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Diplomatenimmunität - Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit

02. Jul
2014

 - 0Der akkreditierte Attaché der Botschaft des Königreichs S. soll seine mit Arbeitsvertrag angestellte Haushaltshilfe in ausbeuterischer Weise beschäftigt haben. Die Klägerin macht deswegen den Ausgleich von Entgeltansprüchen, Schmerzensgeld und Schadensersatz geltend.

Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage wegen der Immunität des Attachés bestätigt. Demnach ist die deutsche Gerichtsbarkeit gemäß § 18 GVG nicht zuständig. Die Verletzung der Rechte der Klägerin, unter anderem wegen der nicht möglichen Rechtsverfolgung in Deutschland wiegen nicht so schwer wie die diplomatischen Beziehungen Deutschlands zu den jeweils beteiligten Staaten (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. November 2011 - 17 Sa 1468/11).

Allerdings hat das LAG wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Volltext des Urteils Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. November 2011 - 17 Sa 1468/11 :


Leitsätze

1. Die Immunität eines Diplomaten von der Zivilgerichtsbarkeit hängt nicht von der Schwere seiner - angeblichen oder tatsächlichen - Rechtsverletzungen ab.

2. § 18 GVG verstößt nicht gegen Art. 14 GG und das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).


Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14.06.2011 - 36 Ca 3627/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision der Klägerin wird zugelassen.


Tatbestand

Die Parteien streiten in dem Berufungsverfahren darüber, ob der Beklagte der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen ist.

Der Beklagte ist akkreditierter Attaché der Botschaft des Königreichs S. in der Bundesrepublik Deutschland. Er beschäftigte die Rechtsvorgängerin der Klägerin seit dem 3. April 2009 als Hausangestellte in seinem Privathaushalt. Diese trat mit Vertrag vom 15. Februar 2011 Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Abwicklung an die Klägerin ab.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Ausgleich von Entgeltansprüchen, die Erstattung von Reisekosten sowie die Zahlung eines Schmerzensgeldes gefordert. Der Beklagte habe ihre Rechtsvorgängerin in ausbeuterischer Weise beschäftigt. Diese habe den Haushalt des Beklagten nicht verlassen dürfen und sei zur Arbeitsleistung an sieben Tagen in der Woche mit Arbeitszeiten von bis zu zwanzig Stunden am Tag angehalten worden; hierbei sei es ständig zu körperlichen Misshandlungen und Erniedrigungen seitens des Beklagten und seiner Familienangehörigen gekommen. Entgegen der vertraglichen Vereinbarung sei eine eigene Unterkunft nicht gewährt worden; ihre Rechtsvorgängerin habe vielmehr ohne Matratze und warme Kleidung mit einer dünnen Decke auf dem Boden des Kinderzimmers schlafen müssen. Die zugesagte Verpflegung habe aus Essensresten bestanden. Eine Vergütung habe ihre Rechtsvorgängerin bis zu ihrer Flucht am 30. Oktober 2010 nicht erhalten; lediglich eine Urlaubsabgeltung habe der Beklagte nach außergerichtlichen Verhandlungen gezahlt. Der Beklagte habe die Menschenrechte ihrer Rechtsvorgängerin massiv verletzt. Er sei bei dieser Sachlage nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit.

Der Beklagte hat die Klage für unzulässig gehalten, weil ihm als Diplomat Immunität von der gerichtlichen Inanspruchnahme zustehe. Die gegen ihn und seine Familie erhobenen Vorwürfe seien im Übrigen – was er beweisen könne – unberechtigt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch ein am 14. Juni 2011 verkündetes Urteil als unzulässig abgewiesen. Der Beklagte sei nach § 18 GVG der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen. Die Immunität eines Diplomaten vor rechtlicher Verfolgung bestehe auch bei besonders schwerwiegenden Rechtsverletzungen. Sofern berechtigte Ansprüche wegen dieser Immunität nicht durchgesetzt werden könnten, stehe der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein Entschädigungsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland zu. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 20. Juni 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. Juli 2011 eingelegte Berufung der Klägerin, die sie mit einem am 19. August 2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat. Das Landesarbeitsgericht hat durch Beschluss vom 22. August 2011 angeordnet, dass über die Zulässigkeit der Klage abgesondert verhandelt wird.

Die Klägerin hält die Klage weiterhin für zulässig. Der Beklagte sei der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen. Ihm stehe lediglich Immunität vor einer strafrechtlichen Verfolgung, nicht aber vor einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme zu. Die zivilrechtliche Immunität müsse bei schweren Menschenrechtsverletzungen zurückstehen; anderenfalls würde der menschenrechtswidrige Zustand aufrechterhalten. Der Beklagte habe seine Immunität durch sein Verhalten verwirkt. Der Ausschluss der deutschen Gerichtsbarkeit führe zudem zu einem Eingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum, ohne dass insoweit eine Entschädigungsregelung eingreife; auch würde ihr Anspruch auf Justizgewährung ohne sachliche Rechtfertigung beseitigt. Die Verhältnisse im Königreich S. ließen es nicht zu, dort ihre Ansprüche gegen den Beklagten zu verfolgen. Der Rechtsstreit sei ggf. zur Klärung allgemeiner Regeln des Völkerrechts und der Verfassungsmäßigkeit des § 18 GVG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. Juni 2011 – 36 Ca 3627/11 – zu verurteilen, an sie 14.950,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 700,00 EUR seit dem 1. Mai 2009 und aus jeweils 750,00 EUR seit jedem Monatsanfang von Juni 2009 bis November 2010, 15.804,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.704,00 EUR seit dem 1.Januar 2010 und aus 8.100,00 EUR seit dem 1. November 2010 sowie immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 40.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung (15. März 2011) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit Rechtsausführungen; die tatsächlichen Behauptungen der Klägerin seien unzutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 19. und 30. August 2011 Bezug genommen.

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Entscheidungsgründe

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte sowie nach §§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil der Beklagte der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen ist.

1. Die Mitglieder der in der Bundesrepublik Deutschland errichteten diplomatischen Missionen sind gemäß § 18 Satz 1 GVG nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (WÜD) von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Der Beklagte genießt daher als Diplomat i.S.d. Art. 1 lit. e) WÜD Immunität von der deutschen Straf-, Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit (Art. 31 Abs. 1 WÜD), wobei die Arbeitsgerichtsbarkeit zur Zivilgerichtsbarkeit zählt (Wagner/Raasch/ Pröpstl, Wiener Übereinkommen über diplomatischen Beziehungen, 2007, S. 269). Eine Streitigkeit, für die nach Art. 31 Abs. 1 lit. a) – c) WÜD keine Immunität besteht (näher bezeichnete dingliche Klagen und Klagen in Nachlasssachen sowie Klagen im Zusammenhang mit einem freien Beruf oder einer gewerblichen Tätigkeit des Diplomaten) ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang meint, es müsse zwischen einer Immunität vor Strafverfolgungsmaßnahmen und einer solchen vor zivilgerichtlicher Inanspruchnahme unterschieden werden, trifft dies nicht zu. Solange die Immunität des Diplomaten besteht, ist er vielmehr in allen von Art. 31 Abs. 1 WÜD erfassten Verfahren in gleicher Weise von gerichtlichen Maßnahmen befreit. Die Diplomatenimmunität soll gewährleisten, dass die Mission und die Diplomaten als Vertretungsorgan des Entsendestaates ihre Aufgaben wirksam erledigen können; dies gebietet es, den Diplomaten auch hinsichtlich seiner Privathandlungen von gerichtlichen Maßnahmen des Empfangsstaates zu befreien (Wagner/Raasch/Pröpstl, a.a.O., S. 262). Lediglich die Dauer der Immunität hängt von der Art der Handlungen des Diplomaten ab, wegen derer ein gerichtliches Verfahren angestrengt werden soll. Während für Amtshandlungen Immunität auch nach der endgültigen Ausreise des Diplomaten aus dem Empfangsstaat besteht, endet sie in Bezug auf sonstige Handlungen mit der endgültigen Ausreise bzw. einer hierfür gewährten angemessenen Frist (Art. 39 Abs. 2 WÜD). Dass es im vorliegenden Fall um die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche und nicht um eine Strafverfolgung des Beklagten geht, ist demgegenüber für die Frage seiner Immunität ohne Bedeutung.

2. Die Immunität des Beklagten ist nicht wegen der Schwere der gegen ihn erhobenen Vorwürfe aufgehoben.

a) Die Klägerin kann in diesem Zusammenhang zunächst nicht mit Erfolg geltend machen, der Beklagte habe sich unter Verstoß gegen völkerrechtliche Bestimmungen schwere Menschenrechtsverletzungen zuschulden kommen lassen. Das Rechtsverhältnis der Parteien bestimmt sich nicht nach völkerrechtlichen Regelungen, sondern nach den Vorschriften des Privatrechts, die die materiell-rechtliche Grundlage für alle Ansprüche der Klägerin wegen der angeblich ausbeuterischen Beschäftigung ihrer Rechtsvorgängerin bieten (§§ 253 Abs. 2, 611 Abs. 1, 670, 823, 826 BGB). Es kommt daher ausschließlich darauf an, ob die Immunität des Beklagten zur Durchsetzung dieser Ansprüche zurückstehen muss; in welcher Weise und in welchem Umfang Menschenrechte durch das Völkerrecht gewährleistet werden, ist hingegen für die genannte Rechtsfrage ohne Belang.

b) Die Immunität des Beklagten hängt auch nicht davon ab, ob er mit seinem Verhalten gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin gegen Rechtsvorschriften verstoßen hat und ob es sich um schwerwiegende Rechtsverstöße handeln würde. Der Gewährung von Immunität kommt ohnehin nur Bedeutung zu, wenn sich der Diplomat – angeblich oder tatsächlich – rechtswidrig verhalten hat. Auch kennt die diplomatische Immunität grundsätzlich keine Ausnahmen für besonders gravierende Rechtsverstöße (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1997 – 2 BvR 1516/96 – BVerfGE 96, 68 zu II. 2. a) bb); b) aa) der Gründe); dies gilt auch für die zivilrechtliche Inanspruchnahme des Diplomaten. Die Diplomatenimmunität ist unverzichtbar für die Pflege zwischenstaatlicher Beziehungen, die es den Staaten unabhängig von ihren unterschiedlichen Verfassungs- und Sozialsystemen erlaubt, ein gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und ihre Meinungsverschiedenheiten mit friedlichen Mitteln beizulegen. Jede Beeinträchtigung der seit langem im Völkerrecht anerkannten Immunitäten für Diplomaten ist demgegenüber geeignet, die Kommunikation und Kooperation der Staaten zu stören, auf die die internationale Gemeinschaft im Interesse des geordneten Fortschritts der Beziehung zwischen ihren Mitgliedern zwingend angewiesen ist. Zudem gilt es zu bedenken, dass jeder Empfangsstaat seinerseits Diplomaten entsendet. Wird die Immunität eingeschränkt, kann dies zu Auswirkungen auf die eigenen Diplomaten und ihre Angehörigen im Ausland führen; sie stehen dann in der Gefahr, Repressalien ausgesetzt zu sein und zum Gegenstand von politischen Auseinandersetzungen gemacht zu werden (BVerfG, a.a.O.). Auf Missbräuche der diplomatischen Vorrechte und Immunitäten ist deshalb ausschließlich im Rahmen des Diplomatenrechts zu reagieren, d.h., der Empfangsstaat kann den Diplomaten zur unerwünschten Person erklären (Art. 9 WÜD) oder auf völkerrechtlicher Ebene gegen den Entsendestaat vorgehen (BVerfG, a.a.O.). Die diplomatische Immunität vor gerichtlicher Verfolgung ist hingegen unabhängig von der Schwere der gegen den Diplomaten erhobenen Vorwürfe zu gewähren; sie ist einer Relativierung nicht zugänglich. Auf der Grundlage der gegenteiligen Auffassung wäre im Übrigen eine Immunität des Diplomaten auch dann nicht gewährleistet, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht erfolgt ist oder sich nicht als so schwerwiegend erweist, wie dies für eine Aufhebung der Immunität für erforderlich gehalten wird. Dies zeigt sich besonders deutlich in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden, in der der beklagte Diplomat die Richtigkeit des anspruchsbegründenden Vorbringens der klagenden Partei bestreitet und das Gericht deshalb den Sachverhalt bereits zur Feststellung der Immunität des Diplomaten aufklären müsste. Der Diplomat wäre dann den gerichtlichen Maßnahmen unterworfen, vor denen ihn seine Immunität schützen soll – und dies auch in Fällen, in denen sich das klägerische Vorbringen letztlich als unrichtig erweist; hierfür gibt es keine sachliche Rechtfertigung.

c) Soweit die Klägerin geltend macht, eine Immunität des Beklagten würde den von ihm zu vertretenden rechtswidrigen Zustand aufrechterhalten und sei deshalb zu versagen, ist dies unzutreffend. Seitdem die Rechtsvorgängerin der Klägerin den Haushalt des Beklagten verlassen hat, ist sie den dortigen Verhältnissen nicht mehr ausgesetzt; im vorliegenden Rechtsstreit geht es ausschließlich um die Frage, ob sie einen Ausgleich für dort angeblich erlittene Rechtsverletzungen erhalten kann. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Immunität eines Diplomaten aus Gründen der Gefahrenabwehr zurückstehen muss (vgl. hierzu BVerfG, a.a.O., zu II. 2. b) bb) der Gründe m.w.N.).

3. Der Beklagte hat seine Immunität als Diplomat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht wegen der behaupteten Rechtsverletzungen verwirkt. Die Immunität von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats ist – wie ausgeführt – nicht von der Schwere der gegen den Diplomaten erhobenen Vorwürfe abhängig. Mit ihr soll zudem vor allem die Arbeitsfähigkeit der diplomatischen Mission des Entsendestaates und nicht der Diplomat selbst geschützt werden. Folgerichtig kann der Entsendestaat auf die Immunität seiner Diplomaten verzichten (Art. 32 WÜD), während sie nicht zur Disposition des Diplomaten steht.

4. Die Angriffe der Klägerin gegen die Wirksamkeit von § 18 GVG greifen nicht durch. Der Ausschluss der deutschen Gerichtsbarkeit verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

a) Das durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Eigentum wird nicht durch die Immunität eines Diplomaten von der Zivilgerichtsbarkeit beeinträchtigt.

Unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG fallen neben dem Sacheigentum auch schuldrechtliche Ansprüche, die dem Rechtsträger privatnützig zugeordnet sind, auf Eigenleistungen beruhen und als materielle Grundlagen persönlicher Freiheit dienen (vgl. hierzu nur BVerfG, Beschluss vom 31. März 1998 – 2 BvR 1877/97, 2 BvR 50/98 – BVerfGE 97, 350 zu II. 1. a) der Gründe m.w.N.). Zu ihnen gehören die im vorliegenden Fall geltend gemachten Ansprüche auf Arbeitsentgelt, Aufwendungsersatz und Schadensersatz. Der Inhalt und die Schranken dieser Ansprüche werden durch § 18 GVG nicht geregelt; auch wird nicht in den Bestand der Ansprüche eingegriffen. So war es für das Entstehen der streitbefangenen Ansprüche ohne Bedeutung, dass der Beklagte von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit war. Auch konnten die Ansprüche trotz der Diplomatenimmunität des Beklagten an die Klägerin abgetreten werden, so dass sie nunmehr in gleicher Weise Inhaberin der Forderungen ist wie ihre Rechtsvorgängerin; sie sind auch wegen der Immunität nicht zeitlich befristet oder sonstigen inhaltlichen Einschränkungen unterworfen. Die durch § 18 GVG angeordnete Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit betrifft daher nicht das Eigentumsrecht selbst, sondern die Frage, ob das Recht im Inland verfolgt werden kann. Dies wird von dem Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 GG nicht erfasst. Dass die Zivilgerichte bei einem eröffneten Rechtsweg die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG auch bei der Ausgestaltung von Verfahren zu beachten haben (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 1977 – 1 BvR 734/77 – BVerfGE 46, 325 zu B. II. 1. der Gründe; Beschluss vom 12. März 1980 – 1 BvR 759/77 – BVerfGE 53, 352 zu B. I. 2. der Gründe; Papier in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 14, Rdnr. 45 ff.), ist für die hier zu entscheidende Frage ohne Bedeutung.

b) Es verletzt nicht das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), dass Diplomaten wegen ihrer Immunität nicht vor deutschen Zivilgerichten verklagt werden können.

Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass aus dem Rechtsstaatsprinzip für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten ist. Dieser Justizgewährungsanspruch umfasst das Recht auf Zugang zu den Gerichten und eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche richterliche Entscheidung. Die Gewährleistung schließt eine gesetzliche Ausgestaltung der Voraussetzungen und Bedingungen des Zugangs nicht aus (BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1992 – BVerfGE 85, 337 zu C.I. der Gründe), wobei ein eröffneter Rechtsweg nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden darf (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 2. März 1993 – 1 BvR 249/92 – BVerfGE 88, 118 zu B. I. der Gründe). Der vollständige Ausschluss des Rechtswegs kann vor diesem Hintergrund nur zulässig sein, wenn er geeignet, erforderlich und in Bezug auf die Belange der betroffenen Partei verhältnismäßig ist, um den verfolgten gesetzlichen Zweck zu erreichen; es muss der verfassungsmäßige Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots (vgl. hierzu Grzeszick in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 20, VII, Rdnr. 107 ff; Leibholz/Rinck, GG, Art. 20, Rdnr. 776, jeweils m.w.N.) gewahrt sein. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

Die Immunität der Diplomaten von den Gerichtsbarkeiten des Empfangsstaats soll der Zusammenarbeit der Staaten dienen und sie in die Lage versetzen, Verständnis füreinander zu entwickeln und ihre Meinungsverschiedenheiten mit friedlichen Mitteln beizulegen; insoweit kann auf die Ausführungen zu 2. b) der Entscheidungsgründe verwiesen werden. Der Ausschluss (auch) des Zivilrechtswegs ist geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Die diplomatischen Beziehungen der Staaten hängen von der Entsendung von Diplomaten in den Empfangsstaat ab. Müssten Diplomaten über das völkerrechtlich vereinbarte Maß hinaus mit gerichtlicher Verfolgung im Empfangsstaat rechnen, wäre die Bereitschaft, Diplomaten zu entsenden, beeinträchtigt und damit die Kooperation innerhalb der internationalen Gemeinschaft gefährdet; dem wirkt die Diplomatenimmunität entgegen.

Es ist ferner zur Erreichung des genannten Zwecks erforderlich, die entsandten Diplomaten vor gerichtlichen Maßnahmen des Empfangsstaates zu schützen. Die Diplomatenimmunität ist in diesem Zusammenhang unverzichtbar; jede Einschränkung der Immunität gefährdet die diplomatischen Beziehungen der beteiligten Staaten (BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1997 – 2 BvR 1516/96 – BVerfGE 96, 68 zu II. 2. b) aa) der Gründe). Ein milderes Mittel, mit dem sowohl der Zweck der Diplomatenimmunität erreicht als auch eine Inanspruchnahme der Diplomaten durch die Gerichte des Empfangsstaates ermöglicht wird, ist nicht gegeben.

Der Ausschluss des Zivilrechtswegs ist schließlich bei einer Abwägung der Belastungen der Partei, die ihre Ansprüche nicht gerichtlich geltend machen kann, mit den Vorteilen, die die Diplomatenimmunität für die Allgemeinheit mit sich bringt, verhältnismäßig. An der Sicherung der diplomatischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland besteht angesichts ihrer Stellung in der internationalen Gemeinschaft ein überragendes Gemeinwohlinteresse, hinter dem das Interesse des Einzelnen, einen durch § 18 GVG geschützten Diplomaten zu verklagen, zurückstehen muss. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Diplomatenimmunität nicht zu einem Anspruchsverlust führt. Der Diplomat genießt ferner im Entsendestaat keine Immunität (Art. 31 Abs. 4 WÜD), d.h., ein gegen ihn gerichteter Anspruch kann dort gerichtlich geltend gemacht werden. Sind wie im vorliegenden Fall Ansprüche betroffen, die ihre Grundlage nicht in der dienstlichen Tätigkeit des Diplomaten haben, endet die Immunität zudem mit der Ausreise des Diplomaten aus dem Empfangsstaat bzw. nach Ablauf einer hierfür gewährten Frist (Art. 39 Abs. 2 WÜD); sie hindert daher nur vorübergehend die gerichtliche Geltendmachung im Inland. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Missbräuche der diplomatischen Immunität auf der Grundlage des Diplomatenrechts zu Reaktionen des Empfangsstaates führen können. Derartige Maßnahmen gewährleisten zwar nicht den individuellen Rechtsschutz eines Anspruchinhabers, können jedoch allgemein die Bereitschaft der Diplomaten fördern, sich trotz bestehender Immunität an die im Empfangsstaat geltenden Rechtsvorschriften zu halten. Soweit die Klägerin geltend macht, eine Klage gegen den Beklagten im Entsendestaat habe von vornherein keinerlei Aussicht auf Erfolg, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis. Zum einen steht die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung keinesfalls fest; denn die Klägerin hat den Beklagten in S. nicht in Anspruch genommen. Zum anderen kann die Gewährleistung der Diplomatenimmunität nicht davon abhängig gemacht werden, ob und ggf. welchen Rechtsschutz der jeweilige Entsendestaat im Einzelfall bietet, ob und inwieweit dieser Rechtsschutz mit der hiesigen Justizgewährung zu vergleichen und ob der Anspruch im Entsendestaat durchsetzbar ist; dass eine Inanspruchnahme des Diplomaten wegen seiner Immunität scheitern kann, führt mit anderen Worten nicht zur Verfassungswidrigkeit von § 18 GVG. Auch ist es ohne Belang, dass der Gesetzgeber eine Entschädigung nicht vorgesehen hat, sollte ein Anspruch wegen der Diplomatenimmunität letztlich nicht durchgesetzt werden können. Es war angesichts der genannten Umstände – kein Rechtsverlust durch die Immunität, Klagemöglichkeit im Entsendestaat sowie nach Ende der Immunität ggf. auch im Inland, Reaktionsmöglichkeiten im Bereich des Diplomatenrechts – nicht erforderlich, einen gesetzlichen Ausgleich für immunitätsbedingte Forderungsverluste vorzusehen. Ob der hiervon betroffene Gläubiger ein Sonderopfer für die Allgemeinheit erbringt und ihm deshalb nicht ohnehin ein Aufopferungsanspruch (vgl. hierzu zuletzt BGH, Urteil vom 3. März 2011 - III ZR174/10 – NJW 2011, 31,57; Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rdnr. 136 ff., jeweils m.w.N.) gegen den Staat zusteht, bedarf deshalb keiner näheren Untersuchung. Der Ausschluss des Zivilrechtswegs während der Dauer der Diplomatenimmunität verstößt nach alledem nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (für die Immunität von Mitgliedern des Personals einer zwischenstaatlichen Institution ausdrücklich BAG, Urteil vom 25.Januar 1973 - 5 AZR 399/72 – AP Nr. 3 zu Art. 25 GG).

5. Der Rechtsstreit war nicht gemäß Art. 100 GG auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG scheidet aus, weil § 18 GVG – wie ausgeführt – nicht verfassungswidrig ist. Es bestehen ferner keine Zweifel über die Anwendbarkeit und die Auswirkungen von allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 100 Abs. 2 GG, so dass auch insoweit eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht kommt. § 18 GVG bezieht sich auf das WÜD und damit auf das Völkervertragsrecht, dessen Inhalt von dem mit dem Rechtsstreit befassten Gericht geklärt werden kann (BVerfG, Beschluss vom 30. Januar 2008 – 2 BvR 793/07 – NVwZ 2008, 878 ff. zu I. 2. b) der Gründe). Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht durch seinen Beschluss vom 10. Juni 1997 – 2 BvR 1516/96 – die Reichweite der Diplomatenimmunität geklärt, so dass ihm der vorliegende Rechtsstreit auch aus diesem Grunde nicht vorzulegen war.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Berufungskammer hat die Revision der Klägerin gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen zugelassen.