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Abschleppkosten bei nachträglich aufgestellten Verbotsschildern - VG Neustadt 5 K 444/14 NW

05. Feb
2015

 - 0Ob ein Autofahrer die Abschleppkosten zu zahlen hat, wenn sein Fahrzeug am vierten Tag nach Aufstellung der Verbotsschilder abgeschleppt wurde, hatte das VG Neustadt zu entscheiden.

Der betroffene Autofahrer stellte sein Fahrzeug am Mittwoch, den 27. Februar 2013, um 7.00 Uhr auf dem Pfalzplatz in Haßloch ab. Er wollte sich mit Freunden treffen, um gemeinsam in den Urlaub zu fahren. Zu diesem Zeitpunkt war das Parken auf dem Pfalzplatz erlaubt. Mehrere Schilder an den umliegenden Straßen und im Zufahrtsbereich des Pfalzplatzes wiesen hin auf „Pfalzplatz unbegrenzt P“. Auf dem Pfalzplatz selbst stehen keine Parkschilder.

Ebenfalls am Mittwoch, den 27. Februar 2013, zu einer späteren Zeit, stellte die beklagte Gemeinde Haßloch an der Schillerstraße, der einzigen Zufahrt zum Pfalzplatz, folgende Verkehrsschilder auf: Verkehrszeichen 283 (absolutes Halteverbot) und 250 (Verbot der Einfahrt) sowie Zusatzzeichen „Sonntag, 3. März 2013 ab 7.00 Uhr“. Anlass für die Anordnung des Parkverbots war der bevorstehende Sommertagsumzug am 3. März 2013. Am Sonntag, den 3. März 2013, um 12.15 Uhr wurde das Auto des Klägers abgeschleppt. Dieser konnte nicht informiert werden, da seine Nummer nicht im Telefonbuch eingetragen war.

Im April 2013 forderte die Beklagte vom Kläger 207 € für das Abschleppen des Pkw. Dagegen erhob der Kläger nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchserfahrens Klage mit der Begründung, durch die Hinweisschilder auf unbegrenztes Parken habe die Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Auf dem Pfalzplatz selbst, wo er sein Fahrzeug abgestellt habe, seien keine Verkehrszeichen aufgestellt worden.

Seine gegen den Kostenbescheid gerichtete Klage wies das VG Neustadt ab.

Ein Autofahrer muss Abschleppkosten auch bei nachträglich aufgestellten Verbotsschildern übernehmen. Parkt ein Kraftfahrer sein Fahrzeug erlaubt auf einem Parkplatz und stellt die zuständige Behörde nachträglich Parkverbotsschilder auf, hat der Kraftfahrer die Abschleppkosten zu zahlen, wenn das Fahrzeug am vierten Tag nach Aufstellung der Verbotsschilder abgeschleppt wurde (Verwaltungsgerichts Neustadt, Urteil vom 27. Januar 2015 – 5 K 444/14.NW).

Die Voraussetzungen der Kostenpflicht für eine Ersatzvornahme hätten vorgelegen. Nach Aufstellung der Verkehrszeichen 283 (absolutes Halteverbot) und 250 (Verbot der Einfahrt) und dem Zusatzzeichen „Sonntag, 3. März 2013 ab 7.00 Uhr“an der einzigen Zufahrt (Schillerstraße) zum Pfalzplatz sei im Laufe des 27. Februar 2013 für jeden Verkehrsteilnehmer erkennbar geworden, dass der Pfalzplatz am Sonntag, dem 3. März 2013 ab 7.00 Uhr nicht mehr habe befahren und nicht als Parkplatz genutzt werden dürfen. Es habe ausgereicht, die Verkehrszeichen an der einzigen Zufahrt anzubringen. Dies entspreche dem Interesse, die Anzahl der Verkehrszeichen zu verringern. Für den Parkenden habe sich aus den Schildern im Zufahrtsbereich das Gebot wegzufahren ergeben. Denn jeder Verkehrsteilnehmer müsse sich vor Ort informieren, ob es erlaubt sei zu parken. Die Verkehrszeichen seien auch gegenüber dem Kläger bekannt gemacht worden, obgleich dieser nicht anwesend gewesen sei. Denn Verkehrszeichen wirkten gegenüber jedem, auch dem Kläger, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrgenommen habe oder nicht.

Der Abschleppvorgang sei verhältnismäßig gewesen. Die Beklagte habe den Halter nicht erreichen können. Es habe ein besonderes öffentliches Interesse daran bestanden, den Pfalzplatz für den Sommertagsumzug als Festplatz zu nutzen.

Die Kostenforderung sei auch nicht unverhältnismäßig. Entgegen der Ansicht des Klägers gebe es keinen Vertrauensschutz dafür, dass ein zunächst rechtmäßiges Dauerparken an einer bestimmten Stelle unbegrenzt erlaubt bleibe. Umgekehrt könne von einem Dauerparker nicht erwartet werden, dass er stündlich oder täglich sein Fahrzeug überwache und prüfe bzw. prüfen lasse, ob sich die Verkehrsregelungen geändert hätten. Ansonsten bestünde kein Unterschied zwischen Kurzzeit- und Dauerparkplätzen. Die Kostenbelastung sei jedenfalls dann verhältnismäßig, wenn das Fahrzeug am vierten Tag nach Aufstellung der Verbotsschilder abgeschleppt worden sei. Hier habe die Beklagte die Verkehrsschilder am Mittwoch, den 27. Februar 2013, aufgestellt. Erst nach Ablauf von drei vollen Tagen, am Sonntag, den 3. März 2013, habe sie das Fahrzeug des Klägers abgeschleppt. Es sei dem Kläger auch auf einem Dauerparkplatz zumutbar gewesen, innerhalb dieser drei Tage Vorlaufzeit zu kontrollieren oder kontrollieren zu lassen, ob das Parken weiter zulässig sei.

Gegen das Urteil kann der Kläger die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht beantragen.

Volltext des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt vom 27. Januar 2015 - 5 K 444/14.NW:


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenbescheid für das Abschleppen seines Fahrzeugs.

Der Kläger stellte sein Fahrzeug am Mittwoch, den 27. Februar 2013, um 7.00 Uhr auf dem Pfalzplatz in Haßloch ab. Er wollte sich mit Freunden treffen, um gemein-sam in den Urlaub zu fahren. Zu diesem Zeitpunkt war das Parken auf dem Pfalz-platz erlaubt. Mehrere Schilder an den umliegenden Straßen und im Zufahrtsbe-reich des Pfalzplatzes wiesen hin auf „Pfalzplatz unbegrenzt P“. Auf dem Pfalz-platz selbst stehen keine Parkschilder.

Ebenfalls am Mittwoch, den 27. Februar 2013, zu einer späteren Zeit, stellte die Beklagte an der Schillerstraße, der einzigen Zufahrt zum Pfalzplatz, folgende Ver-kehrsschilder auf: Verkehrszeichen 283 (absolutes Halteverbot) und 250 (Verbot der Einfahrt) sowie Zusatzzeichen „Sonntag, 03.03.2013 ab 7.00 Uhr“. Grundlage für die Aufstellung der Verkehrsschilder war die verkehrspolizeiliche Anordnung der Beklagten vom 7. Februar 2013 zum Sommertagsumzug, der am 3. März 2013 stattfinden sollte. Nach der Anordnung sollte die gesamte Beschilderung bis spätestens am Donnerstag, den 28. Februar 2013, aufgestellt werden. Eventuelle gegensätzliche Schilder sollten bis spätestens sonntags, 11.00 Uhr, abgehängt bzw. abgeklebt werden. Am Sonntag um 10.00 Uhr wurden auch die Schilder „Pfalzplatz unbegrenzt P“ nach Angaben der Beklagten gemäß der Anordnung mit Müllsäcken abgedeckt.

Am Sonntag, den 3. März 2013, um 12.15 Uhr wurde das Auto des Klägers abge-schleppt. Der Kläger konnte nicht informiert werden, da seine Nummer nicht im Telefonbuch eingetragen war.

Mit Schreiben vom 7. März 2013 hörte die Beklagte den Kläger zu dem Vorgang an.

Mit Bescheid vom 3. April 2013 zog die Beklagte den Kläger zu den Kosten für die Abschleppmaßnahme in Höhe von insgesamt 207,00 € heran. Die Kosten setzten sich zusammen aus 178,50 € Entgelt für das Abschleppunternehmen, 25,00 € Verwaltungsgebühren und eine Zustellungsgebühr von 3,50 €. Dagegen legte der Kläger am 23. April 2013 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2014, dem Kläger zugegangen am 10. April 2014, wies der Kreisrechtsausschuss der Kreisverwaltung Bad Dürkheim den Widerspruch des Klägers zurück. Er begründete dies damit, dass die Ver-kehrsschilder wirksam bekannt gemacht worden seien. Der Kläger habe keinen Anspruch oder ein schutzwürdiges Vertrauen auf einen Dauerparkplatz. Die Ab-schleppmaßnahme sei verhältnismäßig gewesen, da der Pfalzplatz für den Som-mertagsumzug habe in Anspruch genommen werden müssen.

Dagegen hat der Kläger am Montag, den 12. Mai 2014, Klage erhoben. Er trägt vor, die Beklagte könne nicht mit Schildern dafür werben, dass die Autofahrer den Pfalzplatz zum unbegrenzten Parken benutzen und dann den Pfalzplatz als Sam-melstelle für den Umzug nutzen. Durch die Hinweisschilder auf unbegrenztes Par-ken, sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Auf dem Pfalzplatz selbst, wo der Kläger sein Fahrzeug abgestellt habe, seien keine Verkehrszeichen aufge-stellt worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Gemeindeverwaltung Haßloch vom 3. April 2013 (Az.: …) in Form des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2014 (Az.: KRA-Nr. ……..), zugestellt am 10. April 2013, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt ergänzend vor, der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz beru-fen. Der Sommertagsumzug werde bereits ab Januar am Ortseingang angekün-digt und beworben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze sowie den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2015 war.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kostenbescheid der Beklagten vom 3. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Voraussetzungen der Kostenpflicht für eine Ersatzvornahme lagen gemäß § 63 Abs. 1 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz – LVwVG – vor. Nach § 63 Abs. 1 LVwVG kann die Vollstreckungsbehörde auf Kosten des Vollstreckungs-schuldners eine Handlung vornehmen lassen, wenn dieser seine Handlungspflicht nicht erfüllt.

Die Handlungspflicht des Klägers ergab sich aus § 41 Abs. 1 Straßenverkehrsord-nung – StVO – in Verbindung mit den Verkehrszeichen 283 (absolutes Haltever-bot) und 250 (Verbot der Einfahrt) und dem Zusatzzeichen „Sonntag, 03.03.2013 ab 7.00 Uhr“ gemäß der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO. Durch die Verbindung von Halteverbot und Einfahrtsverbot an der einzigen Zufahrt (Schillerstraße) zum Pfalzplatz war für jeden Verkehrsteilnehmer im Laufe des Mittwochs, den 27. Feb-ruar 2013, erkennbar geworden, dass der Pfalzplatz nicht befahren und nicht als Parkplatz genutzt werden durfte. Es reichte aus, die Verkehrszeichen an der ein-zigen Zufahrt anzubringen. Dies entspricht dem Interesse, die Anzahl der Ver-kehrszeichen zu verringern (vgl. VV zu §§ 39-43 StVO Ziff. 1 S. 2 und Hamburgisches OVG, Urteil vom 11. Februar 2002 – 3 Bf 237/00 -, juris). Auf dem Pfalzplatz selbst befanden sich keine Schilder, die das normale Parken erlaubt hätten. Für den Parkenden ergab sich aus den Schildern im Zufahrtsbereich das Gebot wegzufahren. Denn jeder Verkehrsteilnehmer muss sich vor Ort informieren, ob es erlaubt ist zu parken. Ihn treffen im ruhenden Verkehr höhere Sorgfalts- und In-formationspflichten als im fließenden Verkehr (OVG NRW, Beschluss vom 11. Juni 1997 – 5 A 4278/95 –, juris).

Die Verkehrszeichen wurden auch gegenüber dem Kläger bekannt gemacht, ob-gleich dieser nicht anwesend war. Als Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – wurden sie gemäß § 41 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 43 Abs. 1 VwVfG gegenüber demjenigen, für den sie bestimmt sind, und der von ihnen betroffen ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie bekannt gegeben wurden. Sie wirkten gegenüber jedem, auch dem Kläger, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnahm oder nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 – 11 C 15/95 –, juris). Das Wegfahrgebot war gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO analog sofort vollziehbar (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 22. Mai 1990 – 11 UE 2056/89 –, juris).

Die Beklagte übte ihr Ermessen auch ordnungsgemäß aus. Es war verhältnismä-ßig, das Fahrzeug abzuschleppen. Die Beklagte konnte den Halter nicht erreichen. Es bestand ein besonderes öffentliches Interesse daran, den Pfalzplatz für den Sommertagsumzug als Festplatz zu nutzen.

Der Kostenbescheid war auch nicht unverhältnismäßig (sogenannte Sekundär-ebene). Die Beklagte ging zu Recht davon aus, dass es nicht ausnahmsweise un-angemessen und unzumutbar war, den Kläger zu den Kosten heranzuziehen (vgl. zu § 6 Abs. 2 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – POG – OVG RP, Urteil vom 1. Oktober 1996 – 7 A 11677/95.OVG –). Nach der Rechtsprechung wird eine sol-che Ausnahme von der Kostentragungspflicht insbesondere in folgenden Fällen gemacht: Der Fahrzeugführer parkte sein Fahrzeug rechtmäßig, nachträglich ent-stand aber eine Situation, wonach er rechtswidrig parkte. Diese Änderung der Verkehrslage kündigte die Behörde jedoch nicht früh genug an. Entgegen der An-sicht des Klägers gibt es allerdings keinen Vertrauensschutz dafür, dass ein zu-nächst rechtmäßiges Dauerparken an einer bestimmten Stelle unbegrenzt erlaubt bleibt.

Umgekehrt kann von einem Dauerparker aber auch nicht erwartet werden, dass er stündlich oder täglich sein Fahrzeug überwacht und prüft bzw. prüfen lässt, ob sich die Verkehrsregelungen geändert haben. Ansonsten bestünde kein Unterschied zwischen Kurzzeit- und Dauerparkplätzen (vgl. BayVGH, Urteil vom 17. April 2008 – 10 B 08.449 –, juris). Daher hat die Rechtsprechung in zahlrei-chen Fällen entschieden, dass die Kostenbelastung jedenfalls dann verhältnismäßig ist, wenn das Fahrzeug abgeschleppt wurde am vierten Tag nachdem die Ver-botsschilder aufgestellt wurden (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 – 11 C 15/95 –, juris; BayVGH, Urteil vom 17. April 2008 – 10 B 08.449 –, juris m. w. N. zu möglichen kürzeren Mindestvorlaufzeiten nach den konkreten Umständen des Einzelfalls).

Das Kostenrisiko trifft nach dieser Vorlaufzeit bei längerfristigem Parken denjenigen, der die Sachherrschaft über sein Fahrzeug hat und Vorsorge treffen kann, falls sich die Verkehrslage innerhalb die-ses absehbaren Zeitraums ändert. Dieses Kostenrisiko soll nicht die Allgemeinheit tragen. Kann oder will der Fahrzeughalter nicht kontrollieren, ob die Verkehrsverhältnisse sich geändert haben, so kann er sich nicht darauf berufen, dass sich die Verkehrsregelung geändert hat (vgl. SächsOVG, Urteil vom 23. März 2009 – 3 B 891/06 –, juris).

Die Beklagte stellte die Verkehrsschilder am Mittwoch, den 27. Februar 2013, auf. Erst nach Ablauf von drei vollen Tagen, am Sonntag, den 3. März 2013, schleppte sie das Fahrzeug des Klägers ab. Es war dem Kläger auch auf einem Dauerparkplatz zumutbar, innerhalb dieser drei Tage Vorlaufzeit zu kontrollieren oder kontrollieren zu lassen, ob das Parken weiter zulässig war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.