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Klage von Arbeitnehmer-Gesellschafter am Arbeitsgericht - BAG 10 AZB 12/14

28. Sep
2014

 - 0Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft können nur dann ihre Ansprüche vor dem Arbeitsgericht geltend machen, wenn ein (arbeits-)rechtlicher Zusammenhang besteht.

Ein Vertriebsingenieur der auch zugleich Kommanditist einer KG war, verlangte die Zahlung einer Abfindung für Gesellschaftsanteile nach Austritt aus einer Kommanditgesellschaft sowie restliche Einlagen für den Kommanditanteil.

Zur Abfindung vereinbarten die Parteien wie folgt im Protokoll der Gesellschafterversammlung „S scheidet nun auf eigenen Wunsch ...als Gesellschafter ... aus. Nach Rücksprache mit dem mit der juristischen Abwicklung und Eintragung im Handelsregister beauftragten RA Dr. St tritt damit die im Gesellschaftervertrag § 17, 1 a/b beschriebene Abfindungsregelung für den von S gezeichneten (und bis zum Zeitpunkt der Kündigung unveränderten) Kommanditanteil von 32.000,00 Euro in Kraft. Demgemäß stehen S folgende Zahlungen zu: Auszahlung voller Buchwert seines Kommanditanteils...“

Die beklagte KG erteilte dem Kläger eine Berechnung der wechselseitigen Forderungen aus dem Gesellschaftsvertrag, der zufolge ihr noch 275.085,09 Euro zustehen, während der Kläger - ebenfalls aus den gesellschaftsvertraglichen Regeln - zu seinen Gunsten eine offene Forderung von 45.217,94 Euro errechnet.

Der Kläger hat beim Arbeitsgericht Klage erhoben auf Zahlung von 45.217,94 Euro nebst Feststellung, dass er aus dem mit der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnis sowie aus seiner ehemaligen Stellung als Gesellschafter keine Zahlungen schuldet. Die Beklagte hat die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte gerügt. Es handele sich nicht um eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis, sondern allein aus der gesellschaftsrechtlichen Verbindung der Parteien. Ein rechtlicher oder unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bestehe nicht.

Das BAG hat sich der Ansicht der Beklagten angeschlossen. Maßgeblich ist, ob die arbeitsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Ansprüche einem gemeinsamen Lebenssachverhalt entspringen, indem die prägenden Umständen des Gesellschaftsverhältnisses (Gewinn und Verlust, Einlagepflicht, Abfindung) abhängig sind von Arbeitsleistung und Vergütung gemäß Arbeitsvertrag. Wenn daher die beiden Rechtsverhältnisse voneinander weitgehend unabhängige Zwecke verfolgten und für sich wirtschaftlich funktionsfähig bleiben, fehlt es am unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang (BAG, Beschluss vom 16. April 2014 - 10 AZB 12/14).

Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den wechselseitig erhobenen Ansprüchen und dem Arbeitsverhältnis besteht nach Ansicht des BAG nicht. Die Parteien leiten ihre Zahlungsbegehren ebenso wie die erhobenen Einwendungen aus dem Gesellschaftsvertrag ab der rechtlich und wirtschaftlich nicht mit dem Arbeitsvertrag verknüpft ist. Mangels Zuständigkeit des Arbeitsgerichts war die Sache daher an das Zivilgericht zu verweisen.


Volltext des Beschluss des Bundesarbeitsgerichts BAG, Beschluss vom 16. April 2014 - 10 AZB 12/14:


Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 22. Januar 2014 - 10 Ta 16/13 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.


Gründe

I. Die Parteien streiten um die Zahlung einer Abfindung für Gesellschaftsanteile nach Austritt aus einer Kommanditgesellschaft sowie restliche Einlagen für den Kommanditanteil und in diesem Zusammenhang vorab um die Rechtswegzuständigkeit.

Der Kläger war auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags von November 2006 als Vertriebsingenieur bei einem Jahresgrundgehalt von zuletzt 95.000,00 Euro zzgl. Erfolgsprämie für die Beklagte tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche Kündigung des Klägers am 31. Dezember 2011.

Durch Aufnahmevertrag vom 1. Dezember 2008 trat der Kläger zum Januar 2009 gemeinsam mit Herrn B der beklagten Kommanditgesellschaft als Kommanditist mit einem Kapitalanteil von 32.000,00 Euro bei. An der Gesellschaft waren zum damaligen Zeitpunkt Herr C, Geschäftsführer der Beklagten, mit einem Kommanditanteil von 240.000,00 Euro, Herr J mit einem Kommanditanteil von 42.000,00 Euro, Herr E mit einem Kommanditanteil von 18.000,00 Euro sowie die W Verwaltungs GmbH als Komplementärin beteiligt. Im Gesellschaftsvertrag ist das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht erwähnt. Der Kläger kündigte zeitgleich mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch seine Beteiligung an der beklagten Kommanditgesellschaft zum Jahresende 2011.

Im Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 25. November 2011 wurde zum Ausscheiden des Klägers Folgendes festgehalten:

TOP 6:

Sonstiges

a) Ausscheiden S

Zum 1.1.2009 wurde S unter der Prämisse einer langfristigen Zusammenarbeit und mit dem Ziel, mittelfristig und gemeinsam einen Wertzuwachs der Gesellschaft zu erarbeiten, als Neugesellschafter unter begünstigten Bedingungen aufgenommen. Das Engagement war von allen Beteiligten langfristig ausgelegt, kurzfristiges Engagement wurde dementsprechend vertraglich unattraktiv gestaltet und vereinbart.

S scheidet nun auf eigenen Wunsch nach erteilter Kündigung und Zustimmung der übrigen Gesellschafter zur verkürzten Kündigungsfrist ordnungs- und wunschgemäß zum 31.12.2011 als Gesellschafter in der W Technik GmbH & Co. KG aus.

Nach Rücksprache mit dem mit der juristischen Abwicklung und Eintragung im Handelsregister beauftragten RA Dr. St tritt damit die im Gesellschaftervertrag § 17, 1 a/b beschriebene Abfindungsregelung für den von S gezeichneten (und bis zum Zeitpunkt der Kündigung unveränderten) Kommanditanteil von 32.000,00 Euro in Kraft.

Für eine anderslautende Regelung wäre die persönliche Risikoübernahme für die Gesellschaft durch zumindest einen der übrigen Gesellschafter notwendig. Diese wurde von allen übrigen Gesellschaftern abgelehnt.

Demgemäß stehen S folgende Zahlungen zu:

Auszahlung voller Buchwert seines Kommanditanteils, 3x durchschnittlicher voller Gewinnanteil der Jahre 2007 - 2011 (jeweils nach Gesellschaftervertrag § 17, 1 a/b), Auszahlung Steuersonderkonto, Auszahlung Gesellschafterdarlehenskonto

Gleichzeitig entsteht gegen ihn eine Forderung für:

Ausgleich seines Verlustausgleichskonto, Einzahlung der ausstehenden Einlage auf das Kommanditkapital und ausstehende Zuführung zu Rücklagen der Altgesellschafter, jeweils gemäß Aufnahmevertrag § 2 (2)

Forderung und Auszahlungsanspruch werden gegenseitig verrechnet, die verbleibende Forderung wird als Bilanzposition aufgenommen. In den kommenden Monaten wird mit S eine Vereinbarung getroffen auf welche Weise bzw. unter welchen Konditionen und in welchem voraussichtlichen Zeitraum dieser offene Betrag getilgt wird.“

Mit Schreiben vom 11. Januar 2013 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Berechnung der wechselseitigen Forderungen aus dem Gesellschaftsvertrag, der zufolge ihr noch 275.085,09 Euro zustehen, während der Kläger - ebenfalls aus den gesellschaftsvertraglichen Regeln - zu seinen Gunsten eine offene Forderung von 45.217,94 Euro errechnet.

Der Kläger hat mit der Klage folgende Anträge angekündigt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 45.217,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. festzustellen, dass er aus dem mit der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnis sowie aus seiner ehemaligen Stellung als Gesellschafter keine Zahlungen schuldet.

Die Beklagte hat die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte gerügt. Es handele sich nicht um eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis, sondern allein aus der gesellschaftsrechtlichen Verbindung der Parteien. Ein rechtlicher oder unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bestehe nicht.

Der Kläger hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig gehalten. Ihm sei die Beteiligung als eine Möglichkeit der Einkommensverbesserung zu Sonderkonditionen angeboten worden. Auch sei die Beteiligung auf langfristige Zusammenarbeit zwischen den Parteien ausgerichtet gewesen, habe also auch der Bindung des Klägers an die Beklagte gedient.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Konstanz verwiesen. Auf die Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen insoweit für zulässig erklärt, als der Kläger die Feststellung begehrt, der Beklagten aus dem Arbeitsverhältnis keine Zahlungen zu schulden. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für den Kläger zugelassenen Rechtsbeschwerde macht dieser weiterhin die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen geltend.

II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht eröffnet.

1. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbGG erweitert die Zuständigkeit auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Maßgebend ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (BAG, Beschluss vom 31. März 2009 - 5 AZB 98/08 - Rn. 5). Ein rechtlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis besteht, wenn der Anspruch auf dem Arbeitsverhältnis beruht oder durch dieses bedingt ist (BAG, Beschluss vom 3. Februar 2014 - 10 AZB 77/13 - Rn. 5; GMP/Schlewing 8. Aufl. § 2 Rn. 85; GK-ArbGG/Schütz Stand Dezember 2013 § 2 Rn. 150). Ein unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn der Anspruch auf demselben wirtschaftlichen Verhältnis beruht oder wirtschaftliche Folge desselben Tatbestands ist. Die Ansprüche müssen innerlich eng zusammengehören, also einem einheitlichen Lebenssachverhalt entspringen. Diese Voraussetzungen liegen regelmäßig vor, wenn eine nicht aus dem Arbeitsverhältnis resultierende Leistung im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis erbracht wird oder beansprucht werden kann. Der Zusammenhang kommt besonders deutlich dann zum Ausdruck, wenn die Leistung auch eine Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb bezweckt (BAG, Beschluss vom 24. September 2004 - 5 AZB 46/04 - zu II 1 der Gründe).

2. Die danach maßgeblichen Voraussetzungen sind für die noch im Streit stehenden Ansprüche nicht erfüllt.

a) Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den wechselseitig erhobenen Ansprüchen und dem Arbeitsverhältnis besteht nicht. Die Parteien leiten ihre Zahlungsbegehren ebenso wie die erhobenen Einwendungen aus dem Gesellschaftsvertrag ab. Eine rechtliche Verknüpfung zwischen dem Arbeitsvertrag und dem Gesellschaftsvertrag besteht nicht. Weder nimmt der eine auf den anderen noch der andere auf den einen Bezug. Arbeitsrechtliche Fragen sind bei Prüfung der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen nicht zu erörtern.

b) Es besteht auch kein unmittelbar wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Gesellschaftsvertrag und dem Arbeitsverhältnis. Zwar haben die Parteien den Gesellschaftsvertrag während des bestehenden Arbeitsverhältnisses abgeschlossen. Der Gesellschaftsvertrag hatte seine tatsächliche Ursache in der wirtschaftlichen Verbindung der Parteien, die durch den Arbeitsvertrag vermittelt wurde. Ebenso ist - wie sich aus dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 25. November 2011 ergibt - der Gesellschaftsvertrag Ausdruck des seinerzeitigen Bestrebens der Parteien, ihre Zusammenarbeit langfristig anzulegen. Ein gewisser wirtschaftlicher Zusammenhang ist demnach erkennbar. Es handelte sich aber nicht um einen „unmittelbar“ wirtschaftlichen Zusammenhang, wie § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a ArbGG fordert. Die für das Gesellschaftsverhältnis maßgeblichen wirtschaftlichen Lebenssachverhalte sind andere als diejenigen, die sich auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Die Arbeitsleistung und die Vergütung nach dem Arbeitsvertrag waren von den das Gesellschaftsverhältnis prägenden Umständen (Gewinn und Verlust, Einlagepflicht, Abfindung) nicht abhängig. Umgekehrt sind die gesellschaftsrechtlichen Ansprüche allenfalls mittelbar durch das Verhalten der Parteien in arbeitsrechtlicher Hinsicht beeinflussbar. Die Rechtsverhältnisse hatten je andere und voneinander weitgehend unabhängige Zwecke und blieben auch je für sich wirtschaftlich funktionsfähig. Die arbeitsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Ansprüche der Parteien entspringen keinem gemeinsamen Lebenssachverhalt, sondern je eigenen, voneinander getrennten Gruppen von Tatsachen.

c) Der Hinweis des Klägers auf die beabsichtigte längerfristige Bindung und die Aufbesserung der Vergütung führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Parteien haben die Erreichung dieser Ziele gerade nicht an das Arbeitsverhältnis geknüpft. Etwaige aus dem Gesellschaftsvertrag folgende wirtschaftliche Vorteile verblieben dem Kläger auch im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

3. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 3 ArbGG. Danach können vor die Gerichte für Arbeitssachen auch nicht unter § 2 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für seine Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist. An diesem Zusammenhang fehlt es, wie ausgeführt. Das gilt unabhängig davon, ob die Stellung des Feststellungsantrags, für den das Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als zulässig angesehen hat, von dem erforderlichen Feststellungsinteresse getragen ist. Zutreffend ist jedenfalls auch der Hinweis des Landesarbeitsgerichts, dass sich eine weite Auslegung der Regelung in § 2 Abs. 3 ArbGG verbietet. Einer verfassungswidrigen Rechtswegerschleichung darf nicht Vorschub geleistet werden (BAG, Beschluss vom 23. August 2001 - 5 AZB 20/01 - zu II 2 a der Gründe).

III. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

Mikosch W. Reinfelder Schmitz-Scholemann