte hat die Klägerin entgegen den Vorgaben des AGG sowie des SGB IX unmittelbar wegen ihrer (Schwer)Behinderung benachteiligt.
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1. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus, wobei § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG) verbietet. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich dieses Gesetzes eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nF schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nF die Regelungen des AGG.
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2. Die Klägerin wurde dadurch, dass sie von der Beklagten im Auswahl/Stellenbesetzungsverfahren für die Sachbearbeiterstelle beim Jugendamt nicht berücksichtigt wurde, unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt, denn sie hat eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Darauf, ob es andere Bewerber/innen gegeben hat und ob ein/e von der Beklagten ausgewählte/r Bewerber/in die Stelle angetreten hat, kommt es nicht an (vgl. näher BAG 19. Dezember 2019 - 8 AZR 2/19 - Rn. 28 ff.).
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3. Die Klägerin hat die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG auch wegen ihrer (Schwer)Behinderung erfahren. Die Beklagte hat die Klägerin entgegen ihrer Verpflichtung nach § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Dieser Umstand begründet die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass die Klägerin wegen ihrer (Schwer)Behinderung benachteiligt wurde. Die Beklagte hat diese Vermutung nicht widerlegt.
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a) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dasselbe gilt für das besondere Benachteiligungsverbot in § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nF. Auch hier muss zwischen der Benachteiligung und dem Grund, hier der (Schwer)Behinderung ein Kausalzusammenhang bestehen.
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aa) Soweit es - wie im vorliegenden Fall - um eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG geht, ist hierfür nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG an einen Grund iSv. § 1 AGG bzw. die (Schwer)Behinderung anknüpft oder durch diese/n motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (vgl. etwa BAG 23. November 2017 - 8 AZR 372/16 - Rn. 20 mwN).
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bb) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (BAG 25. Oktober 2018 - 8 AZR 501/14 - Rn. 51, BAGE 164, 117).
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(1) Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (BAG 25. Oktober 2018 - 8 AZR 501/14 - Rn. 52 mwN, BAGE 164, 117).
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(2) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats begründet der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, mithin auch der Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen die in § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF geregelte Pflicht, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung. Diese Pflichtverletzungen sind nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (vgl. etwa BAG 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18 - Rn. 37; 16. Mai 2019 - 8 AZR 315/18 - Rn. 22 mwN, BAGE 167, 1; 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 - Rn. 25, BAGE 156, 107; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 35; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 45 mwN).
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(3) Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt allerdings das Beweismaß des sog. Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (vgl. etwa BAG 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18 - Rn. 36 mwN; 26. Januar 2017 - 8 AZR 73/16 - Rn. 26 mwN).
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cc) Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber bzw. einer Bewerberin vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen Tatsachen eine Benachteiligung wegen eines Grundes iSv. § 1 AGG bzw. wegen der (Schwer)Behinderung vermuten lassen, ist nur eigeschränkt revisibel. Die revisionsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Würdigung der Tatsachengerichte möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. BAG 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18 - Rn. 67; 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 - Rn. 48 mwN, BAGE 156, 107).
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b) Danach besteht die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass die Klägerin die unmittelbare Benachteiligung wegen ihrer (Schwer)Behinderung erfahren hat. Die Beklagte war nach § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF verpflichtet, die schwerbehinderte Klägerin, die - entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts - über ihre Schwerbehinderung ausreichend informiert hatte und auch fachlich nicht offensichtlich ungeeignet war, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Anders als das Landesarbeitsgericht zudem angenommen hat, hatte die Klägerin „nicht unstreitig auf die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch unbeschadet der Dispositivität der Rechtsnorm konditioniert verzichtet“. Die Klägerin konnte nicht rechtswirksam auf die in § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF vorgesehene Einladung verzichten.
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aa) Nach § 82 Satz 1 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 1 SGB IX nF melden die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig freiwerdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze. Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder von einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF. Nach § 82 Satz 3 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 4 SGB IX nF ist eine Einladung entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.
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bb) Die Beklagte war nach § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF verpflichtet, die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
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(1) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin der Beklagten ihre Schwerbehinderung ordnungsgemäß mitgeteilt, indem sie in ihrer Bewerbungs-E-Mail vom 26. November 2017 deutlich darauf hingewiesen hat. Insoweit hat sie nämlich angeführt, dass auch ihre Schwerbehinderung keinesfalls ein Indiz dafür sei, dass sie unfähiger sei als andere, gute Arbeit zu leisten.
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(a) Der objektive Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, so auch der Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen seine Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF, schwerbehinderte Bewerber/innen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, kann die Vermutung der Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung iSv. § 22 AGG nur begründen, wenn dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung des Bewerbers/der Bewerberin bekannt war oder er diese kennen musste. Deshalb muss ein Bewerber, der seine Schwerbehinderung bei der Behandlung seiner Bewerbung berücksichtigt wissen will, den (potentiellen) Arbeitgeber über die Schwerbehinderung rechtzeitig in Kenntnis setzen, soweit dieser nicht ausnahmsweise, so ggf. bei internen Bewerbern, bereits über diese Information verfügt. Andernfalls fehlt es an der (Mit-)Ursächlichkeit der (Schwer)Behinderung für die benachteiligende Maßnahme (vgl. etwa BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 30 mwN; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 28, BAGE 127, 367).
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Durch den Hinweis auf die Schwerbehinderung sollen die besonderen, zugunsten schwerbehinderter Menschen bestehenden Verfahrens- und/oder Förderpflichten des Arbeitgebers ausgelöst werden. Deshalb muss der Arbeitgeber prüfen und entscheiden können, ob und welchen besonderen Pflichten er insoweit nachzukommen hat. Diese Prüfung und Entscheidung muss der/die schwerbehinderte Bewerber/in dem Arbeitgeber aufgrund der ihn/sie nach § 241 Abs. 2 iVm. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers an der Durchführung eines fehlerfreien Stellenbesetzungsverfahrens und an einer möglichst zügigen Entscheidung über die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle(n) rechtzeitig ermöglichen. Kommt der schwerbehinderte Mensch dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, geht dies regelmäßig zu seinen Lasten.
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(b) Eine hinreichende Mitteilung einer Schwerbehinderung liegt vor, wenn die Mitteilung in einer Weise in den Empfangsbereich des Arbeitgebers gelangt ist, die es diesem ermöglicht, die Schwerbehinderung des Bewerbers zur Kenntnis zu nehmen. Dem Arbeitgeber muss die erforderliche Mitteilung entsprechend § 130 BGB zugehen. Dabei ist eine Information im Bewerbungsschreiben oder an gut erkennbarer Stelle im Lebenslauf regelmäßig ausreichend. Unter Umständen kann auch eine gesonderte Mitteilung genügen. Zur Mitteilung der Schwerbehinderung kann auch die „Vorlage“ des Schwerbehindertenausweises ausreichend sein; allerdings genügt es nicht, wenn eine Kopie des Schwerbehindertenausweises lediglich den Anlagen zur Bewerbung beigefügt wird, ohne dass im Bewerbungsschreiben oder im Lebenslauf hierauf ausreichend hingewiesen wird (vgl. BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 31 f. mwN).
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(c) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten reicht es aus, über das Vorliegen einer Schwerbehinderung zu informieren; es ist nicht zusätzlich erforderlich, den GdB mitzuteilen (vgl. bereits BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 40 ff. mit Klarstellung im Verhältnis zur früheren Rechtsprechung des Senats).
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(aa) Der Begriff der „Schwerbehinderung“ ist ein Rechtsbegriff, dem im Rechtsverkehr, vor allem im Arbeits- und Sozialrecht eine feste Bedeutung zukommt. Der Begriff der Schwerbehinderung ist in § 2 Abs. 2 SGB IX gesetzlich definiert. Nach dieser Bestimmung sind Menschen schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Weist ein/e Bewerber/in im Zusammenhang mit einer Bewerbung darauf hin, „schwerbehindert“ zu sein, ist deshalb - sofern nicht ausnahmsweise deutliche Anhaltspunkte für ein abweichendes Begriffsverständnis gegeben sind - in der Regel davon auszugehen, dass der Begriff iSd. in § 2 Abs. 2 SGB IX gegebenen Definition verwendet wurde und damit beim Bewerber mindestens ein GdB von 50 vorliegt. Ein anderes Verständnis liegt im Zusammenhang mit einem Bewerbungsschreiben regelmäßig nicht nahe.
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(bb) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist eine Angabe des GdB - oder etwa die Vorlage einer Kopie der ersten Seite des Schwerbehindertenausweises - auch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich. Die im SGB IX zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Bestimmungen haben zum Ziel, die Teilhabechancen dieser Menschen am Arbeitsleben zu verbessern (vgl. etwa Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 164 Rn. 1). So sollen schwerbehinderte Bewerber/innen beispielsweise durch das in § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF genannte Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern. Sie sollen die Chance haben, den Arbeitgeber von ihrer Eignung (im weitesten Sinne) zu überzeugen und damit einen nach den bisherigen Umständen ggf. bestehenden Vorsprung anderer Bewerber durch einen persönlichen Eindruck auszugleichen. Darüber hinaus stellt das Vorstellungsgespräch auch ein geeignetes Mittel dar, um eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile auszuräumen (vgl. BAG 25. Juni 2020 - 8 AZR 75/19 - Rn. 38 mwN). Die Erreichung dieser Ziele würde erschwert, wenn es für eine ausreichende Mitteilung der Schwerbehinderung auch erforderlich wäre, den GdB mitzuteilen. Insoweit stünde zu befürchten, dass insbesondere Menschen mit einem sehr hohen GdB, die im Arbeitsleben besonderen Vorbehalten ausgesetzt sein können, von vornherein davon absehen, ihre Schwerbehinderung mitzuteilen mit der Folge, dass die zu ihren Gunsten bestehenden Verfahrens- und/oder Förderpflichten des Arbeitgebers erst gar nicht ausgelöst würden. Sofern der Arbeitgeber im Einzelfall zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Verfahrens- und/oder Förderpflichten nachkommt, beispielsweise einen Bewerber zu dem in § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF vorgesehenen Vorstellungsgespräch einlädt, obgleich er hierzu nicht verpflichtet ist, weil der Bewerber tatsächlich nicht schwerbehindert ist, ist das nach dem Sinn und Zweck der zugunsten der schwerbehinderten Menschen getroffenen Bestimmungen hinzunehmen.
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(2) Der Klägerin fehlte auch nicht offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle iSv. § 82 Satz 3 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 4 SGB IX nF.
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(a) Maßstab für die fachliche Eignung eines Bewerbers ist der Aufgabenbereich des zu besetzenden Arbeitsplatzes. Ob ein schwerbehinderter Mensch für eine zu besetzende Stelle fachlich ungeeignet ist, ist demnach anhand eines Vergleichs zwischen dem (fachlichen) Anforderungsprofil des zu besetzenden Arbeitsplatzes und dem (fachlichen) Leistungsprofil des Bewerbers oder der Bewerberin zu ermitteln (vgl. BAG 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 - Rn. 37, BAGE 156, 107; BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 20, BVerwGE 139, 135).
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„Offensichtlich” fachlich nicht geeignet ist, wer „unzweifelhaft” insoweit nicht dem (fachlichen) Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht. Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel im Vorstellungsgespräch ausräumen lassen können (vgl. etwa BAG 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 - Rn. 36 mwN, BAGE 156, 107). Lassen allerdings bereits die Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei erkennen, dass die durch das Anforderungsprofil zulässig vorgegebenen fachlichen Kriterien nicht erfüllt werden, besteht für den öffentlichen Arbeitgeber keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (vgl. BAG 11. August 2016 - 8 AZR 375/15 - Rn. 37 mwN, aaO).
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(b) Darüber, dass der Klägerin die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle nicht offensichtlich fehlt, streiten die Parteien im Revisionsverfahren nicht mehr.
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(3) Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten und der Annahme des Landesarbeitsgerichts war die Beklagte auch nicht aufgrund eines Verzichts der Klägerin von ihrer Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF befreit, die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Dabei kann an dieser Stelle offen bleiben, ob die von der Klägerin in ihrer Bewerbungs-E-Mail vom 26. November 2017 geäußerte Bitte, sie nur dann zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn sie in die engere Wahl genommen würde, überhaupt als Verzicht zu verstehen ist. Die Klägerin konnte nicht rechtswirksam auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch verzichten.
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Die in § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF bestimmte Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, eine/n schwerbehinderte/n, nicht offensichtlich fachlich ungeeignete/n Bewerber/in zum Vorstellungsgespräch einzuladen, gehört zu den Pflichten, mit denen kein individueller Anspruch bzw. kein individuelles Recht des schwerbehinderten Bewerbers/der schwerbehinderten Bewerberin auf eine Einladung korrespondiert, auf den bzw. das diese/r überhaupt verzichten könnte. Dies ergibt eine Auslegung von § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF unter Berücksichtigung des Wortlauts, des systematischen Zusammenhangs und der Entstehungsgeschichte der Bestimmung. Soweit der Senat in einer früheren Entscheidung ausgeführt hat, § 82 Satz 2 SGB IX (aF) gebe dem einzelnen schwerbehinderten Bewerber einen „Individualanspruch“ auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch (BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 46), hält er hieran nicht fest. Etwas anderes folgt deshalb entgegen dem Vorbringen der Beklagten auch nicht daraus, dass ein/e schwerbehinderte/r Bewerber/in nicht verpflichtet ist, dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung mitzuteilen und dass, selbst wenn er/sie eine entsprechende Mitteilung gemacht hat, er/sie nicht verpflichtet ist, einer Einladung zum Vorstellungsgespräch Folge zu leisten.
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(a) Dafür, dass der/die schwerbehinderte Bewerber/in keinen individuellen Anspruch bzw. kein individuelles Recht auf eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch hat, spricht schon der Wortlaut von § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs der Bestimmung.
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Der Gesetzgeber unterscheidet in Kapitel 3 des Teils 2 des SGB IX aF bzw. in Kapitel 3 des Teils 3 des SGB IX nF selbst deutlich zwischen den sonstigen Pflichten der Arbeitgeber und den Rechten der schwerbehinderten Menschen und bringt bereits damit zum Ausdruck, dass nicht jeder Pflicht des Arbeitgebers ein entsprechender Anspruch bzw. ein entsprechendes Recht des schwerbehinderten Menschen gegenübersteht. Werden Ansprüche eingeräumt, so werden diese vielmehr ausdrücklich, wie zB in § 81 Abs. 4 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 4 SGB IX nF als solche bezeichnet. Eine derartige Bezeichnung ist in § 82 SGB IX aF bzw. § 165 SGB IX nF nicht erfolgt. Der Gesetzgeber hat in § 82 SGB IX aF bzw. § 165 SGB IX nF, wie die Überschrift dieser Bestimmung belegt, nur besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber, aber keine Ansprüche für schwerbehinderte Menschen geregelt.
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(b) Dass § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF ausschließlich eine Pflicht der öffentlichen Arbeitgeber normiert, mit der kein verzichtbarer Anspruch bzw. kein verzichtbares Recht des schwerbehinderten Menschen auf eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch einhergeht, findet seine Bestätigung auch in der Gesetzeshistorie.
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(aa) Die Verpflichtung des Arbeitgebers, den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wurde zum 1. Oktober 2000 als weitere Pflicht für Bundesbehörden in § 14a SchwbG (BGBl. I S. 1394) eingeführt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass die öffentlichen Arbeitgeber des Bundes in Erweiterung der allgemeinen Arbeitgeberpflichten in § 13 und § 14 SchwbG den Arbeitsämtern frühzeitig freiwerdende oder neue Arbeitsplätze zu melden hätten; darüber hinaus seien die schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn sie nicht offensichtlich für die zu besetzende Stelle fachlich ungeeignet seien (BT-Drs. 14/3372 S. 18; vgl. dazu BAG 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18 - Rn. 39 ff.).
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(bb) Bei der Schaffung des SGB IX (im Folgenden SGB IX 2001) hat der Gesetzgeber die zuvor in § 14a SchwbG enthaltene Pflicht der öffentlichen Arbeitgeber des Bundes, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, - nunmehr auf alle öffentlichen Arbeitgeber erweitert - in § 82 Satz 2 SGB IX 2001 normiert. Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) 2016 hat er schließlich diese, weiterhin in § 82 Satz 2 SGB IX aF enthaltene Verpflichtung der öffentlichen Arbeitgeber ohne jede inhaltliche Änderung in § 165 Satz 3 SGB IX nF überführt.
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(c) Dass der/die schwerbehinderte Bewerber/in nach § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF keinen Anspruch bzw. kein Recht auf eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch hat, auf den bzw. das er/sie rechtswirksam verzichten könnte, zeigt schließlich ein Vergleich mit den in § 81 Abs. 1 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 1 SGB IX nF getroffenen Bestimmungen, die ebenso ausdrücklich ausschließlich Pflichten der Arbeitgeber und keine Ansprüche der schwerbehinderten Menschen regeln.
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(aa) Nach § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nF haben die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 SGB IX aF bzw. § 176 SGB IX nF genannten Vertretungen über vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten. Nach § 81 Abs. 1 Satz 7 bis Satz 9 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 1 Satz 7 bis Satz 9 SGB IX nF bestehen im Fall einer solchen Bewerbung für den Arbeitgeber zudem weitere Pflichten zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und der in § 93 SGB IX aF bzw. § 176 SGB IX nF genannten Vertretungen.
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(bb) Wenn es sodann in § 81 Abs. 1 Satz 10 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 1 Satz 10 SGB IX nF heißt, dass die Schwerbehindertenvertretung bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen nicht zu beteiligen ist, wenn der schwerbehinderte Mensch die Beteiligung dieser Vertretung ausdrücklich ablehnt, lässt dies nur den Schluss zu, dass den vorgenannten Pflichten des Arbeitgebers aus § 81 Abs. 1 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 1 SGB IX nF grundsätzlich kein individuelles Recht bzw. kein individueller Anspruch schwerbehinderter Bewerber auf eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und der weiteren genannten Vertretungen gegenübersteht, auf das bzw. den diese rechtswirksam verzichten könnten. Andernfalls hätte es der Regelung in § 81 Abs. 1 Satz 10 SGB IX aF bzw. § 164 Abs. 1 Satz 10 SGB IX nF, die nur die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung betrifft, nicht bedurft. Zudem ist die ausdrückliche Ablehnung der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung durch den schwerbehinderten Bewerber im Verhältnis zum Verzicht im Rechtssinne ein „aliud“ (Klarstellung von BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 39).
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(cc) § 82 SGB IX aF bzw. § 165 SGB IX nF sieht demgegenüber weder eine Verzichtsmöglichkeit noch vor, dass der/die schwerbehinderte Bewerber/in eine Einladung zum Vorstellungsgespräch ausdrücklich ablehnen kann. Vielmehr hat der Gesetzgeber den öffentlichen Arbeitgeber ausdrücklich nur in einem Fall von der Verpflichtung zur Einladung eines sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen zum Vorstellungsgespräch befreit. Nach § 82 Satz 3 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 4 SGB IX nF ist die Einladung entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Ob der öffentliche Arbeitgeber über den Wortlaut von § 82 Satz 3 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 4 SGB IX nF hinaus auch dann von der Verpflichtung befreit ist, einen schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn dieser zwar nicht offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ihm jedoch offensichtlich die persönliche Eignung (zur Berücksichtigung der fehlenden persönlichen Eignung vgl. Düwell in LPK-SGB IX 5. Aufl. § 165 Rn. 7) fehlt, bedurfte vorliegend keiner Entscheidung.
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(4) Nach alledem wäre die Beklagte nach § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF verpflichtet gewesen, die schwerbehinderte, fachlich nicht offensichtlich ungeeignete Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Deshalb kann es offen bleiben, ob eine fehlende Verzichtsmöglichkeit - wie die Klägerin ausführt - auch aus den Bestimmungen zur Gewährleistung der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung durch angemessene Vorkehrungen in Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie in Vorschriften der UN-BRK (näher zu diesen Vorgaben etwa BAG 25. Juni 2020 - 8 AZR 75/19 - Rn. 41 f. mwN) folgt.
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cc) Der Umstand, dass die Beklagte die Klägerin entgegen den Vorgaben von § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat, begründet die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass die Klägerin im Stellenbesetzungsverfahren wegen ihrer Schwerbehinderung benachteiligt wurde.
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dd) Der Klägerin ist es nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) nicht deshalb verwehrt, sich im vorliegenden Entschädigungsverfahren auf die durch die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch begründete Kausalitätsvermutung zu berufen, weil sie in ihrer Bewerbungs-E-Mail vom 26. November 2017 die Bitte geäußert hatte, sie nur dann zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn sie in die engere Wahl genommen würde.
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(1) Widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. etwa BAG 20. März 2019 - 7 AZR 409/16 - Rn. 45 mwN; 23. Januar 2018 - 3 AZR 448/16 - Rn. 38 mwN, BAGE 161, 335; 17. Juli 2003 - 8 AZR 376/02 - Rn. 85 mwN).
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(2) Beides ist hier nicht der Fall. Die Beklagte konnte aufgrund der von der Klägerin in der Bewerbungs-E-Mail vom 26. November 2017 geäußerten Bitte nicht darauf vertrauen, die Klägerin wolle ihre Schwerbehinderung nicht entsprechend den Vorgaben von § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF im Bewerbungsverfahren berücksichtigt wissen. Dies ergibt die Auslegung der E-Mail vom 26. November 2017.
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(a) Die Auslegung der Erklärung der Klägerin in der E-Mail vom 26. November 2017 richtet sich nach den für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätzen. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Erklärung gewählten Ausdrucks zu haften, vielmehr ist der darin verkörperte Wille zu ermitteln. Maßgebend ist dabei der objektive Erklärungswert aus dem Empfängerhorizont (vgl. etwa BGH 19. September 2018 - VIII ZR 261/17 - Rn. 25 mwN).
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(b) Bei der Erklärung der Klägerin handelt es sich um eine nichttypische Erklärung. Der Senat kann diese nichttypische Erklärung selbst auslegen. Zwar obliegt die Auslegung nichttypischer Erklärungen in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat. Das Revisionsgericht kann aber nichttypische Erklärungen selbst auslegen, wenn das Urteil des Landesarbeitsgerichts - wie vorliegend - nicht erkennen lässt, welche Umstände bei der Auslegung berücksichtigt wurden. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit lediglich ausgeführt, die Klägerin habe „unstreitig auf die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch unbeschadet der Dispositivität der Rechtsnorm konditioniert verzichtet“, ohne zu begründen, wie es zu dieser Annahme gekommen ist. Das Landesarbeitsgericht hat den erforderlichen Sachverhalt zudem vollständig festgestellt, weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien ist nicht zu erwarten (vgl. zu diesen Vorgaben etwa BAG 19. November 2019 - 3 AZR 127/18 - Rn. 28; 15. Februar 2017 - 7 AZR 223/15 - Rn. 27 mwN).
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(c) Die Auslegung der E-Mail der Klägerin vom 26. November 2017 ergibt, dass diese keinesfalls auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch verzichten wollte, sondern gerade den Wunsch hatte, zu einem solchen eingeladen zu werden, um durch einen persönlichen Eindruck ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern. Zugleich ging es ihr darum, etwaige Vorbehalte oder gar Vorurteile der Beklagten wegen ihrer Schwerbehinderung gar nicht erst entstehen zu lassen bzw. auszuräumen (zum Zweck der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch vgl. etwa BAG 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18 - Rn. 48; 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 59). Der Umstand, dass die Klägerin in der Bewerbungs-E-Mail die Bitte geäußert hatte, sie nur dann zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn sie in die engere Wahl genommen würde, ändert daran nichts.
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(aa) Die Klägerin hatte in ihrer Bewerbungs-E-Mail nicht nur ausgeführt, dass ihre Schwerbehinderung keinesfalls ein Indiz dafür sei, dass sie unfähiger sei als andere, eine gute Arbeit abzuliefern, sondern zudem darauf hingewiesen, sie würde sich noch mehr freuen, wenn die Beklagte ihr eine Chance gäbe, sich bei einem persönlichen Gespräch näher kennenzulernen. Auch die Passage der E-Mail der Klägerin vom 26. November 2017, in der es heißt: „So warte ich nun auf Ihr hoffentlich positives Antwortschreiben und sehe diesem gespannt und dankend entgegen“, konnte von der Beklagten nur so verstanden werden, dass die Klägerin sich ernsthaft wünschte, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.
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(bb) Demgegenüber fällt der Satz „Bitte laden Sie mich nur dann zu einem Vorstellungsgespräch ein, wenn Sie mich in die engere Wahl nehmen, alles andere macht m. E. wenig Sinn“ nicht besonders ins Gewicht. Die Beklagte musste diesen Satz vor dem Hintergrund der von der Klägerin in der E-Mail deutlich mitgeteilten Enttäuschung über Misserfolge in vorangegangenen Bewerbungsverfahren in erster Linie als Ausdruck von Frustration auffassen, und nicht als Erklärung, dass die Klägerin ihre Schwerbehinderung nicht entsprechend den Vorgaben von § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF berücksichtigt wissen wollte und auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch keinen Wert legte. So hatte die Klägerin ua. ausgeführt: „Inzwischen will bei mir auch keine so rechte Freude mehr aufkommen, denn immer wieder Absagen zu bekommen, ist auch nicht wirklich motivierend, freundlich und hilfreich …“.
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c) Die Beklagte hat die durch den Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF begründete Vermutung, dass die Klägerin wegen ihrer (Schwer)Behinderung benachteiligt wurde, nicht widerlegt.
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aa) Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, muss der Arbeitgeber - wie unter Rn. 26 ausgeführt - grundsätzlich Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben. Zur Widerlegung der auf den Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF gestützten Kausalitätsvermutung reicht dies allerdings nicht aus; hinzukommen muss in einem solchen Fall vielmehr, dass die Gründe nicht die fehlende fachliche Eignung des Bewerbers/der Bewerberin betreffen. Diese zusätzliche Anforderung folgt aus der in § 82 Satz 3 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 4 SGB IX nF getroffenen Bestimmung, wonach eine Einladung des schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch nur dann entbehrlich ist, wenn diesem die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Die Widerlegung der aus einem Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX aF bzw. § 165 Satz 3 SGB IX nF folgenden Vermutung setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fehlende fachliche Eignung des Bewerbers berühren (BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 45).
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bb) Die Beklagte hat die Kausalitätsvermutung nicht widerlegt. Die Beklagte hat keinen Vortrag dazu geleistet, dass eine Einladung der Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zu deren Behinderung aufweisen noch eine etwa fehlende fachliche Eignung berühren.
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4. Die unmittelbare Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Schwerbehinderung war auch nicht ausnahmsweise nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig. Auch zum Vorliegen der Voraussetzungen dieser Bestimmung fehlt es an einem entsprechenden Vorbringen der Beklagten.
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IV. Der Senat, der aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen abschließend über die Höhe der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG entscheiden kann, hält unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entschädigung iHv. 1,5 auf der ausgeschriebenen Stelle erzielbaren Bruttomonatsverdiensten, mithin eine Entschädigung iHv. 3.581,79 Euro für angemessen.
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1. Im Fall einer Nichteinstellung ist für die Bemessung der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG an das Bruttomonatsentgelt anzuknüpfen, das der/die erfolglose Bewerber/in (ungefähr) erzielt hätte, wenn er/sie die ausgeschriebene Stelle erhalten hätte. Dies folgt aus der in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG getroffenen Bestimmung, wonach die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen darf, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (BAG 28. Mai 2020 - 8 AZR 170/19 - Rn. 24).
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Aus dem Umstand, dass das infolge der Nichteinstellung entgangene Arbeitsentgelt ein möglicher Schadensposten im Rahmen eines auf den Ausgleich materieller Schäden nach § 15 Abs. 1 AGG gerichteten Schadensersatzanspruchs sein kann, während mit der Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht der materielle, sondern der immaterielle Schaden ausgeglichen wird, folgt nichts Abweichendes. Soweit es - wie hier - um den Zugang zur Beschäftigung geht, ist die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nämlich nicht nur eine Sanktion dafür, dass der/die erfolglose Bewerber/in nicht die Chance zur Entfaltung seiner/ihrer individuellen Persönlichkeit durch eine bestimmte Beschäftigung erhält, sondern ebenso eine Sanktion dafür, dass er/sie nicht die Chance erhält, ein Arbeitseinkommen zu erzielen und auch dadurch in seinem/ihrem Geltungs- bzw. Achtungsanspruch berührt ist. In beiden Fällen ist nicht der materielle, sondern der immaterielle Teil des Persönlichkeitsrechts betroffen (BAG 28. Mai 2020 - 8 AZR 170/19 - Rn. 25). Die Anknüpfung an das auf der ausgeschriebenen Stelle (ungefähr) zu erwartende Bruttomonatsentgelt steht auch mit den unionsrechtlichen Vorgaben in Einklang. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat eine solche Anknüpfung in seinem Urteil vom 22. April 1997 (- C-180/95 - [Draehmpaehl] zur Richtlinie 76/207/EWG) grundsätzlich gebilligt.
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2. Durch eine Entschädigung iHv. 1,5 auf der Stelle erzielbaren Bruttomonatsverdiensten wird die Klägerin angemessen für den durch die unzulässige Diskriminierung - ausschließlich - wegen der (Schwer)Behinderung erlittenen immateriellen Schaden entschädigt; dieser Betrag ist zudem erforderlich, aber auch ausreichend, um die notwendige abschreckende Wirkung zu erzielen. Da es auf ein Verschulden nicht ankommt, können Gesichtspunkte, die mit einer etwaigen Abwesenheit oder einem geringen Grad von Verschulden zusammenhängen, nicht mindernd bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigt werden (vgl. etwa BAG 28. Mai 2020 - 8 AZR 170/19 - Rn. 20 f.). Auf der anderen Seite sind in diesem Fall aber auch keine Umstände erkennbar, die einen höheren Grad von Verschulden der Beklagten belegen, weshalb auch keine Veranlassung besteht, die Entschädigung höher festzusetzen. Auf die Frage, ob die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG die Kappungsgrenze von drei Monatsgehältern nicht übersteigen durfte, weil die Klägerin auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (dazu etwa BAG 23. Januar 2020 - 8 AZR 484/18 - Rn. 82 ff. mwN), kommt es nach alledem nicht an.
        
    
    Schlewing        Winter       Vogelsang       F. Avenarius      F. Rojahn    
                         

Sonstiger Langtext
     
Berichtigungsbeschluss vom 16. Februar 2021:
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26. November 2020- 8 AZR 59/20 - wird dahin berichtigt, dass der Tenor wie folgt lautet:
Auf die Revision der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. Juli 2019- 7 Sa 15/19 -im Kostenpunkt vollständig und im Übrigen teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2019 - 14 Ca 2090/18 -teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.581,79 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. April 2018 zu zahlen.
        Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen.
Gründe
71
    
Das Urteil war wie geschehen nach § 319 ZPO zu berichtigen, da offenbare Unrichtigkeiten vorliegen.
            Schlewing                 Winter             Vogelsang