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Betriebsbedingte und krankheitsbedingte Kündigung

09. Apr
2015

 - 0Das LAG Berlin-Brandenburg hatte über die Wirksamkeit einer Kündigung zu entscheiden, die der Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer zugleich betriebsbedingt und krankheitsbedingt erklärte. Das LAG hat klargestellt, dass von einem Arbeitgeber erwartet werden kann, dass er seinem Arbeitnehmer als milderes Mittel zu einer auf Beendigung gerichteten Kündigung im Wege der Änderungskündigung eine Weiterbeschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zehn Stunden und einer Tätigkeit als Raumreinigerin anbietet, statt die streitbefangene Beendigungskündigung zu erklären.

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24.09.2014 - 17 Sa 1184/14:


Leitsatz

Zu den Voraussetzungen einer betriebsbedingten und krankheitsbedingten Kündigung


Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. April 2014 – 5 Ca 457/14 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung aus betriebsbedingten und krankheitsbedingten Gründen.

Die Beklagten betreiben eine Zahnarztpraxis und beschäftigen dort mehr als zehn Arbeitnehmer i.S.d. § 23 Abs. 1 KSchG. Die am …..1959 geborene Klägerin, die mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert ist, war seit Februar 1998 bei den Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 20 Stunden und einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 750,00 EUR tätig und wurde mit der Reinigung und Sterilisierung von Instrumenten sowie der Raumreinigung beschäftigt.

Die Klägerin war in den Jahren 2011 an 99 Arbeitstagen, im Jahr 2012 an 77 Arbeitstagen sowie im Jahr 2013 an 146 Arbeitstagen arbeitsunfähig krank, wobei die letzte am 20.08.2013 beginnende Arbeitsunfähigkeit über den 31.12.2013 hinaus andauerte.

Die Beklagten ließen ab August 2013 ihre Geräte ganz oder teilweise von einem Thermodesinfektor reinigen und sterilisieren, wodurch sich der Arbeitsanfall der Klägerin verringerte. Sie boten der Klägerin, die zuvor eine Arbeitsleistung in der Spätschicht aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt hatte, eine Änderung der Arbeitsbedingungen dahingehend an, dass sie täglich zwei Stunden an fünf Tagen in der Woche vor 16:00 Uhr die Praxisräume reinigen sollte. Die Klägerin lehnte dieses Angebot ab; ob die Beklagten in diesem Zusammenhang eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt haben, ist zwischen den Parteien streitig.

Die Beklagten kündigten das Arbeitsverhältnis nach Zustimmung des Integrationsamtes mit Schreiben vom 23.12.2013 zum 30.06.2014 sowie – ohne Zustimmung des Integrationsamtes – mit Schreiben vom 18.03.2014.

Mit ihrer Klage vom 10.01.2014 bzw. Klageerweiterung vom 08.04.2014 hat sich die Klägerin gegen die ausgesprochenen Kündigungen gewandt; die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat durch ein am 29.04.2014 verkündetes Urteil festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 23.12.2013 und vom 18.03.2014 nicht aufgelöst worden ist. Die Klägerin habe die Kündigungen innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG angegriffen, so dass sie nicht gemäß § 7 KSchG als rechtswirksam anzusehen seien. Die Kündigung vom 23.12.2014 sei sozial ungerechtfertigt, weil sie weder durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen, noch durch Gründe in der Person der Klägerin bedingt sei. Die Beklagten hätten nicht in ausreichender Weise vorgetragen, in welchem Umfang der Bedarf für die Arbeitsleistung der Klägerin entfallen sei; im Übrigen hätten die Beklagten der Klägerin im Wege der Änderungskündigung eine Herabsetzung der Arbeitszeit auf zehn Wochenstunden anbieten müssen. Auf eine Arbeitsunfähigkeit bzw. die Befürchtung weiterer Arbeitsunfähigkeiten könnten die Beklagten die Kündigung ebenfalls nicht stützen, weil hinsichtlich der Gesundheit der Klägerin eine negative Prognose nicht gerechtfertigt gewesen sei. Die Kündigung vom 18.03.2014 sei unwirksam, weil die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes fehle. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 05.06.3014 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.06.2014 eingelegte Berufung der Beklagten, die sie mit einem am 05.08.2014 eingegangenen Schriftsatz begründet haben und mit der sie sich gegen die zur Kündigung vom 23.12.2013 getroffenen Feststellung wenden.

Die Beklagten halten die Kündigung vom 23.12.2013 weiterhin für gerechtfertigt. Die Klägerin könne nicht mehr mit der Reinigung und Desinfektion der Instrumente beschäftigt werden, weil diese Tätigkeiten teilweise von dem Thermodesinfektor verrichtet würden und die restlichen Arbeiten am Abend anfielen; zu einer derartigen Arbeitsleistung sei die Klägerin nicht bereit. Der Ausspruch einer Änderungskündigung sei – so meinen die Beklagten – nicht geboten gewesen, weil die Klägerin die angebotene Herabsetzung der Arbeitszeit auf zehn Stunden vor Ausspruch der Kündigung abgelehnt habe; der Klägerin sei dabei eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses für den Fall der Ablehnung des Angebots angekündigt worden. Im Zeitpunkt der Kündigung habe eine negative Gesundheitsprognose bestanden; auch sei es im Hinblick auf die Entgeltfortzahlungskosten zu einer erheblichen betrieblichen Beeinträchtigung gekommen, die auch nach einer Interessenabwägung nicht mehr hingenommen werden könne.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.04.2014 – 5 Ca 457/14 – zu ändern und die gegen die Kündigung vom 23.12.2014 gerichtete Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Auf dringende betriebliche Gründe könnten sich die Beklagten schon deshalb nicht berufen, weil sie ihr eine Weiterbeschäftigung im Wege der Änderungskündigung hätten anbieten müssen. Dass sie – die Klägerin – vor Ausspruch der Kündigung eine Herabsetzung der Arbeitszeit abgelehnt habe, sei unerheblich; eine Beendigungskündigung sei ihr in diesem Zusammenhang nicht angekündigt worden. Die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung seien nicht gegeben.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 05.08.2014 und 08.09.2014 nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat der gegen die Kündigung vom 23.12.2014 gerichteten Klage zu Recht entsprochen. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam, § 1 Abs. 1 und 2 KSchG.

1. Die Kündigung ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin in dem Betrieb der Beklagten entgegenstehen, bedingt.

a) Dringende betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer im Betrieb dauerhaft entfallen lässt (vgl. hierzu nur BAG, Urteil vom 29.08.2013 – 2 AZR 809/12 – NZA 2014, 730 ff., m.w.N.). Dabei ist eine Beendigungskündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht geboten und damit sozial ungerechtfertigt, wenn der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens auch zu veränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden kann. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall anstelle der Beendigungskündigung in aller Regel eine entsprechende Änderungskündigung auszusprechen (BAG, Urteil vom 21.09.2006 – 2 AZR 60705 – AP Nr. 130 zu 2 KSchG 1969). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung das Angebot unterbreitet, den Vertrag an die noch bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten anzupassen und der Arbeitnehmer dieses Angebot ablehnt. Eine Beendigungskündigung ist nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, er werde die geänderten Arbeitsbedingungen im Fall des Ausspruchs einer Änderungskündigung nicht, auch nicht unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung annehmen (BAG, Urteil vom 21.04.2005 – 2 AZR 132/04 – AP Nr. 79 zu § 2 KSchG 1969).

b) Das Arbeitsgericht hat bei Anwendung dieser Grundsätze zu Recht angenommen, dass die Beklagten die Kündigung nicht auf dringende betriebliche Erfordernisse i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG stützen können. Von den Beklagten konnte erwartet werden, dass sie der Klägerin im Wege der Änderungskündigung eine Weiterbeschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zehn Stunden und einer Tätigkeit als Raumreinigerin anbieten, statt die streitbefangene Beendigungskündigung zu erklären. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass nach der Einführung des Thermodesinfektors ein Bedarf, die Klägerin mit der Reinigung und Sterilisation von Instrumenten zu beschäftigen, nicht mehr bestand. Die Klägerin konnte jedoch selbst unter Berücksichtigung ihrer Arbeitszeitwünsche mit der Reinigung der Praxisräume beschäftigt werden, wobei insoweit ein Arbeitsvolumen von zwei Stunden täglich bestand. Die Beklagten durften von dem Ausspruch der Änderungskündigung nicht deshalb Abstand nehmen und eine Beendigungskündigung erklären, weil die neuen Arbeitsbedingungen zu einer Halbierung der Arbeitszeit und der Vergütung der Klägerin geführt hätten. Die Entscheidung, ob sie das Arbeitsverhältnis zu diesen Bedingungen fortsetzen will, hatte die Klägerin und nicht die Beklagte für sie zu treffen (vgl. BAG, Urteil vom 21.09.2006 – 2 AZR 607/05 – a.a.O.). Die Beklagten durften nicht damit rechnen (und haben, wie ihr Weiterbeschäftigungsangebot zeigt, auch nicht damit gerechnet), dass die Klägerin das Beschäftigungsangebot ablehnen würde. Ferner oblag es ihnen auch nach der Ablehnung durch die Klägerin weiterhin, eine Änderungskündigung auszusprechen und auf diesem Weg die für erforderlich gehaltene Vertragsänderung durchzusetzen. Dass die Klägerin vor Ausspruch der streitbefangenen Kündigung nicht bereit war, zu den neuen Arbeitsbedingungen tätig zu werden, ändert hieran – wie ausgeführt – nichts. Die Beklagten können in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg geltend machen, ihnen würde auf diese Weise eine „unnütze Förmelei“ abgefordert. Der Arbeitnehmer, der ein für ihn ungünstiges Änderungsangebot seines Arbeitgebers erhält, hat zunächst keine Veranlassung, dieses ohne weiteres anzunehmen. Er darf davon ausgehen, dass die Ablehnung allenfalls zu dem rechtlich gebotenen Instrument der Vertragsänderung – einer Änderungskündigung – führt; er muss nicht mit dem Ausspruch einer Beendigungskündigung rechnen. Eine Sachverhaltsgestaltung, in der der Arbeitgeber ausnahmsweise von dem Ausspruch einer Änderungskündigung absehen darf, ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es kann bereits nicht angenommen werden, dass die Beklagten – wie von ihnen erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer behauptet – bei dem Weiterbeschäftigungsangebot deutlich gemacht haben, dass Arbeitsverhältnis müsse bei einer Ablehnung des Angebots gekündigt werden. Denn die Beklagten haben für diese von der Klägerin bestrittene Behauptung keinen Beweis angeboten. Im Übrigen lässt sich dem Sachvortrag der Beklagten nicht entnehmen, die Klägerin habe es auch abgelehnt, die geänderten Arbeitsbedingungen unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG anzunehmen und die Frage der sozialen Rechtfertigung der Vertragsänderung einer gerichtlichen Überprüfung zuzuführen. Bei dieser Sachlage war die ausgesprochene Beendigungskündigung unverhältnismäßig und damit sozial ungerechtfertigt.

2. Die Kündigung ist auch nicht aus Gründen bedingt, die in der Person der Klägerin liegen. Die Voraussetzungen für den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung sind nicht gegeben.

a) Die Prüfung der sozialen Rechtfertigungen von Kündigungen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, in drei Stufen vorzunehmen. Es muss eine negative Gesundheitsprognose gegeben sein (erste Stufe), die zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führt (zweite Stufe), welche nach Durchführung einer Interessenabwägung von dem Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen (dritte Stufe). Erfolgt die Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen, müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen; dabei können häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung sprechen (BAG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 2 AZR 582/13 – Rn. 29, juris; Urteil vom 08. November 2007 – 2 AZR 292/06 – AP Nr. 29 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung). Bei einer Kündigung wegen lang andauernder Krankheit muss die negative Gesundheitsprognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegen, auf der die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen beruhen muss. Bei einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen. Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsfähigkeit dann gleich, wenn in den nächsten zwei Jahren nicht mit einer anderen Prognose gerechnet werden kann (BAG, Urteil vom 30.09.2010 – 2 AZR 88/09 - AP Nr. 49 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit m.w.N.).

b) Soweit die Beklagte die Kündigung auf die bisher aufgetretenen Kurzerkrankungen der Klägerin stützt, ist es bereits fraglich, ob von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen werden kann. Zwar hatte die Klägerin in den Jahren 2011 bis 2013 in erheblichem Umfang krankheitsbedingt gefehlt, so dass die Beklagten auf dieser Grundlage zunächst davon ausgehen mussten, die Klägerin werde auch in Zukunft in gleicher Weise ausfallen. Die aufgetretenen Arbeitsunfähigkeiten beruhten jedoch überwiegend auf verschiedenen Erkrankungen, die später nicht mehr aufgetreten sind; hinsichtlich der zuletzt aufgetretenen Depression liegt eine günstige Einschätzung der behandelnden Ärztin vor. Vor allem aber kann nicht angenommen werden, dass die – einmal angenommen – zu befürchtenden zukünftigen Arbeitsunfähigkeiten zu erheblichen betrieblichen und/oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen der Beklagten führen wird. Die Beklagten haben nicht vorgetragen, ob und ggf. welche Betriebsablaufstörungen auf die Ausfälle der Klägerin zurückzuführen waren und aus welchen Gründen es ihnen ggf. nicht zugemutet werden kann, diese weiterhin hinzunehmen. Sie haben auch nicht angegeben, in welchem Umfang sie eine Entgeltfortzahlung an die Klägerin geleistet haben, so dass auch insoweit eine nicht mehr tragbare wirtschaftliche Belastung durch zukünftige Arbeitsunfähigkeiten nicht festgestellt werden kann. In diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, dass lediglich in den Jahren 2011 und 2013 eine Entgeltfortzahlung für mehr als sechs Wochen entstanden ist; auch haben die Beklagten nicht dargetan, ob und ggf. in welchem Umfang sie eine Erstattung der Entgeltfortzahlung nach § 1 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) geltend gemacht haben bzw. geltend machen konnten. Bei dieser Sachlage kann eine zur Kündigung berechtigende wirtschaftliche Belastung der Beklagten durch Entgeltfortzahlungskosten keinesfalls festgestellt werden.

c) Die Kündigung erweist sich auch nicht im Hinblick auf die im August 2013 beginnende lang andauernde Erkrankung der Klägerin als sozial gerechtfertigt. Zwar war die Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung bereits längere Zeit arbeitsunfähig und es war ein Ende dieser Arbeitsunfähigkeit nicht absehbar. Die Beklagten haben jedoch nicht vorgetragen, aus welchen Gründen ihnen die Ungewissheit über den Zeitpunkt einer Rückkehr der Klägerin nicht mehr zugemutet werden konnte. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, im Einzelnen zu schildern, wie die Klägerin vertreten wurde und aus welchen Gründen eine weitere Vertretung nicht mehr erwartet werden durfte. Das Fehlen dieses Vortrags geht zu Lasten der Beklagten, die die tatsächlichen Voraussetzungen für die soziale Rechtfertigung der Kündigung darzulegen und ggf. zu beweisen haben. Dass im Zeitpunkt der Kündigung nicht damit gerechnet werden konnte, die Klägerin werde in den nächsten zwei Jahren ihre Tätigkeit nicht aufnehmen, behaupten die Beklagten nicht; hierfür fehlt auch sonst jeder tatsächliche Anhaltspunkt.

d) Im Übrigen ergäbe auch eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, dass von den Beklagten erwartet werden konnte, das Arbeitsverhältnis trotz der aufgetretenen Arbeitsunfähigkeiten fortzusetzen und von dem Ausspruch der Kündigung abzusehen. Das Arbeitsverhältnis bestand im Zeitpunkt der Kündigung knapp sechszehn Jahre. Die Klägerin ist schwerbehindert und in einem Alter, das ihr die Suche nach einer neuen Beschäftigung zusätzlich erschwert. Während des Arbeitsverhältnisses ist es – soweit ersichtlich – erst ab dem Jahr 2011 zu erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten gekommen, die von den Beklagten offenbar überbrückt werden konnten und nur in zwei Jahren zu einer Entgeltfortzahlung von mehr als sechs Wochen geführt haben. Weitere Umstände, die die Beklagte gleichwohl zur Kündigung berechtigen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

3. Die Kündigung erweist sich schließlich auch nicht bei einer Gesamtwürdigung der betriebsbedingten und personenbedingten Gründe als sozial gerechtfertigt. Das Arbeitsverhältnis konnte jedenfalls zu geänderten Arbeitsbedingungen fortgesetzt werden, ohne dass die Beklagte erhebliche Beeinträchtigungen durch krankheitsbedingte Ausfälle der Klägerin zu befürchten hatten.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.