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Verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitnehmers

 

Nach § 1 Abs. 2 KSchG kann der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer kündigen, wenn die Kündigung durch Gründe bedingt ist, die in seinem Verhalten liegen. Der ledigliche Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, stellt einen eigenständigen Kündigungsgrund dar und wird als Verdachtskündigung bezeichnet. Soweit das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, ist das Verhalten des Arbeitnehmers neben betriebsbedingten und personenbedingten Gründen einer der drei Gründe, aus denen eine Kündigung ausgesprochen werden kann. Die Rechtsprechung hat ein mehrstufiges Prüfungsschema entwickelt, wonach der Verhaltensverstoß schuldhaft sein muss, die weitere Prognose negativ ist, kein milderes Mittel als die Kündigung zur Verfügung steht und die Interessenabwägung zu Ungunsten des Arbeitnehmers ausfällt.

Vertragswidriges Verhalten

Als Fallgruppen des vertragswidrigen Verhaltens kommen Störungen im Bereich der Arbeitsleistung (z.B. Arbeitsverweigerung, Unpünktlichkeit), des Vertrauens (z.B. Diebstahl) und der betrieblichen Ordnung (z.B. Alkoholkonsum trotz Alkoholverbots im Betrieb, Beleidigung des Arbeitgebers) in Betracht. Das vertragsverletzende Verhalten kann sich entweder auf die Hauptleistungspflicht, also die Arbeitspflicht beziehen, oder auf vertragliche Nebenpflichten, wie z.B. die Treuepflicht zur Verschwiegenheit gegenüber dem Arbeitgeber. Auch schwerwiegendes außerdienstliches Fehlverhalten, vor allem eine Straftat, berechtigt zur Kündigung.

Verschulden

Der Arbeitnehmer muss vorsätzlich oder zumindest fahrlässig gehandelt haben. Anderenfalls beruht der Verstoß nicht auf dem Verhalten des Arbeitnehmers, sondern liegt unter Umständen in seiner Person begründet. So wird eine Minderleistung, die auf einer Alkoholerkrankung beruht, als personenbedingter Kündigungsgrund angesehen.

Negative Prognose

Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (BAG 2 AZR 180/06). Für einen Arbeitnehmer der regelmäßig Kollegen grob unflätig behandelt , wird eine negative Prognose zu stellen sein, falls ansonsten keine enlastenden Umstände hinzutreten. Die Prognose kann positiv sein, wenn der Arbeitnehmer Umstände glaubhaft machen kann, die erkennnen lassen, dass er zukünftig einen korrekten Umgang mit den Kollegen pflegen wird, z.B. weil er eine verhaltensändernde Therapie begonnen hat.

Milderes Mittel - Erfordernis einer Abmahnung

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt folgt aus §§ 314 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB.

Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar nicht in Betracht kommt. Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (vgl. "Emmely"-Entscheidung"). Die Speicherung unternehmensbezogener Dateien auf einer privaten Festplatte und ohne Sicherung gegen unbefugten Zugriff stellt eine Pflichtverletzung dar. Sie wiegt nicht so schwer, dass es ohne Weiteres eine fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnte.

Ordentliche oder außerordentliche Kündigung

Eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB kommt -unabhängig von der Anwendbarkeit des KSchG- nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. BAG, Urteil vom 19. April 2007 - 2 AZR 180/06). Als milderes Mittel kommt .wie zuvor dargestellt- die Abmahnung und zudem die ordentliche Kündigung in Betracht.. Die beiden Mittel sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen. Einem Arbeitgeber ist zu empfehlen, bei seiner Entscheidung zu einer außerordentlichen Kündigung, stets hilfsweise eine ordentliche Kündigung zu erklären. In den meisten Fällen würde aber auch ohne dem das Gericht im Wege der Umdeutung eine hilfsweise die Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung prüfen, auch wenn diese nicht ausdrücklich erklärt worden sein sollte.

Interessenabwägung

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 2 AZR 355/10).

Zugunsten des Arbeitnehmers können Aspekte wie etwaiges vertragsgemäßes Vorverhalten, Mitverschulden des Arbeitgebers, soziale Aspekte wie Lebensalter und lange Betriebszugehörigkeit sprechen.

Als zu berücksichtigende Interessen des Arbeitgebers kommen vor allem Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb, Störungen im Arbeitsablauf des Betriebs, Imageschaden gegenüber Geschäftspartnern und gegenüber den anderen Arbeitnehmern im Betrieb, Schutzpflichten gegenüber anderen Arbeitnehmern oder Gefahr der Schädigung von Rechtsgütern wie Eigentum und Besitz des Arbeitgebers oder seiner Arbeitnehmer.