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Zugang eines Kündigungsschreibens beim Arbeitnehmer

13. Apr
2015

 - 0Will ein Arbeitnehmer geltend machen, eine Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam, muss er gem. § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigungserklärung (bezeichnet auch als Kündigungsschreiben) beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist. Dieser Grundsatz gilt gleichermaßen für ordentliche und außerordentliche Kündigungen.

Die außerordentliche Kündigung ist dem Kläger in dem Fall der dem LAG Mainz zugrunde lag, am 30.01.2014 zugestellt worden. Hiergegen hat er erst am 13.03.2014 - und damit verspätet - Klage erhoben.

Nach den Feststellungen des Gerichts ist die Kündigung vom Arbeitgeber am 30.01.2014 in den Hausbriefkasten eingeworfen worden und damit zugegangen. Eine Zeugenvernehmung hat ergeben, dass es zu keinen Verwechslungen der Hausnummern gekommen ist.

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Mainz vom 19. Februar 2015 - 5 Sa 475/14:


Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 24.06.2014, Az. 6 Ca 14/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Tenor des Teil-Urteils wird zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1.Die Klage gegen die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.01.2014 wird abgewiesen.

2.Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 30.01.2014 wird zurückgewiesen.

3.Die Kostenentscheidung bleibt dem Schluss-Urteil vorbehalten.

II.Die Revision wird nicht zugelassen.

III.Der Streitwert für das Berufungsverfahren

wird auf € 5.076,90 festgesetzt.


Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 30.01.2014.

Der 1965 geborene, verheiratete Kläger war seit 05.01.2009 bei der Beklagten, die ca. 35 Arbeitnehmer beschäftigt, als Programmierer zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 4.712,00 angestellt. Die Beklagte stellte ihm einen Firmenwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung; der damit verbundene geldwerte Vorteil wurde steuerlich mit € 364,90 brutto monatlich bewertet.

Mit Schreiben vom 19.12.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.03.2014. Gegen diese Kündigung, die am 19.12.2013 in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen worden ist, hat er mit Telefax vom 09.01.2014 Kündigungsschutzklage erhoben (Antrag zu 1). Mit Schreiben vom 30.01.2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit einer Klageerweiterung vom 13.03.2014 (Antrag zu 4), hilfsweise beantragt er, die Klage nachträglich zuzulassen (Antrag zu 5). Im Schriftsatz vom 22.05.2014 kündigte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten das Arbeitsverhältnis erneut fristlos. Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit Klageerweiterung vom 27.05.2014 (Antrag zu 8). Erstmals verlangt er in diesem Schriftsatz die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht (Antrag zu 9). In einem Klageerweiterungsschriftsatz vom 08.04.2014 beantragte der Kläger außerdem, die Beklagte zu verurteilen, die "bestehende Pensionsversicherung der betrieblichen Altersvorsorge bei der Allianz-Versicherung an ihn herauszugeben" (Antrag zu 6). Ein Antrag zu 3) fehlt.

Über den Antrag auf Entfernung einer Abmahnung vom 18.12.2013 aus der Personalakte (Antrag zu 2) und den Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses (Antrag zu 7) haben die Parteien am 24.06.2014 einen Teil-Vergleich geschlossen. In dem verbundenen Rechtsstreit (Az. 6 Ca 242/14) haben sie bereits am 18.02.2014 einen Teil-Vergleich über die Herausgabe des Firmenwagens geschlossen.

In Bezug auf die fristlose Kündigung vom 30.01.2014 ist zwischen den Parteien streitig, wann das Kündigungsschreiben dem Kläger zugegangen ist. Der Kläger behauptet, er habe erstmals durch den Schriftsatz der Beklagten vom 27.02.2014, der seinem damaligen Rechtsanwalt am 04.03.2014 zugegangen sei, Kenntnis erlangt. Die Beklagte behauptet demgegenüber, das Kündigungsschreiben sei am 30.01.2014 gegen 12:45 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen worden. Das Arbeitsgericht hat hierüber Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin L.. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 24.06.2014 Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 30.01.2014, zugegangen am 04.03.2014, nicht beendet wurde,

2.hilfsweise die Kündigungsschutzklage (nachträglich) zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.06.2014 die Klage abgewiesen, den Hilfsantrag zurückgewiesen und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Kammer sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass dem Kläger die fristlose Kündigung vom 30.01.2014 noch am selben Tag zugegangen sei. Die Kammer folge den glaubhaften Ausführungen der Zeugin L.. Sie habe ausgesagt, dass Herr O., ein Vorstand der Beklagten, das Kündigungsschreiben in ihrem Beisein am 30.01.2014 gegen 13:00 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen habe. Die Zeugin habe die örtlichen Gegebenheiten gut beschrieben. Sie habe zudem ausgesagt, dass das Kündigungsschreiben vom 30.01.2014 in denselben Briefkasten eingeworfen worden sei wie das Kündigungsschreiben vom 19.12.2013. Am 19.12.2013 sei der Einwurf ebenfalls in ihrem Beisein erfolgt. Die Zeugin habe auf die Kammer einen glaubwürdigen Eindruck gemacht, so dass keine Zweifel an der Richtigkeit ihrer Aussage bestünden.

Da die fristlose Kündigung am 30.01.2014 zugegangen sei, habe der Kläger mit der Klageerweiterung vom 13.03.2014 die Drei-Wochen-Frist gem. §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4 KSchG nicht gewahrt. Die Kündigung sei daher gem. § 7 KSchG rechtswirksam. Der Hilfsantrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage sei zurückzuweisen, weil der Kläger die Nichteinhaltung der Drei-Wochen-Frist zu vertreten habe.

Gegen das am 11.07.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 11.08.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 13.10.2014 verlängerten Begründungsfrist mit am 13.10.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger macht zur Begründung der Berufung geltend, er bleibe bei seinem Vortrag, dass er das Kündigungsschreiben vom 30.01.2014 zu keinem Zeitpunkt erhalten habe. Die Aussage der Zeugin L. könne die erstinstanzliche Entscheidung nicht stützen, denn sie sei von einem falschen Briefkasten ausgegangen. Die Aussage der Zeugin, dass sich direkt neben dem Haus, in dem er wohne, eine Garage bzw. eine Garageneinfahrt befinde, sei unzutreffend. Dort befinde sich lediglich ein Stellplatz. Das verdeutliche das anliegende Foto. Bei Inaugenscheinnahme der vorgelegten Fotos der Briefkastenanlagen des Hauses Nr. 67 und des Hauses Nr. 69 falle auf, dass in Haus Nr. 69 ein Briefkasten mit "B. R." und ein Briefkasten mit "A+M R." beschriftet sei. Sein Briefkasten an Haus Nr. 67 sei demgegenüber Ende Januar 2014 lediglich mit dem Nachnamen "R." - und zwar handschriftlich in Großbuchstaben - beschriftet gewesen. Auf dem vorgelegten Foto der Briefkästen des Hauses Nr. 67 sei die Beschriftung "R. ST." zu erkennen, die seine Ehefrau (I. A.) am 09.06.2014 angebracht habe, weil seine Schwiegermutter (I. St.) für ca. sechs Wochen bei ihnen gewohnt habe. Zuvor sei der Briefkasten lediglich mit "R." beschriftet gewesen. Damit spreche alles dafür, dass die Kündigung in den Briefkasten seiner Nachbarn im Haus Nr. 69, der Eheleute "A+M R.", eingeworfen worden sei. Die Optik der Briefkästen sei annähernd identisch, offenbar handele es sich um die gleiche Marke. Beide Häuser seien damals weiß gestrichen gewesen. Neben dem Haus Nr. 69 der Nachbarn befinde sich eine Garage. Insbesondere habe die Zeugin angegeben, dass auf dem Briefkasten ein "A" und ein "I" oder "J" gestanden habe. Das "A stehe für "A. R.", bei dem "M" habe sich die Zeugin offenbar versehen. Sein Briefkasten sei zu keinem Zeitpunkt neben dem Nachnamen mit Vornamenkürzeln beschriftet gewesen. Dass sich die Zeugin nicht an die aufgeklebte "rote Hand" auf dem Briefkasten erinnern könne, spreche gegen einen Einwurf in seinen Briefkasten. Auch die Aussage der Zeugin, sie habe die fristlose Kündigung in denselben Briefkasten eingeworfen wie die ordentliche Kündigung sei beweislos und unbedeutend. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 13.10.2014 und vom 04.02.2015 nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 24.06.2014 , Az. 6 Ca 14/14, abzuändern und

1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 30.01.2014 aufgelöst worden ist,

2.die Klage gegen die fristlose Kündigung vom 30.01.2014 hilfsweise nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 12.12.2014, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Die fristlose Kündigung vom 30.01.2014 sei am selben Tag von ihrem Vorstand O. im Beisein der Zeugin L. gegen ca. 13:00 Uhr in denselben Briefkasten eingeworfen worden, in den die Zeugin am 19.12.2013 die ordentliche Kündigung eingeworfen habe. Der Versuch des Klägers, ein "Verwirrspiel" mit den Initialen auf den Briefkästen zu treiben, sei untauglich. Auf dem Foto, das die Zeugin L. beim Einwurf der ordentlichen Kündigung vom 19.12.2013 gefertigt habe, sei der Briefkasten des Klägers mit der Beschriftung "A. I. A." abgebildet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

I.Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und inhaltlich ausreichend begründet worden. Sie ist somit zulässig.

Gemäß § 528 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG unterliegen der Entscheidung der Berufungskammer nur die Berufungsanträge. Die Kammer ist danach nur zur Entscheidung befugt, soweit das Arbeitsgericht über den Kündigungsschutzantrag des Klägers gegen die fristlose Kündigung vom 30.01.2014 (Antrag zu 4) und den Hilfsantrag auf nachträgliche Zulassung der Klage gegen diese Kündigung (Antrag zu 5) entschieden hat.

Das Arbeitsgericht hat erstinstanzlich noch nicht über die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.12.2013 zum 31.03.2014 (Antrag zu 1), die fristlose Kündigung der Beklagten vom 22.05.2014 (Antrag zu 8) sowie über den allgemeinen Feststellungsantrag (Antrag zu 9) entschieden. Außerdem steht noch eine Entscheidung über den Antrag aus, die Beklagte zu verurteilen, die "bestehende Pensionsversicherung der betrieblichen Altersvorsorge bei der Allianz-Versicherung an den Kläger herauszugeben" (Antrag zu 6). Lediglich die Anträge auf Entfernung der Abmahnung (Antrag zu 2), auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses (Antrag zu 7) und auf Herausgabe des Firmenwagens sind durch zwei Teil-Vergleiche erledigt.

Das Arbeitsgericht hat zwar ein Endurteil erlassen, dabei aber über mehrere Streitgegenstände bewusst nicht entschieden. Dies ergibt die Auslegung des angefochtenen Urteils und der Sitzungsniederschrift vom 24.06.2014. Der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers hat ausweislich der Sitzungsniederschrift im Kammertermin vom 24.06.2014 vor dem Arbeitsgericht nur die Anträge zu 4) und zu 5) gestellt. Das Arbeitsgericht hat auch nur über diese Anträge entschieden. Damit liegt ein Teilurteil iSv. § 301 ZPO vor. Der von ihm nicht erfasste Streitgegenstand bleibt beim Arbeitsgericht anhängig (vgl. BAG 20.02.2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 22, 23; NZA 2015, 124). Zur Klarstellung hat die Berufungskammer deshalb den erstinstanzlichen Tenor neu gefasst.

Erst wenn zwischen den Parteien rechtskräftig feststeht, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 30.01.2014 aufgelöst worden ist, kann festgestellt werden, ob die weitere fristlose Kündigung der Beklagten vom 22.05.2014 ins Leere geht. Auf die Wirksamkeit der zuvor erklärten ordentlichen Kündigung vom 19.12.2013 zum 31.03.2014 käme es nicht mehr an, weil sie von der fristlosen Kündigung vom 30.01.2014 überholt worden wäre. Demgegenüber steht und fällt der Antrag auf "Herausgabe der Pensionsversicherung" nicht mit der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 30.01.2014 überhaupt, wohl aber ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Anspruchsvoraussetzung. Auch hierüber ist im Schluss-Urteil zu befinden. Dem Schlussurteil bleibt auch die erstinstanzliche Kostenentscheidung vorbehalten.

II.Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung der angefochtenen Entscheidung den Klageantrag zu 4) zutreffend abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.01.2014 mit sofortiger Wirkung rechtswirksam beendet worden. Der Antrag zu 5), die Klage hilfsweise nachträglich zuzulassen, ist ebenfalls unbegründet.

1.Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 30.01.2014 nicht rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist gem. § 4 Satz 1, §§ 7, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gerichtlich geltend gemacht hat. Die außerordentliche Kündigung ist dem Kläger am 30.01.2014 zugestellt worden. Seine Klage gegen diese Kündigung ist erst mit Erweiterungsschriftsatz vom 13.03.2014 - und damit verspätet - erhoben worden.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, eine Kündigung sei sozial ungerechtfertigt oder aus „anderen Gründen“ rechtsunwirksam, muss er gem. § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigungserklärung beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst worden ist. Durch die Verweisung in § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG gilt die dreiwöchige Klagefrist auch bei außerordentlichen Kündigungen. Wird die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, gilt die Kündigung gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam mit der Folge, dass eine verspätet erhobene Kündigungsschutzklage als unbegründet abgewiesen werden muss.

Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht aufgrund der Aussage der Zeugin L. auch zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Vorstand der Beklagten O. im Beisein der Zeugin das Kündigungsschreiben vom 30.01.2014 am selben Tag gegen 13:00 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen hat.

Aufgrund der prozessualen Vorgaben der Zivilprozessordnung geht die Berufungskammer von dem Sachverhalt aus, den das Arbeitsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Es gibt keinen Anlass, die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme zu wiederholen oder durch Zeugenvernehmung der Ehefrau des Klägers oder einer Parteivernehmung des Klägers zu ergänzen. Es bestehen nämlich keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Arbeitsgerichts, die eine erneute Feststellung gebieten würden (§ 64 Abs. 6 ArbGG, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Insbesondere die gegen die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts in der Berufungsbegründung gerichteten Angriffe des Klägers geben keine Veranlassung, von den tatsächlichen Feststellungen des Arbeitsgerichts abzuweichen. Die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Urteils genügt den Anforderungen, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Die Beweiswürdigung ist nicht unvollständig, nicht widersprüchlich und verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

Die Zeugin L. hat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 24.06.2014 bei ihrer Vernehmung in sich stimmig und widerspruchsfrei bekundet, dass sie sich am 30.01.2014 gemeinsam mit Herrn O. zum Wohnhaus des Klägers begeben habe, um den Einwurf des Kündigungsschreibens in dessen Hausbriefkasten zu bezeugen. Das Kündigungsschreiben sei in denselben Briefkasten eingeworfen worden wie bereits die ordentliche Kündigung vom 19.12.2013.

Entgegen der Ansicht der Berufung besteht kein Grund zu der Annahme, die Zeugin L. - eine kaufmännische Angestellte - habe die Hausnummern 67 und 69 verwechselt. Ebenso fernliegend ist die Mutmaßung des Klägers, das Kündigungsschreiben sei im falschen Haus (mit der Nr. 69) in einen Briefkasten mit der Aufschrift "A+M R." eingeworfen worden. Die Berufungskammer hält den vom Kläger gezogenen Schluss, die Zeugin habe nicht nur die Hausnummern, sondern auch die Namen "A." und "R." verwechselt, für unrealistisch. Es ist vielmehr anzunehmen, dass sie der Zustellung besondere Sorgfalt widmete, weil sie eigens als Zeugin hinzugezogen worden ist. Dass sich Frau L. nicht mehr an bloße Nebensächlichkeiten (zB. Garageneinfahrt oder Stellplatz) erinnern konnte, gibt keinen Anlass an der Richtigkeit ihrer Aussage im Kern zu zweifeln. Es spricht ebenfalls nicht gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage, dass sie auf die Frage des Klägers, ob ein besonderes Zeichen auf dem Briefkasten angebracht gewesen sei, geantwortet hat, sie könne sich hieran nicht erinnern. Im wesentlichen Kernpunkt hat die Zeugin bekundet, dass das Schreiben vom 30.01.2014 in denselben Briefkasten wie die erste Kündigung vom 19.12.2013 eingeworfen worden sei. Da die ordentliche Kündigung vom 19.12.2013 den Kläger - unstreitig - erreicht hat, ist eine Verwechslung der Briefkästen auszuschließen.

2.Das Arbeitsgericht hat auch den Hilfsantrag des Klägers (Antrag zu 5) auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 30.01.2014 zu Recht zurückgewiesen.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist eine Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig beim Arbeitsgericht zu erheben. Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung muss die Angabe der die nachträgliche Klagezulassung begründenden Tatsachen und der Mittel für deren Glaubhaftmachung enthalten (§ 5 Abs.2 Satz 2 KSchG).

Vorliegend liegen keine ausreichenden, glaubhaft gemachten Tatsachen und Umstände vor, die ein Verschulden des Klägers an der Einhaltung einer rechtzeitigen Klageerhebung ausschließen. Gelangt ein Kündigungsschreiben - wie hier durch das Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme bewiesen worden ist - in den Hausbriefkasten eines Arbeitnehmers, kann er als Empfänger dieser verkörperten Kündigungserklärung eine nachträgliche Klagezulassung nicht allein darauf stützen, dieses Schreiben sei aus ungeklärten Gründen nicht zu seiner Kenntnis gelangt (vgl. BAG 28.05.2009 - 2 AZR 732/08 - Rn. 22 mwN, NZA 2009, 1229). Der Inhaber eines Hausbriefkastens muss grundsätzlich dafür Sorge tragen und Vorsorge treffen, dass er von für ihn bestimmte Sendungen Kenntnis nehmen kann. Zur Darlegung einer unverschuldeten Fristversäumnis reicht es regelmäßig nicht aus, dass sich ein Arbeitnehmer allein und pauschal darauf beruft, ein Kündigungsschreiben sei weder von ihm noch von seiner Ehefrau im Hausbriefkasten vorgefunden worden. Vielmehr muss, da es nach der gesetzlichen Formulierung auf die Anwendung „aller“ dem Arbeitnehmer zuzumutenden Sorgfalt ankommt, grundsätzlich durch eine nähere Darstellung und Glaubhaftmachung auch ein naheliegender - und ggf. verschuldeter - Verlust des Kündigungsschreibens in der Sphäre des Kündigungsempfängers ausgeschlossen werden. Zu einem entsprechendem Vortrag gehört deshalb zumindest die Darlegung, wer von den in Betracht kommenden Personen im fraglichen Zeitraum den Briefkasten geleert hat, ob - und ggf. welche - andere Postsendungen oder Reklame sich im Briefkasten befanden und wie mit diesen verfahren wurde (vgl. BAG 28.05.2009 - 2 AZR 732/08, aaO).

An einem solchen konkreten und glaubhaft gemachten Sachvortrag fehlt es hier völlig. Der Kläger hat nicht angegeben, wann und von wem am 30.10.2014 und nach diesem Tag der Briefkasten geleert worden ist und welche Sendungen die Personen dem Briefkasten entnommen und wohin sie die Sendungen verbracht haben.

III.Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen. Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren folgt aus § 63 Abs.2 GKG.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.