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Änderungskündigung wegen Fremdvergabe eines Museumsshops

31. Mar
2015

 - 0Das Arbeitsgericht Stuttgart hat in seinen Leitsätzen ausgeführt, dass die Entscheidung des öffentlichen Arbeitgebers, einen Museumsshop an einen externen Betreiber zu vergeben eine unternehmerische Entscheidung darstellt, die nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen ist. Sie ist Bestandteil der durch Art. 12, 14, 2 Abs. 1 Grundgesetz geschützten unternehmerischen Freiheit. Eine solche Maßnahme ist geeignet, die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist eines Arbeitnehmers zu rechtfertigen, der aufgrund einer tarifvertraglichen Bestimmung ordentlich unkündbar ist. Das gilt in gleicher Weise für eine Änderungskündigung.

Bestehen alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, ist vorrangig eine Änderungskündigung auszusprechen. Der besondere Kündigungsschutz wirkt sich auf die Darlegungslast des Arbeitgebers aus. Dieser hat gegenüber einer ordentlichen Änderungskündigung erheblich gesteigerte Bemühungen bei der Prüfung der Frage zu entfalten, welche Vertragsänderungen er dem Arbeitnehmer mit dem Änderungsangebot zumutet. Die Suche nach gleichwertigen Tätigkeiten beschränkt sich nicht auf den - vorliegend musealen - Bereich, in welchem der Arbeitnehmer bisher beschäftigt war. Die Prüfung von Beschäftigungs- und Einsatzmöglichkeiten erstreckt sich auf sämtliche Geschäftsbereiche des betreffenden öffentlichen Arbeitgebers im Rahmen seines gesamten territorialen Einflussbereichs. Hierzu hat der öffentliche Arbeitgeber von sich aus umfassend vorzutragen.

Volltext des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 8.10.2014 - 11 Ca 2434/14:


Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 27.03.2014 sozial ungerechtfertigt ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und das beklagte Land zu 2/3.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 5.628,96.


Tatbestand

1

Zwischen den Parteien ist die Wirksamkeit der außerordentlichen Änderungskündigung mit Auslauffrist im Streit.

2

Die Klägerin ist Jahrgang 1955, verheiratet und trat zum 08.12.1993 in die Dienste des beklagten Landes. Die Klägerin wurde zunächst als Kassenkraft in der S. in einem der beiden Museumsshops eingesetzt, in welchem auch Eintrittskarten verkauft wurden. Seit über 10 Jahren wird nur noch ein Museumsshop betrieben, in welchem die Klägerin tätig ist. Die Eintrittskasse ist seitdem Bestandteil einer Informationstheke, an welcher Besuchern überwiegend fachliche Auskünfte, auch in Fremdsprachen, erteilt werden. Die dortigen Mitarbeiter sind in die Vergütungsgruppe E 6 TV-L eingruppiert. Die Klägerin erzielte zuletzt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 27,96 Stunden EUR 1.876,32 brutto monatlich nach der Vergütungsgruppe E 5 TV-L.

3

Auf das Arbeitsverhältnis findet § 34 Abs. 2 TV-L Anwendung, der lautet:

4

„Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und unter die Regelungen des Tarifgebiets West fallen, können nach einer Beschäftigungszeit (Absatz 3 Satz 1 und 2) von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Soweit Beschäftigte nach den bis zum 31. Oktober 2006 geltenden Tarifregelungen unkündbar waren, bleiben sie unkündbar.“

5

Aus wirtschaftlichen Gründen wurde der seit langem defizitäre Museumsshop mit Wirkung zum 13.09.2013 an einen externen Betreiber übergeben. Einen Wechsel zu diesem als Arbeitgeber lehnte die Klägerin ebenso ab wie einen Wechsel in den Aufsichtsdienst unter Anwendung der Vergütungsgruppe E 3 TV-L. Gleichwohl wurde die Klägerin seit dem 01.11.2013 im Aufsichtsdienst zunächst unter Fortzahlung der Vergütung nach der Gruppe E 5 TV-L eingesetzt.

6

Nach Anhörung des Personalrats mit Schreiben vom 03.03.2014 (Abl. 21 ff.), der sich hierauf nicht äußerte, erklärte die S. mit Schreiben vom 27.03.2014 die außerordentliche Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2014 und bot der Klägerin mit Wirkung ab 01.10.2014 die Weiterbeschäftigung als Aufsichtskraft im Besucherservice mit Eingruppierung in die Entgeltgruppe 3 TV-L bei ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen an (Abl. 5). Die Klägerin hat das Angebot unter Vorbehalt angenommen und am 17.04.2014 Klage eingereicht.

7

Die Klägerin trägt vor und vertritt die Ansicht, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei unwirksam. Sie bestreitet die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats und das Vorliegen von Kündigungsgründen. An der Kasse würden zum Teil im Wechsel mit Aufsichtstätigkeiten Arbeitskräfte mit kürzerer Betriebszugehörigkeit eingesetzt, die früher ausschließlich Aufsichtstätigkeiten ausgeübt hätten. Alleine im Museumsbereich gebe es ständig neue Einstellungen, wie das Inserat „Unterstützung des Buchungsservices“ zeige (Abl. 45). Das beklagte Land habe andere, weniger belastende Einsatzmöglichkeiten nach den Entgeltgruppen 5 und 4 TV-L nicht geprüft. Ungenügend sei die behauptete Anfrage bei allen Landesmuseen in S. und K. und bei der W. - ein zoologisch-botanischer Garten - ob es Stellen für Shop-Mitarbeiterinnen gebe (hierzu Abl. 46). Dem beklagten Land seien verstärkte Anstrengungen um eine angemessene, gleichwertige Beschäftigung der Klägerin zuzumuten.

8

Die Klägerin beantragt zuletzt:

9

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 27.03.2014 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

10

Das beklagte Land beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Das beklagte Land trägt vor und vertritt die Ansicht, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei gerechtfertigt. Mit der Fremdvergabe des Museumsshops könne die Klägerin nicht unverändert weiterbeschäftigt werden. Einem Arbeitgeberwechsel habe sie widersprochen. Freie Stellen der Vergütungsgruppe E 5 TV-L habe es bei Ausspruch der Kündigung bei der S. nicht gegeben. Auch die sonstigen Landesmuseen in S. und K. sowie die W. hätten keine freien Stellen für Shop-Mitarbeiterinnen in der Entgeltgruppe 5 gehabt. Eine Beschäftigung der Klägerin an der Info-Theke, wo auch die Kassenarbeit miterledigt werde, komme nicht in Betracht. Handele es sich dabei doch um höherwertige Tätigkeiten, was die höhere Eingruppierung der dort beschäftigten Arbeitskräfte rechtfertige, auch wenn diese zeitweise als Aufsicht zum Einsatz kämen. Damit verbleibe nur die mit der Änderungskündigung angestrebte Beschäftigung der Klägerin im Aufsichtsdienst, die nach der Vergütungsgruppe E 3 TV-L zu bewerten sei. Ohne Erfolg rüge die Klägerin die Beteiligung des Personalrats.

13

Der Einzelheiten wegen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die bezeichneten Anlagen, sowie die Sitzungsniederschrift vom 08.10.2014 (Abl. 47, 48) Bezug genommen, § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO.


Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Änderungskündigung vom 27.03.2014 ist rechtsunwirksam. Das beklagte Land hat nicht dargelegt, dass eine Weiterbeschäftigung der Klägerin zu Bedingungen nicht möglich ist, die die Klägerin insbesondere finanziell weniger belasten.

A

15

Die Klage ist zulässig. Zwar wurde die Klageschrift zunächst am 10.04.2014 ohne Unterschrift bei Gericht eingereicht. Die am 17.04.2014 vorab per Telefax eingereichte und unterschriebene Klage ist aber noch fristwahrend im Sinne des § 4 KSchG.

16

Der entsprechenden Anwendung der §§ 2, 4 Satz 2 KSchG auf außerordentliche Änderungskündigungen steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG keine Verweisung auf § 2 KSchG enthält.

17

Der Zweck des § 2 KSchG verlangt danach, dass der Arbeitnehmer die Wirksamkeit auch einer außerordentlichen Änderungskündigung gerichtlich überprüfen lassen kann, ohne zugleich den Verlust des Arbeitsplatzes insgesamt riskieren zu müssen (BAG 28.10.2010 - 2 AZR 688/09 - Rz 12, Juris).

B

18

Die Klage ist begründet. Die Kündigung verstößt gegen § 34 Abs. 2 TV-L, der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unstreitig anzuwenden ist.

I

19

Die Änderungskündigung verstößt nicht bereits gegen § 34 Abs. 2 Satz 2 TV-L in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BAT. Nach dieser Vorschrift konnte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis bei Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich war, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen. Soweit nach § 34 Abs. 2 Satz 2 TV-L es bei der Unkündbarkeit „verbleibt“, betrifft dies nur die tarifliche Unkündbarkeit als solche, nicht auch deren einzelne Modalitäten (BAG 28.10.2010 - 2 AZR 688/09 - Rz 20 ff., Juris, 27.11.2008 - 2 AZR 757/07 - Rz 13 ff., Juris).

II

20

Gemäß § 34 Abs. 2 TV-L konnte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin, die im Zeitpunkt der Kündigung das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Mit dem Begriff des „wichtigen Grundes“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, die das Vorliegen eines solchen Grundes voraussetzt (BAG 26.11.2009 - 2 AZR 272/08 - Rz 12, Juris).

21

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

22

a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten.

23

b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung kommt aber in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde. Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und Nachteilen für den gerade besonders geschützten Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber bei einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Kündigung zwingend eine der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist einzuhalten.

24

c) Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB kann sich - ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG - aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher, von äußeren Faktoren nicht „erzwungener“ Maßnahmen ergeben. Die einer betrieblich-organisatorischen Maßnahme zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist.

25

aa) Die unternehmerische Entscheidung zur Umorganisation ist mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit, Unvernunft oder Willkür frei. Für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte unternehmerische Organisationsentscheidung spricht die Vermutung, dass sie aus sachlichen - wirtschaftlichen - Gründen getroffen wurde, Rechtsmissbrauch also die Ausnahme ist. Darauf, ob die Maßnahme für den Bestand des Unternehmens notwendig, gar zwingend notwendig ist, kommt es nicht an. Es kann unter Geltung von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG nicht darum gehen, dem Unternehmer die fragliche organisatorische Maßnahme als solche gerichtlich zu untersagen, sondern nur darum, ob ihre tatsächliche Umsetzung eine Kündigung rechtfertigt.

26

bb) Das gilt gleichermaßen in Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist, dessen Arbeitsverhältnis nur außerordentlich nach § 626 BGB gekündigt werden kann. Die Gestaltung des Betriebs, die Antwort auf die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, sind Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen. Der Arbeitgeber muss deshalb regelmäßig auch dann nicht von einer Fremdvergabe von Tätigkeiten absehen, wenn dadurch einem ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitsverhältnis die Grundlage entzogen wird. Ob ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gegeben ist, hängt in diesen Fällen davon ab, ob jedwede Möglichkeit ausgeschlossen ist, den Arbeitnehmer anderweitig sinnvoll einzusetzen, und der Arbeitgeber wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung für erhebliche Zeiträume an ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis gebunden und aus diesem zur Vergütung verpflichtet wäre. Der in Tarifverträgen an eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit und ein bestimmtes Lebensalter geknüpfte Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist regelmäßig nicht dahin zu verstehen, dass damit die Möglichkeit einer betriebsbedingten Kündigung generell - auch als außerordentliche - zumindest für die Fälle ausgeschlossen sein soll, in denen der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses auf wirtschaftlich nicht zwingend notwendigen unternehmerischen Organisationsentscheidungen beruht (im Einzelnen mit zahlreichen weiterführenden Nachweisen BAG 20.06.2013 - 2 AZR 379/12 - Rz 13 ff., Juris; 22.11.2012 - 2 AZR 674/11 - Rz 12 ff., Juris).

27

2. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L gilt auch für eine Änderungskündigung. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Änderungskündigung setzt voraus, dass die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig ist und die geänderten Bedingungen dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sind.

28

a) Die Voraussetzungen einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Änderungskündigung sind beträchtlich und gehen über die Anforderungen an eine ordentliche Änderungskündigung deutlich hinaus.

29

aa) Bereits eine ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung kann nur dann wirksam sein, wenn das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist und sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung, d.h. die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.

30

bb) Für die außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung müssen demgegenüber erheblich verschärfte Maßstäbe gelten. Andernfalls bliebe der vereinbarte Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit wirkungslos. Der besonderen Bindung muss der Arbeitgeber insbesondere bei Prüfung der Frage, welche Vertragsänderungen er dem Arbeitnehmer mit dem Änderungsangebot zumutet, gerecht werden. Bestehen mehrere Möglichkeiten der Änderung der Arbeitsbedingungen zur Verfügung, so fordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diejenige auch ihm zumutbare Änderung anbietet, die den Gekündigten am wenigsten belastet.

31

Dieser Prüfungsmaßstab gilt auch, wenn die Änderungskündigung infolge eines Widerspruchs des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 6 BGB erfolgt.

32

b) Im Prozess wirkt sich die mit der Unkündbarkeit übernommene Verpflichtung des Arbeitgebers auch bei seiner Darlegungslast aus. Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar sein, dass er auch unter Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen besonderen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, die durch die unternehmerische Entscheidung notwendig gewordene Anpassungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken.

33

Wenn neben der Tätigkeit auch die Vergütung des Arbeitnehmers geändert werden soll, sind beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Eine gesonderte Rechtfertigung des Vergütungsangebots ist nur dann entbehrlich, wenn dieses sich aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt (sogenannte Vergütungssystematik). Ist die Veränderung der Tätigkeit als solche unabweisbar und daher geeignet, eine darauf gerichtete außerordentliche Änderungskündigung zu rechtfertigen, so gilt dies auch hinsichtlich der Änderung der Eingruppierung (im Einzelnen sowie mit zahlreichen Nachweisen zu Rechtsprechung BAG 28.10.2010 - 2 AZR 688/09 - Rz 31 ff., Juris; 27.11.2008 - 2 AZR 757/07 - Rz 24 ff., Juris; 02.03.2006 - 2 AZR 64/05 - Rz 27 ff., Juris; 26.03.2009 - 2 AZR 879/07 - Rz 50 ff., Juris).

34

c) Diese Grundsätze wurden durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts weiter konkretisiert:

35

aa) Nach den Umständen des Einzelfalles kann deshalb der Arbeitgeber verpflichtet sein, auch Arbeitsplätze in Betracht zu ziehen, die zwar nicht bei ihm selbst, wohl aber bei einem Konzernunternehmen bestehen (BAG 22.11.2012 - 2 AZR 674/11 - Rz 38 ff., Juris).

36

bb) Nach den Umständen trifft den Arbeitgeber die Pflicht, mit allen zumutbaren Mitteln, ggf. durch eine entsprechende Umorganisation und das Freimachen geeigneter gleichwertiger Arbeitsplätze, eine Weiterbeschäftigung - ggf. auch bei anderen Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes - zu versuchen (BAG 06.10.2005 - 2 AZR 362/04 - Rz 31, Juris). Der Arbeitgeber hat zur Vermeidung einer Kündigung alle in Betracht kommenden Beschäftigungs- und Einsatzmöglichkeiten von sich aus umfassend zu prüfen und eingehend zu sondieren. In diese Prüfung sind nicht nur die in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b KSchG genannten Arbeitsplätze in derselben Dienststelle oder einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets einzubeziehen. Die Prüf- und Sondierungspflichten des Arbeitgebers gehen - wie auch sonst bei der außerordentlichen Kündigung - deutlich darüber hinaus. Sie erstrecken sich im Grundsatz auf sämtliche Geschäftsbereiche des betreffenden öffentlichen Arbeitgebers und zwar im Rahmen seines gesamten territorialen Einflussbereichs (BAG 26.11.2009 - 2 AZR 272/08 - Rz 35).

37

cc) Eine Pflicht des Arbeitgebers, zugunsten des ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers den Arbeitsplatz eines ordentlich kündbaren Arbeitnehmers frei zu kündigen, ist allerdings nicht anzunehmen (vgl. hierzu BAG 18.05.2006 - 2 AZR 207/05 - Rz 27 ff., Juris).

III

38

Gemessen an diesen Grundsätzen hält die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 27.03.2014 einer Überprüfung nicht stand.

39

1. Allerdings ist die Entscheidung der S. nicht zu beanstanden, den Museumsshop zum 13.09.2013 an einen externen Betreiber zu vergeben.

40

a) Sie musste davon nicht deswegen Abstand nehmen, um der Klägerin und ihren Kolleginnen eine unveränderte Beschäftigungsmöglichkeit bis zum Erreichen der Altersgrenze zu belassen. Das wäre mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Art. 12, 14, 2 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren.

41

b) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Shop zum 13.09.2013 von einem externen Betreiber übernommen wurde. Ohne Weiteres ist davon auszugehen, dass dem eine entsprechende gestaltende Unternehmerentscheidung zugrunde liegt. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Das beklagte Land hat sich auf entsprechende Beanstandungen des Landesrechnungshofs berufen, die sich auf den langjährigen defizitären Betrieb des Museumsshops gründen.

42

c) Damit ist auch dauerhaft eine Beschäftigung der Klägerin zu den bisherigen Arbeitsbedingungen in Wegfall geraten. Denn die Klägerin hat der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Museumsshop bei dem externen Betreiber widersprochen und das beklagte Land betreibt in der S. keinen eigenen Museumsshop mehr. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die Klägerin könnte - etwa im Wege der Personalgestellung - unter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei dem beklagten Land im Museumsshop der S. weiterbeschäftigt werden, zumal es sich bei dem Betreiber um eine Rechtsperson des privaten Rechts handelt.

43

2. Ohne Erfolg rügt die Klägerin, die Kündigung sei unwirksam nach Maßgabe des § 626 Abs. 2 BGB wegen Ablaufs der zweiwöchigen Erklärungsfrist. Denn die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt stets von Neuem, der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs ist ein „Dauertatbestand“ (BAG 20.06.2013 - 2 AZR 379/12 - Rz 32, Juris). Es ist deshalb unschädlich, dass das beklagte Land über ein halbes Jahr mit dem Ausspruch der Änderungskündigung zuwartete; das mag der Hoffnung geschuldet sein, man werde sich mit der Klägerin über die Tätigkeit im Aufsichtsdienst und über die abzusenkende Vergütung verständigen.

44

3. Zu einer solchen Verständigung ist es zwischen den Parteien jedoch nicht gekommen. Zwar hat die Klägerin zum 01.11.2013 die Tätigkeit im Aufsichtsdienst angetreten. Mit der Absenkung ihrer Vergütung auf die der Vergütungsgruppe E 3 TV-L entsprechende hat sie sich jedoch zu keinem Zeitpunkt bereiterklärt. Keine der Parteien geht davon aus, es sei zwischen ihnen zu einer wirksamen Vertragsänderung gekommen.

45

4. Damit lag ein betriebsbedingter Grund vor, der die Beendigung oder Änderung des Arbeitsverhältnisses der Parteien bedingt. Angesichts der bestehenden alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten hat das beklagte Land zu Recht eine Änderungs- und keine Beendigungskündigung ausgesprochen. Sie stellt sich gleichwohl als rechtsunwirksam dar, weil das beklagte Land zur Überzeugung des Gerichts nicht dargelegt hat, dass weitere alternative Beschäftigungsmöglichkeiten geprüft wurden, die die Klägerin weniger belasten.

46

a) Allerdings hat die Klägerin nach Auffassung der Kammer keinen Anspruch darauf, dass ihr eine Beschäftigung an der Infotheke angeboten wird. Denn auch nach den Darlegungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 08.10.2014 handelt es sich bei den Tätigkeiten an der Infotheke um höherwertige gegenüber denjenigen im Museumsshop. Die Tätigkeiten sind insbesondere nicht mit den früheren Tätigkeiten der Klägerin an der Kasse vergleichbar, als jene noch in den beiden Museumsshops geführt wurde. Nach der mündlichen Verhandlung ist die Kammer im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass die Mitarbeiter, die zeitlich überwiegend Arbeiten an der Infotheke verrichten, nach der Vergütungsgruppe E 6 TV-L eingruppiert sind. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass diese Arbeitskräfte früher bzw. vorübergehend im Aufsichtsdienst beschäftigt wurden. Die Klägerin hat auch nicht näher ausgeführt, jene Mitarbeiter seien zu Unrecht in die Vergütungsgruppe E 6 TV-L eingruppiert. Kann sich aber die Klägerin nach tätigkeitsbezogenen Merkmalen mit den Arbeitskräften an der Infotheke nicht vergleichen, kommt ein Tausch aufgrund der höheren sozialen Schutzbedürftigkeit bzw. des Sonderkündigungsschutzes nach § 34 Abs. 2 TV-L nicht in Betracht. Das würde zum einen zu einer Beförderung der Klägerin führen, was dem durch § 34 Abs. 2 TV-L vermittelten Bestandschutz nicht gerecht wird. Zum anderen besteht zugunsten der Klägerin kein Anspruch darauf, dass ihr ein entsprechender Arbeitsplatz frei gekündigt wird (kritisch auch BAG 18.05.2006 - 2 AZR 207/05 - Rz 27 ff., Juris).

47

b) Gleichwohl stellen sich die Änderung der Arbeitsbedingungen als rechtsunwirksam dar. Denn das beklagte Land hat seiner Prüfungspflicht nicht entsprochen, die Klägerin ggf. auch bei anderen Dienststellen vertragskonform zu beschäftigen, d.h. insbesondere mit Tätigkeiten der Wertigkeit der Vergütungsgruppe E 5 TV-L. Das hat die Klägerin ausdrücklich gerügt und damit die ohnehin nicht von vornherein auszuschließende Bereitschaft bekundet, auch außerhalb der S. bzw. des Museumsdienstes tätig zu werden, wenn die bisherige Vergütungsgruppe beibehalten werden kann.

48

aa) Nach dem Vorbringen des beklagten Landes hat die S. vor Ausspruch der Änderungskündigung bei allen in Frage kommenden Museen in K. und S. sowie bei der W. Informationen über freie Stellen eingeholt. Hierzu wurde das Schreiben vom 24.03.2014 an den Personalrat vorgelegt (Abl. 46). Daraus ergibt sich, dass sich die Anfrage zum einen beschränkte auf den musealen Bereich, beginnend mit dem L. S. und endend mit der St. K. K.. Daraus ergibt sich des Weiteren, dass sich die Anfragen reduzierten auf die jeweiligen Shops bzw. Museumsshops. Aus dem Schreiben ergibt sich, dass die jeweiligen Shops entweder fremdvergeben bzw. verpachtet seien oder aber keine freien Stellen zu besetzen seien.

49

bb) Daraus folgt indessen nicht, dass bei den genannten Einrichtungen keine sonstigen E 5-Stellen vorhanden waren. Darüber hinaus hätte in die Prüfung nicht nur der Geschäftsbereich der Museen einbezogen werden dürfen. Die Prüf- und Sondierungspflichten des Arbeitgebers gehen darüber deutlich hinaus. Es liegt auf der Hand, dass das beklagte Land als Arbeitgeber der Klägerin zahlreiche weitere Geschäftsbereiche unterhält, in welchen ggf. adäquate Stellen zu besetzen waren.

50

cc) Hinzutritt, dass spätestens seit dem 13.09.2013 - vermutlich aber bereits erhebliche Zeit zuvor - der Wegfall der Arbeitsplätze im Museumsshop absehbar war. Bis zum Ausspruch der Kündigung am 27.03.2014 bestand deshalb ein erhebliches Zeitfenster, alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu sondieren. Ungenügend ist es, wenn der Arbeitgeber erst kurz vor Ausspruch der Kündigung „routinemäßig“ bei verschiedenen Einrichtungen abfragt, ob derzeit freie Stellen zu besetzen seien. Daraus wird nicht einmal ersichtlich, ob die Erkenntnis, freie Stellen seien nicht vorhanden, auch mindestens für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gilt. Dass ggf. freie Stellen zur Bewerbung ausgeschrieben waren und die Klägerin sich von sich aus hierauf hätte bewerben können, reicht insoweit nicht aus. Erforderlich ist ein an den betroffenen Arbeitnehmer gerichtetes konkretes Vertragsangebot (BAG 26.03.2009 - 2 AZR 879/07 - Rz 32, Juris).

51

d) Nachdem die Klägerin ausdrücklich gerügt hat, mit den behaupteten Bemühungen des beklagten Landes sei es nicht getan, hätte dieses zu fehlenden gleichwertigen Stellen ergänzend vortragen müssen, um seiner Darlegungslast zu genügen. Nur wenn das beklagte Land seinen Prüfungs- und Sondierungspflichten betreffend alternative Beschäftigungsmöglichkeiten in umfassenderer Weise entsprochen hätte, hätte die Klägerin ergänzend zu den vorhandenen bzw. fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten vortragen müssen, die die angebotene Tätigkeit im Aufsichtsdienst vergütet nach der Gruppe E 3 TV-L als mildestes Mittel von mehreren zur Auswahl stehenden erscheinen lassen.

52

Dem Klageantrag war deshalb zu entsprechen, wobei der Kammer ein - in der Sache unschädlicher - Tenorierungsfehler unterlaufen ist. Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist nicht unwirksam, da „sozial ungerechtfertigt“ (vgl. § 2 KSchG), sondern unwirksam nach Maßgabe des § 34 Abs. 2 TV-L i. V. m. § 626 I BGB.

C

53

Als unterlegene Partei hat das beklagte Land die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert war nach § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Seine Höhe entspricht dem 3-fachen Bruttomonatsverdienst der Klägerin, § 42 Abs. 2 GKG, weil dieser Betrag als Oberwert die 36-fache Differenz zwischen den Vergütungsgruppen E 5 und E 3 TV-L begrenzt (EUR 216,00 x 36).