Tarifverträge können nur von Tarifparteien abgeschlossen werden, die in § 2 TVG bezeichnet sind und zwar Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern. Nicht jede Gewerkschaft erfüllt die Voraussetzungen. Die Rechtsprechung verlangt „soziale Mächtigkeit“. Eine Gewerkschaft ist nur dann tariffähig, wenn sie über genug Durchsetzungskraft verfügt, um den Arbeitgeber, bzw. unmittelbar und zwingend zwingen zu können, sich auf ernsthafte Verhandlungen über Gewerkschaftsforderungen einzulassen. Dieses Zusammenwirken von Druck und Gegendruck ist nach Ansicht des BAG notwendig, um Tarifeinigungen zu ermöglichen und die Tarifhoheit der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sinnvoll zu gewährleisten.
Inhalt des Tarifvertrages
Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien (Gewerkschaft, Arbeitgeberverband) und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können (vgl. § 1 Abs. 1 TVG). Auslegungsmethoden eines Tarifvertrages sind Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck sowie seine Tarifgeschichte. Wenn die Parteien lückenhafte Regelungen treffen, kann das Gericht mit seiner Auslegung die Lücke schließen, soweit eine unbewusste Regelungslücke vorliegt.
Schuldrechtlicher Teil
Die Regelung der Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien ist der schuldrechtliche Teil. Es beinhaltet die Friedenspflicht (keine Arbeitskampfmaßnahmen während der Laufzeit des Vertrages), und die Durchführungspflicht (Einfordern der Umsetzung des Regelungswerkes gegenüber den Mitgliedern).
Normativer Teil
Als normativen Teil bezeichnet man die Regelungen über Arbeitsverhältnisse sowie über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Die beiden letztgenannten Bereiche bedürfen zu ihrer Geltung nicht die Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers. Es sind Regelungen zur Gesamtheit des Betriebes, z.B. zur Lage der Arbeitszeiten, Torkontrollen, Rauchverbote etc.
Die Regelungen über Arbeitsverhältnisse betreffen den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen. Am bedeutsamsten ist die Regelung zur Lohnhöhe. Der Arbeitnehmer muss tarifgebunden sein, damit die Regelung für ihn gilt. Falls der Tarivertrag gemäß § 5 TVG vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärt wird, gilt er auch für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer. Natürlich kann ein Arbeitgeber aufgrund der Vertragsfreiheit mit einen tarifgebundene Arbeitnehmer nach freiem Belieben die Geltung eines Tarifvertrages durch Bezugnahme im Arbeitsvertrag vereinbaren.
Arten von Tarifverträgen
Man unterscheidet Lohntarifverträge, in denen die Löhne festgesetzt werden, zudem Rahmentarifverträge, in denen verschiedene Lohngruppen aufgestellt und Merkmale zur Eingruppierung vorgenommen werden, und Manteltarifverträge, die vor allem Urlaubsdauer, Kündigungsfristen, Ausschlußfristen regeln.
Der bekannteste Tarifvertrag ist sicher der TVöD der als Gesamtwerk für die Beschäftigten bei Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung von Bund und Kommunen und Regelungen trifft über allgemeine Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit, Eingruppierung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Ausschlussfristen.
Wirkung des Tarifvertrages
Nach § 4 Abs. 1 TVG gelten Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen.
„Unmittelbar“ bedeutet, dass ein Tarifvertrag für die tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber direkt gilt, also ohne dass es einer zusätzlichen Vereinbarung im Arbeitsvertrag bedarf. Auch die etwaige Unkenntnis eines Tarifvertrages ändert daran nichts. Die unmittelbare Wirkung führt zur Geltung der tariflichen Norm, auch wenn im Arbeitsvertrag etwas Ungünstiges vereinbart wurde. So hat ein Arbeitnehmer z.B. Anspruch auf den Tariflohn, auch wenn der Arbeitsvertrag einen niedrigen Lohn vorsieht.
„Zwingend“ bedeutet, dass die Regelungen des Tarifvertrages anderen Veinbarungen vorrangig sind, unter anderem gegenüber dem Arbeitsvertrag. Es gibt zwei Ausnahmen von der zwingenden Wirkung, die in § 4 Abs. 3 TVG geregelt sind. Das ist zum einen, wenn der Tarifvertrag selbst eine Abweichung zulässt. Die zweite Ausnahme ist das so genannte Günstigkeitsprinzip. Demnach kann von der zwingenden Wirkung der Tarifvertragsnormen abgewichen werden, wenn die abweichende Regelung günstiger für den Arbeitnehmer ist. Wenn ein tarifgebundener Arbeitnehmer z.B. gemäß Arbeitsvertrag einen höheren Lohn bekommt als im Tarifvertrag vereinbart, dann verbleibt es bei der für den Arbeitnehmer günstigeren Regelung im Arbeitsvertrag.
Ein Verzicht auf tarifvertragliche Ansprüche kann nicht durch einseitige Erklärung des Arbeitnehmers erfolgen. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG ist eine vergleichsweise Regelung der tarifvertragsparteien erforderlich.
Bezugnahmeklauseln
Häufig wird in Arbeitsverträgen, z. B. bei der Lohnvereinbarung Bezug genommen auf Tarifverträge. Zu unterscheiden sind statische und dynamische Verweisungsklauseln. Eine statische Verweisungsklausel ist in etwa wie folgt formuliert:
"Auf den Arbeitsvertrag findet der Tarifvertrag X vom 01.01.2020 Anwendung"
Eine dynamische Verweisungsklausel ist z.B. wie folgt formuliert:
„Auf den Arbeitsvertrag findet der Tarifvertrag X vom 01.01.2020 in der jeweils geltenden Fassung Anwendung“.
Bei der statischen Verweisung gilt z.B. ein Lohntarifvertrag nur in der betreffenden Fassung. Eine von den Tarifparteien beschlossene Lohnerhöhung findet mit dieser Klausel keine Geltung auf den Arbeitsvertrag. Von einer Lohnerhöhung kann der Arbeitnehmer demnach nur bei Vereinbarung einer dynamischen Klausel profitieren.
Auslegung von Tarifverträgen
Ist der Wortlaut einer tarifvertraglichen Norm nicht eindeutig, so ist eine Auslegung vorzunehmen und zwar je nach dem gemäß Systematik, Sinn und Zweck und Historie.
Bei einem Tarifvertrag der eine Zuwendung regelt, wonach Arbeitnehmer die wegen Erreichens der Altersgrenze aus dem Betrieb ausscheiden, diese nur bei Betriebszugehörigkeit zum Stichtag erhalten, haben dem Betrieb in der Regel bereits lange Zeit angehört und damit in besonderer Weise Betriebstreue gezeigt, so dass ihnen nach dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages zumindest eine anteilige Zuwendung zu gewähren ist.
Unterlassungsanspruch
Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind, dürfen nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Eine solche Vereinbarung beeinträchtigt die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte kollektive Koalitionsfreiheit der tarifschließenden Gewerkschaft. Diese kann von einem tarifgebundenen Arbeitgeber verlangen, die Anwendung einer gegen den Tarifvertrag verstoßenden Betriebsvereinbarung zu unterlassen. Die Gewerkschaft hat jedoch keinen eigenen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber Entgeltnachteile ausgleicht, die Arbeitnehmern aufgrund einer tarifwidrigen Betriebsvereinbarung entstanden sind (BAG, Urteil vom 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09).