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Überstunden - Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers

 

Die Thematik der Überstunden ist aktueller denn je. Denn Arbeitgeber gehen immer mehr dazu über, bei erhöhtem Arbeitsanfall gegenüber ihren Arbeitnehmern Überstunden anzuordnen, statt Neueinstellungen vorzunehmen. Dem Arbeitnehmer bleiben dann kaum Möglichkeiten, die Überstunden abzubauen. Die Rechte und Pflichten für die Parteien des Arbeitsvertrages werden im folgenden dargestellt.

Begriff der Überstunden in Abgrenzung zur Mehrarbeit

Die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit, die über das normale Maß hinausgeht, kann sich als Mehrarbeit oder Überstunden darstellen. Bei Mehrarbeit handelt es sich um Arbeitszeit, die über die normale gesetzliche Arbeitszeit hinausgeht. Die Höchstdauer der gesetzlichen Arbeitszeit ist im Arbeitszeitgesetz geregelt. Dagegen versteht man unter Überstunden diejenige Arbeitszeit, die über die für das jeweilige Beschäftigungsverhältnis aufgrund Tarifvertrages, Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrages festgelegte Arbeitszeit hinausgeht.

Verpflichtung zur Leistung von Überstunden

Eine ausdrückliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung von Überstunden besteht nicht, wenn die eine darüber hinaus gehende Arbeitsleistung nicht vertraglich geregelt ist. In vielen Arbeits- und Tarifverträgen ist jedoch eine Klausel üblich, aufgrund jener der Arbeitnehmer zu Überstunden verpflichtet ist. Ansonsten kann der Arbeitgeberer auch in betrieblichen Notfällen gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben Überstunden anordnen, die der Arbeitnehmer nicht verweigern darf.

Grundsatz der Überstunden-Bezahlung

Gemäß § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten war. Unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung ergeben sich demnach für den Arbeitnehmer keine Ansprüche für die Zahlung von Überstunden. Die Vorschrift ist aber entsprechend anzuwenden, wenn eine in bestimmter Höhe gewährte Arbeitsvergütung nicht den vollen Gegenwert für die erbrachten Dienstleistungen darstellt, auf diese Weise also Mehrarbeit oder Überstunden vergütet werden sollen.

Ausnahmen vom Grundsatz der Überstunden-Bezahlung

Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten, gibt es nicht. Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt. Sie kann sich insbesondere daraus ergeben, dass im betreffenden Wirtschaftsbereich Tarifverträge gelten, die für vergleichbare Arbeiten eine Vergütung von Überstunden vorsehen.Es wird deshalb in weiten Teilen des Arbeitslebens die -objektive- Vergütungserwartung gegeben sein. Sie wird aber fehlen, wenn arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind oder wenn Dienste höherer Art geschuldet sind oder insgesamt eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird. Von letztem Fall wird regelmäßig ausgegangen werden können, wenn das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet. Mit dieser dynamischen Verdienstgrenze gibt der Gesetzgeber alljährlich zu erkennen, welche Einkommen so aus dem in der Solidargemeinschaft aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten herausragen, dass damit keine weitere Rentensteigerung mehr zu rechtfertigen ist. Wer mit seinem aus abhängiger Beschäftigung erzielten Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet, gehört zu den Besserverdienern, die aus der Sicht der beteiligten Kreise nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht eines Stundensolls beurteilt werden. Ihnen und ihren Arbeitgebern fehlt regelmäßig die objektive Vergütungserwartung für ein besonderes Entgelt als Gegenleistung für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit.

Darlegungs- und Beweislast zur Überstunden-Bezahlung

Zur Begründung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung hat der Arbeitnehmer im Einzelnen darzulegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Der Arbeitnehmer muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich gearbeitet hat. Ist streitig, ob Arbeitsleistungen erbracht wurden, hat der Arbeitnehmer darzulegen, welche (geschuldete) Tätigkeit er ausgeführt hat. Je nach der Einlassung des Arbeitgebers besteht dementsprechend eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt des Weiteren voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren.

Abgeltung durch Freizeitausgleich

Überstunden können durch Gewährung von Freizeit ausgeglichen werden bei ensprechender arbeits- oder tarifvertraglicher Vereinbarung. Für die Zeiten von Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit während des Freizeitausgleichs wegen der Überstunden erhält der Arbeitnehmer keinen Ersatz. Es wird vom Arbeitgeber nur die Entbindung des Arbeitnehmers von seiner vertraglichen Arbeitspflicht im Umfang der geleisteten Überstunden, nicht aber darüber hinaus die Verschaffung einer zu Erholungszwecken nutzbaren arbeitsfreien Zeit verlangt. Überstunden sollen grundsätzlich nicht zu endgültiger Mehrarbeit über den Umfang der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit hinaus und damit auch nicht zu einer zusätzlichen Vergütungspflicht des Arbeitgebers führen. Ebensowenig wie der Arbeitgeber sonst dem Arbeitnehmer dafür einzustehen braucht, dass dieser an der beliebigen Nutzung seiner arbeitsfreien Zeit nicht durch Krankheit gehindert ist, trägt der Arbeitnehmer dieses Risiko bei der durch Arbeitsbefreiung als Überstundenausgleich gewonnenen Freizeit.

Beteiligung des Betriebsrats

Besteht ein Betriebsrat, dann ist er zu beteiligen. Denn Anordnung und Durchführung von Überstunden sind als vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anordnung von Überstunden setzt ferner einen kollektiven Tatbestand voraus. Es greift nicht ein bei individuellen Maßnahmen ohne kollektiven Bezug. Dabei liegt nach der Rechtsprechung ein kollektiver Tatbestand immer dann vor, wenn sich eine Regelungsfrage stellt, die kollektive Interessen der Arbeitnehmer berührt. So ist bei einem zusätzlichen Arbeitsbedarf immer die Frage zu regeln, ob und in welchem Umfang zur Abdeckung dieses Arbeitsbedarfs Überstunden geleistet werden sollen oder ob die Neueinstellung eines Arbeitnehmers zweckmäßiger wäre. Weiter ist zu entscheiden, wann und von wem die Überstunden geleistet werden sollen. Diese Regelungsprobleme bestehen unabhängig von der Person und den individuellen Wünschen eines einzelnen Arbeitnehmers. Es kommt daher auf die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer nicht an, für die die Mehrarbeit oder Überstunden angeordnet werden. Die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer ist allenfalls ein Indiz dafür, daß ein kollektiver Tatbestand vorliegt.