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Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

 

Der Grundsatz des Art. 3 GG gebietet, niemanden willkürlich ungleich zu behandeln. Dieser Grundsatz findet sich in spezieller Ausprägung auch im Arbeitsrecht. Es gibt keine unmittelbare gesetzliche Regelung. Die Rechtsprechung leitet den Grundsatz vor allem aus dem Gebot ab, die Leistung in einem Arbeitsvertragsverhältnis nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zu erbringen. Zusätzlich zu ausdrücklichen Anspruchsgrundlagen im Arbeitsvertrag kann der Gleichbehandlungsgrundsatz somit eine Anspruchsgrundlage zu Gunsten des Arbeitnehmers eröffnen.

Begriff des Gleichbehandlungsgrundsatzes

Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Damit verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Im Bereich der Arbeitsvergütung ist er trotz Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt.

Verbot der sachgrundlosen Gruppenbildung

Dem Arbeitgeber ist es verwehrt, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen aus unsachlichen Gründen von einer Erhöhung der Arbeitsentgelte auszuschließen. Eine sachfremde Benachteiligung liegt nicht vor, wenn sich nach dem Leistungszweck Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, diesen Arbeitnehmern die den anderen gewährte Leistung vorzuenthalten. Die Zweckbestimmung ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird.

Rechtfertigung der Gruppenbildung

Die Differenzierung zwischen der begünstigten Gruppe und den benachteiligten Arbeitnehmern ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt. Die Gründe müssen auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und dürfen nicht gegen höherrangige Wertentscheidungen verstoßen. Die Gruppenbildung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Die unterschiedliche Leistungsgewährung muss stets im Sinne materieller Gerechtigkeit sachgerecht sein.

Ausnahmen bei Sonderzahlungen

Ein Arbeitgeber kann bei Sonderzahlungen grundsätzlich ohne Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unterschiedliche Arbeitsbedingungen berücksichtigen und eine geringere laufende Arbeitsvergütung einer Arbeitnehmergruppe durch eine Sonderzahlung teilweise oder vollständig kompensieren. In einem solchen Fall der Kompensation verstößt der Arbeitgeber auch nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB, wonach er einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen darf, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Eine Sonderzahlung darf aber ohne Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann der Gruppe von Arbeitnehmern vorenthalten werden, die die Vereinbarung ungünstigerer Arbeitsbedingungen abgelehnt hat, wenn die Sonderzahlung ausschließlich dem Ausgleich von Nachteilen der Gruppe von Arbeitnehmern dient, die bereit war, mit dem Arbeitgeber für sie ungünstigere Arbeitsbedingungen zu vereinbaren.

Besonderheiten bei vorausgegangenem Gehaltsverzicht

Gewährt der Arbeitgeber neben der Gehaltserhöhung als weitere Leistung einen geldwerten Vorteil, der nicht im Zusammenhang mit unterschiedlichen Vergütungssystemen im Betrieb steht

mit der Folge, dass ein in der Vergangenheit hingenommener Gehaltsverzicht erst durch die weitere Leistung überkompensiert wird, haben die Arbeitnehmer der Gruppe, denen die weitere Leistung vorenthalten wird, ggf. Anspruch auf die weitere Leistung, nicht jedoch auf die Gehaltserhöhung.

Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Aus § 87 BetrVG ergeben sich aus bestimmten Sachverhalten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats mit Bezug zum Gleichbehandlungsgrundsatz. So kann der Betriebsrat seine Zustimmung zu geplanten Maßnahmen des Arbeitgebers verweigern, wenn dieser den Gleichbehandlungsgrundsatz ohne sachlichen Grund verletzt, z. B. im Fall von betrieblichen Lohngestaltungen gemäß § 87 Abs. Nr. 10 BetrVG.

Beweislast

Steht eine Gruppenbildung fest, hat der Arbeitgeber im Prozess die Gründe für die Differenzierung offenzulegen und so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entspricht.

Rechtsfolge der unzulässigen Ungleichbehandlung

Liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Regel auf alle Arbeitnehmer anzuwenden und diese entsprechend zu begünstigen. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung.