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Anforderungen an den Eilrechtsschutz bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen

28. Oct
2014

 - 0In einem Fall, in dem es um die Gewährung von Eilrechtsschutz bei presserechtlichen Auskunftsansprüchen ging, hat das Bundesverfassungsgericht gemäß Beschluss vom 23.10.14 entschieden, dass keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen und hat damit das Recht auf freie Berichterstattung der Presse gestärkt .

Der Entscheidung liegt eine Verfassungsbeschwerde der Berliner Zeitung „Der Tagesspiegel“ zugrunde.

Ein Redakteur des „Tagesspiegel“ wünschte im September 2013 vom Bundesnachrichtendienst Auskünfte über den Export von Gütern nach Syrien, die für die Herstellung von Waffen geeignet sein können. Der Bundesnachrichtendienst verweigerte die erbetenen Angaben, da er dazu ausschließlich der Bundesregierung und den zuständigen Gremien des Bundestags berichte.

Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass das „Ob“ und „Wie“ der Berichterstattung Teil desSelbstbestimmungsrechts der Presse ist, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt. Das Bundesverwaltungsgericht habe diesen Maßstab zu eng angelegt und in Hinblick auf die Pressefreiheit den vorläufigen Rechtsschutz unverhältnismäßig eingeengt.

Dennoch hat der Tagesspiegel den Rechtsstreit verloren, weist aber auf den Erfolg für die Pressefreiheit hin. Die vorausgegangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, wie das Bundesverfassungsgericht meint. Wenn der Beschwerdeführer demnach Auskünfte über zurückliegenden Vorgänge verlangt, so obliege es ihm, näher dazu vorzutragen. Dafür genüge es nicht, lediglich darauf zu verweisen, dass

aktuell über die Lage in Syrien sowie in diesem Zusammenhang über Exporte berichtet wird und eine solche Berichterstattung im öffentlichen Interesse liegt. Es ist dem Beschwerdeführer zuzumuten, näher darzulegen, warum er gerade die angefragten Dokumente für eine effektive Presseberichterstattung sofort benötigt.

Dieser Darlegungsobliegenheit ist der „Tagesspiegel“ nicht nachgekommen.


Volltext der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Pressemitteilung Nr. 96/2014 vom 28. Oktober 2014:


Keine überhöhten Anforderungen an die Gewährung von Eilrechtsschutzbei presserechtlichen Auskunftsansprüchen


An die Gewährung von Eilrechtsschutz bei presserechtlichen

Auskunftsansprüchen dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt

werden. Dies hat die 3. Kammer des Ersten Senats des

Bundesverfassungsgerichts mit heute veröffentlichtem Beschluss

entschieden. Im Grundsatz genügt es nach Art. 19 Abs. 4 GG, den

Eilrechtsschutz zu gewähren, wenn ein gesteigertes öffentliches

Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung

vorliegen. Eine Beschränkung auf unaufschiebbare Fälle, wie zum Beispiel

auf die Aufdeckung von schweren Rechtsbrüchen staatlicher Stellen,

greift jedoch in unverhältnismäßiger Weise in die Pressefreiheit ein.

Die Verfassungsbeschwerde eines Journalisten hat die Kammer dennoch

nicht zur Entscheidung angenommen, da er die Eilbedürftigkeit seines

Antrags vor den Verwaltungsgerichten nicht hinreichend dargelegt hat.

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist Redakteur einer Tageszeitung. Im September 2013

bat er den Bundesnachrichtendienst um Auskünfte über den Export

sogenannter Dual-Use-Güter, die für die Herstellung von Waffen geeignet

sein können, nach Syrien in der Zeit von 2002 bis 2011. Der

Bundesnachrichtendienst verweigerte die erbetenen Angaben, da er dazu

ausschließlich der Bundesregierung und den zuständigen Gremien des

Bundestags berichte und der Ausfuhrausschuss der Bundesregierung nicht

öffentlich tage. Im Oktober 2013 suchte der Beschwerdeführer um

vorläufigen Rechtsschutz beim Bundesverwaltungsgericht nach. Mit

angegriffenem Beschluss vom 26. November 2013 lehnte das

Bundesverwaltungsgericht in erstinstanzlicher Zuständigkeit den Antrag

auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

1. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst

lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen

Gewalt. Die Gerichte sind gehalten, der besonderen Bedeutung der jeweils

betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven

Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Je schwerer die aus der Versagung

vorläufigen Rechtsschutzes ergebenden Belastungen wiegen und je geringer

die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie im Falle des Obsiegens in der

Hauptsache rückgängig gemacht werden können, umso weniger darf das

Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend

gemachten Rechtspositionen zurückgestellt werden. Diese Anforderungen

wirken auch auf den verwaltungsprozessualen Grundsatz des Verbots der

Vorwegnahme der Hauptsache zurück und begrenzen diesen im Einzelfall.

2. Das Bundesverwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass hier die

Frage nach der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Problem

einer - zumindest teilweisen - verwaltungsprozessualen Vorwegnahme der

Hauptsache verbunden ist. Die hieraus für den vorliegenden Fall

gefolgerten Anforderungen sind mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht

frei von Bedenken, letztlich aber verfassungsmäßig.

a) Bei einer Eilentscheidung über einen solchen Auskunftsanspruch der

Presse ist die grundrechtliche Dimension der Pressefreiheit zu beachten.

Erst der prinzipiell ungehinderte Zugang zu Informationen versetzt die

Presse in den Stand, die ihr in der freiheitlichen Demokratie zukommende

Funktion wirksam wahrzunehmen. Soweit die Vorwegnahme der Hauptsache nur

bei Vorliegen eines schweren Nachteils zulässig ist, muss dabei auch die

Bedeutung der Auskunftsansprüche für eine effektive

Presseberichterstattung hinreichend beachtet werden.

b) Die angegriffene Entscheidung berücksichtigt im Ergebnis hinreichend

das grundrechtlich geschützte Interesse des Beschwerdeführers an einer

hinsichtlich des Zeitpunkts möglichst selbstbestimmten Publikation von

bestimmten Inhalten, die einen Beitrag zur öffentlichen Diskussion

leisten und möglicherweise auf erkannte Missstände hinweisen sollen.

(1) Verfassungsrechtlich bedenklich ist es allerdings, wenn das

Bundesverwaltungsgericht bei seiner auf das Anordnungsverfahren

begrenzten Maßstabsbildung davon ausgeht, dass eine gewisse

Aktualitätseinbuße von der Presse regelmäßig hinzunehmen sei und eine

Ausnahme „allenfalls“ dann vorliege, wenn Vorgänge in Rede stünden, die

unabweisbar einer sofortigen, keinen Aufschub duldenden journalistischen

Aufklärung bedürften, etwa wenn manifeste Hinweise auf aktuelle schwere

Rechtsbrüche staatlicher Stellen vorlägen oder ein unmittelbares

staatliches Handeln zur Abwehr von Gemeinwohlgefahren dringend gefordert

sein könnte. Diese Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts führt den

schweren Nachteil zu eng und legt damit einen Maßstab an, der die

Aufgabe der Presse in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat

nicht hinreichend berücksichtigt.

Das „Ob“ und „Wie“ der Berichterstattung ist Teil des

Selbstbestimmungsrechts der Presse, das auch die Art und Weise ihrer

hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt.

Kann sich die Presse im Wege gerichtlichen Eilrechtsschutzes von

öffentlichen Stellen aber solche Informationen nur unter den

Voraussetzungen beschaffen, die das Bundesverwaltungsgericht in der

angegriffenen Entscheidung nennt, so begrenzt dies im Blick auf die

Pressefreiheit den vorläufigen Rechtsschutz unverhältnismäßig.

Zwar genügt es, wenn Eilrechtsschutz nur gewährt wird, wo ein

gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der

Berichterstattung vorliegen. Dies kann jedoch nicht deshalb verneint

werden, weil die Berichterstattung nicht auf unaufschiebbare Berichte

ziele und sie im Übrigen auch später möglich bleibe. Vielmehr kann die

Presse ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktion nur wahrnehmen, wenn an

den Eilrechtsschutz in Auskunftsverfahren auch hinsichtlich der

Aktualität einer Berichterstattung keine überhöhten Anforderungen

gestellt werden.

(2) Dennoch ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im

Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn für den konkreten Fall hat das

Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes

verfassungsrechtlich unbedenklich verneint. Zu Recht geht es davon aus,

dass der Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich gemacht hat, warum

seine Anfrage, die sich auf Vorgänge der Jahre 2002 bis 2011 bezieht,

nun eine solche Eile zukommt, dass hierüber nur im Wege einstweiligen

Rechtsschutzes, zumal unter Vorwegnahme der Hauptsache, entschieden

werden kann. Zwar können auch zurückliegende Vorgänge unter veränderten

Umständen plötzlich eine Relevanz bekommen, die eine Eilbedürftigkeit

begründet. Wenn der Beschwerdeführer jedoch Auskünfte über solche

zurückliegenden Vorgänge verlangt, so obliegt es ihm, näher dazu

vorzutragen. Dafür genügt es nicht, lediglich darauf zu verweisen, dass

aktuell über die Lage in Syrien sowie in diesem Zusammenhang über

Dual-Use-Exporte berichtet wird und eine solche Berichterstattung im

öffentlichen Interesse liegt. Es ist dem Beschwerdeführer zuzumuten,

näher darzulegen, warum er gerade die angefragten Dokumente für eine

effektive Presseberichterstattung sofort benötigt.