Frage an Stellenbewerber nach eingestellten Ermittlungsverfahren - BAG 6 AZR 339/11
Fragt ein Arbeitgeber in einem Einstellungsgespräch nach einer Schwangerschaft, besteht ein „Recht auf Lüge“. Das BAG hatte zu entscheiden, ob ein Stellenbewerber auch wahrheitswidrige Angaben über gegen ihn anhängige Ermittlungsverfahren machen darf.
Der spätere Kläger bewarb sich als sogenannter Seiteneinsteiger im Sommer 2009 als Lehrer an einer Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Vor seiner Einstellung wurde er aufgefordert, auf einem Vordruck zu erklären, ob er vorbestraft sei, und zu versichern, dass gegen ihn kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft anhängig sei oder innerhalb der letzten drei Jahre anhängig gewesen sei. Der Kläger unterzeichnete den Vordruck, ohne Angaben zu etwaigen Ermittlungsverfahren zu machen. Er wurde zum 15. September 2009 eingestellt. Im Oktober 2009 erhielt die zuständige Bezirksregierung einen anonymen Hinweis, der sie veranlasste, die Staatsanwaltschaft um Mitteilung strafrechtsrelevanter Vorfälle zu bitten. Die daraufhin übersandte Vorgangsliste wies mehrere nach §§ 153 ff. StPO eingestellte Ermittlungsverfahren aus. Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich, weil der Kläger die Frage nach Ermittlungsverfahren unrichtig beantwortet habe. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Bereits eingestellte Ermittlungsverfahren habe er nicht angeben müssen.
Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung, das Landesarbeitsgericht auch die ordentliche Kündigung als unwirksam angesehen. Die hiergegen eingelegte Revision des beklagten Landes blieb vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg.
Der Arbeitgeber darf den Stellenbewerber grundsätzlich nicht nach eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren fragen. Eine solche unspezifizierte Frage verstößt gegen Datenschutzrecht und die Wertentscheidungen des § 53 Bundeszentralregistergesetz (BZRG). Stellt der Arbeitgeber die Frage dennoch und verneint der Bewerber in Wahrnehmung seines informationellen Selbstbestimmungsrechts wahrheitswidrig, dass gegen ihn Ermittlungsverfahren anhängig waren, darf der Arbeitgeber das zwischenzeitlich begründete Arbeitsverhältnis nicht wegen dieser wahrheitswidrig erteilten Auskunft kündigen (BAG, Urteil vom 15. November 2012 - 6 AZR 339/11).
Eine Erhebung von Daten, wie sie die unspezifizierte Frage nach Ermittlungsverfahren darstellt, ist nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen nur zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift erlaubt ist oder der Betroffene einwilligt. Solche Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren sind nach Ansicht des BAG für die Bewerbung um eine Stelle als Lehrer nicht erforderlich und damit nicht durch § 29 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen gestattet. Die allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung der Frage nach Ermittlungsverfahren gestützte Kündigung verstieß deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bei dem es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) handelt, zum Ausdruck kommt. Sie war deshalb gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.
Volltext des Urteils des Bundesarbeitsgerichts BAG, Urteil vom 15. November 2012 - 6 AZR 339/11:
Leitsatz
An der Informationsbeschaffung durch die unspezifizierte Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren an den Stellenbewerber besteht grundsätzlich kein berechtigtes Interesse des potenziellen Arbeitgebers. Eine solche Frage ist damit im Regelfall nicht erforderlich iSv. § 29 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW (juris: DSG NW 2000). Das ergibt sich aus den Wertentscheidungen des § 53 BZRG. Eine allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung einer solchen Frage gestützte Kündigung verstößt deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Ausdruck kommt, und ist nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.
Tenor
1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 10. März 2011 - 11 Sa 2266/10 - wird zurückgewiesen.
2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
[1] Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung in der Wartezeit, die erklärt worden ist, weil der Kläger im Bewerbungsverfahren wahrheitswidrig versichert hat, es lägen keine eingestellten Ermittlungsverfahren vor.
[2] Der 1961 geborene, geschiedene Kläger ist ausgebildeter Diplomingenieur. Er bewarb sich am 17. Juli 2009 bei der Bezirksregierung D als sog. Seiteneinsteiger für eine Tätigkeit als Lehrer an einer Hauptschule des beklagten Landes. Dieses teilte dem Kläger mit, er werde ein Einstellungsangebot erhalten und forderte ihn auf, das Formular "Einstellung in den öffentlichen Dienst - Belehrung und Erklärung -" auszufüllen und zu unterschreiben. Ziff. 2 "Vorstrafen und anhängige Straf- oder Ermittlungsverfahren" dieses Formulars lautet:
"2. 1 B e l e h r u n g
Nach § 51 des Bundeszentralregistergesetzes darf sich ein/e Bewerber/in als unbestraft bezeichnen und braucht er/sie den einer Verurteilung zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren, wenn die Verurteilung nicht in ein Führungszeugnis oder nur in ein solches für Behörden aufzunehmen oder im Zentralregister zu tilgen ist.
Ein/e Bewerber/in ist verpflichtet, gegenüber einer obersten Landesbehörde auch über diejenigen Verurteilungen Auskunft zu geben, die nicht in ein Führungszeugnis oder nur in solche für Behörden aufzunehmen sind.
2. 2 E r k l ä r u n g
Ich versichere hiermit, dass ich - nicht *) - wie folgt *) vorbestraft bin:
2. 3 E r k l ä r u n g
Ich versichere, dass gegen mich kein gerichtliches Strafverfahren und kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen eines Vergehens oder Verbrechens anhängig ist oder innerhalb der letzten 3 Jahre anhängig gewesen ist. …"
[3] Ohne zu Ziff. 2. 2 oder Ziff. 2. 3 Angaben zu machen, unterschrieb der Kläger die Erklärung am 7. September 2009.
[4] Das Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten in Nordrhein-Westfalen (Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen - DSG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Juni 2000 bestimmt zur Zulässigkeit der Datenverarbeitung in Arbeitsverhältnissen:
"§ 1. Aufgabe
Aufgabe dieses Gesetzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch die Verarbeitung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen in unzulässiger Weise in seinem Recht beeinträchtigt wird, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner Daten zu bestimmen (informationelles Selbstbestimmungsrecht).
§ 2 Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für die Behörden, Einrichtungen und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes … soweit diese personenbezogene Daten verarbeiten. …
(3) Soweit besondere Rechtsvorschriften auf die Verarbeitung personenbezogener Daten anzuwenden sind, gehen sie den Vorschriften dieses Gesetzes vor. …
§ 4. Zulässigkeit der Datenverarbeitung
(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nur zulässig, wenn
a) dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder
b) die betroffene Person eingewilligt hat. …
§ 29. Datenverarbeitung bei Dienst- und Arbeitsverhältnissen
(1) Daten von Bewerbern und Beschäftigten dürfen nur verarbeitet werden, wenn dies zur Eingehung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder zur Durchführung organisatorischer, personeller und sozialer Maßnahmen, insbesondere auch zu Zwecken der Personalplanung und des Personaleinsatzes, erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift, ein Tarifvertrag oder eine Dienstvereinbarung dies vorsieht. …"
[5] Am 8. September 2009 begründeten die Parteien ein vom 15. September 2009 bis zum 14. September 2010 zur Erprobung befristetes Arbeitsverhältnis. Sie vereinbarten die Geltung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sowie eine Probezeit von sechs Monaten. Am 15. September 2009 nahm der Kläger die Tätigkeit auf. Im Oktober 2009 ging ein anonymes Schreiben bei der Schule des Klägers und der zuständigen Bezirksregierung ein, in dem darauf hingewiesen wurde, der Kläger stehe unter dem Verdacht des Kindesmissbrauchs. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2009 leitete die Bezirksregierung dieses Schreiben an die Staatsanwaltschaft mit der Bitte weiter, strafrechtsrelevante Vorfälle mitzuteilen. Die daraufhin übersandte Vorgangsliste vom 3. November 2009 enthielt folgende Angaben: …
[6] Von den Ermittlungsverfahren - 271 Js 301/08 - und - 271 Js 304/08 - hatte der Kläger keine Kenntnis.
[7] Nach Zustimmung des Personalrats kündigte das beklagte Land mit Schreiben vom 12. November 2009 das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung. Hilfsweise erklärte es die Anfechtung des Arbeitsvertrags und ebenfalls hilfsweise die ordentliche Kündigung innerhalb der Probezeit zum 30. November 2009. Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben.
[8] Der Kläger hat gemeint, er habe die abgeschlossenen und eingestellten Ermittlungsverfahren nach den Wertungen des Bundeszentralregistergesetzes nicht angeben müssen.
[9] Mit dem Hinweis, der Antrag sei als Kündigungsschutzantrag nach § 4 KSchG zu verstehen, hat der Kläger - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30. November 2009 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
[10] Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags angeführt, das Vertrauensverhältnis zum Kläger sei zerstört, weil er im Einstellungsverfahren die gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren wahrheitswidrig verschwiegen habe. Die Frage nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren sei nicht zu beanstanden. Für die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers sei es unerheblich, ob das Ermittlungsverfahren beendet sei oder nicht. Maßgeblich sei, welcher Sachverhalt dem Verfahren zugrunde liege.
[11] Das Arbeitsgericht hat angenommen, das Arbeitsverhältnis sei weder durch die außerordentliche Kündigung noch die Anfechtung beendet worden. Die ordentliche Kündigung hat es für wirksam gehalten. Hiergegen hat nur der Kläger Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 12. November 2009 nicht aufgelöst worden ist. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
[12] Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Die Kündigung des beklagten Landes vom 12. November 2009 ist gemäß § 138 BGB unwirksam.
[13] I. Die Kündigung vom 12. November 2009 ist nicht bereits gemäß § 612a BGB iVm. § 134 BGB nichtig. Im Zeitpunkt der Frage nach laufenden oder abgeschlossenen Ermittlungsverfahren war der Kläger noch nicht Arbeitnehmer, sondern Stellenbewerber. Das Maßregelungsverbot des § 612a BGB erfasst nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nur Arbeitnehmer (vgl. BAG 15. Februar 2005 - 9 AZR 116/04 - zu B II 2 b ee (1) der Gründe, BAGE 113, 327). Es soll nach dem Willen des Gesetzgebers die geltende Rechtslage klarstellen und das Maßregelungsverbot insbesondere bei Kündigungen auf alle Arbeitnehmer erstrecken, also auch auf solche, für die das Kündigungsschutz- oder Betriebsverfassungsgesetz nicht gilt (BT-Drucks. 8/3317 S. 10, 16). Auf Stellenbewerber findet § 612a BGB damit keine Anwendung (LAG Berlin-Brandenburg 21. Juli 2008 - 10 Sa 555/08 - Rn. 36; APS/Linck 4. Aufl. § 612a Rn. 4; MünchKommBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 612a Rn. 4, 14; KR/Treber 10. Aufl. § 612a BGB Rn. 3c; Wilken Regelungsgehalt des Maßregelungsverbots gem. § 612a BGB S. 162 f.; Faulenbach Das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot S. 55). Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsausübung wie im vorliegenden Fall noch im Anbahnungsverhältnis, die nachteilige Maßnahme aber erst im später geschlossenen Arbeitsverhältnis erfolgt. Das Maßregelungsverbot soll verhindern, dass Arbeitnehmerrechte deshalb nicht wahrgenommen werden, weil der Arbeitnehmer mit Benachteiligungen rechnen muss (BAG 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - zu B III 3 b der Gründe, BAGE 61, 131). Es soll den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit bei der Entscheidung darüber schützen, ob er ein Recht ausüben will oder nicht (BAG 21. September 2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 32 mwN, EzA BGB 2002 § 612a Nr. 7). Der Fall der Rechtsausübung vor Begründung des Arbeitsverhältnisses, die erst im späteren Arbeitsverhältnis zu Nachteilen führt, wird demnach vom Schutzzweck des § 612a BGB nicht erfasst.
[14] II. Die Kündigung ist jedoch gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Die im Formular "Einstellung in den öffentlichen Dienst - Belehrung und Erklärung -" abgefragten Informationen zu abgeschlossenen Ermittlungsverfahren waren für die Bewerbung des Klägers um eine Stelle als Lehrer nicht erforderlich und damit nicht durch § 29 DSG NRW gestattet. Die nach den nicht angegriffenen und für den Senat damit bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts allein auf die wahrheitswidrige Beantwortung der unspezifizierten Frage nach staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren, die in den letzten drei Jahren anhängig gewesen sind, gestützte Kündigung vom 12. November 2009 verstieß deshalb gegen die objektive Wertordnung des Grundgesetzes, wie sie im Recht auf informationelle Selbstbestimmung, bei dem es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt, zum Ausdruck kommt.
[15] 1. In den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes verkörpert sich eine objektive Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und der vor allem auch bei der Interpretation zivilrechtlicher Generalklauseln maßgebliche Bedeutung zukommt. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Generalklauseln müssen deshalb die Zivilgerichte die Grundrechte als "Richtlinien" beachten. § 138 BGB als eine dieser Generalklauseln ist darum am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden, zu konkretisieren (BVerfG 19. Oktober 1993 - 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89 - BVerfGE 89, 214; vgl. auch BAG 23. Juni 1994 - 2 AZR 617/93 - BAGE 77, 128).
[16] 2. Zu den nach diesen Grundsätzen für die Anwendung des § 138 BGB maßgeblichen Wertvorstellungen des Grundgesetzes gehört auch das informationelle Selbstbestimmungsrecht als Ausprägung des durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die gesetzlichen Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung im DSG NRW konkretisieren und aktualisieren den Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts und regeln, in welchem Umfang Eingriffe in dieses Recht zulässig sind (vgl. Simitis in Simitis BDSG 7. Aufl. § 1 Rn. 28). Dies stellt § 1 DSG NRW ausdrücklich klar. Hat wie hier der Betroffene nicht in die Datenverarbeitung eingewilligt, ist nach dem Gesamtkonzept des DSG NRW die Datenverarbeitung nur zulässig, wenn dies durch eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift erlaubt ist. Fehlt es an der danach erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser das deutsche Datenschutzrecht prägende Grundsatz ist in § 4 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW kodifiziert (vgl. für das BDSG Sokol in Simitis BDSG § 4 Rn. 2 f.; Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 4 Rn. 3). Die der Argumentation des beklagten Landes zugrunde liegende Annahme, Fragen nach bestimmten Sachverhalten vor der Einstellung seien erlaubt, sofern es keine Vorschrift gebe, die eine solche Frage untersage, ist demnach unzutreffend.
[17] 3. Die nach dem Datenschutzrecht erforderliche Erlaubnis für die Erhebung von Daten über abgeschlossene staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren durch die unspezifizierte Frage nach solchen Verfahren im Einstellungsfragebogen lässt sich der allein als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW nicht entnehmen. Die unspezifizierte Frage nach abgeschlossenen Ermittlungsverfahren war für die Begründung und Durchführung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit dem beklagten Land nicht erforderlich im Sinne dieser Vorschrift und damit nicht gestattet. Dies folgt aus den Wertentscheidungen des Gesetzgebers in § 53 BZRG. Der Kläger durfte deshalb die eingestellten Ermittlungsverfahren verschweigen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen.
[18] a) Die Bezirksregierung D ist als Landesmittelbehörde (§ 7 Abs. 2 Landesorganisationsgesetz NRW - LOG NRW) eine Behörde, die gemäß § 2 Abs. 1 DSG NRW die Vorschriften des DSG NRW zu achten hat. Die Frage nach abgeschlossenen Ermittlungsverfahren ist als Beschaffen von personenbezogenen Daten eine Erhebung von Daten und damit eine Datenverarbeitung iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 DSG NRW. Auch nicht automatisierte Datenerhebungen werden gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 vom DSG NRW erfasst.
[19] b) § 29 DSG NRW stellt eine eigenständige Regelung zum Bewerber- und Beschäftigtendatenschutz im öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen dar, die gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG den seit dem 1. September 2009 geltenden § 32 BDSG in ihrem Anwendungsbereich verdrängt und die ausdrücklich auch Bewerber und damit die Zulässigkeit von Fragen im Bewerbungs- und Einstellungsverfahren erfasst.
[20] c) Das DSG NRW legt allerdings nicht selbst fest, wann eine solche Datenverarbeitung durch Fragen des potentiellen Arbeitgebers im Bewerbungs- und Einstellungsverfahren erforderlich und damit zulässig ist.
[21] aa) Zur Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs kann auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Fragerecht des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren zurückgegriffen werden. Mit der Anknüpfung an den Begriff der "Erforderlichkeit" wird die bis dahin vorwiegend richterrechtlich geprägte Rechtslage nicht geändert, sondern lediglich konkretisiert und kodifiziert (vgl. Stähler Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen 2. Aufl. Teil E Erl. § 29 Rn. 3; vgl. für § 32 BDSG Riesenhuber NZA 2012, 771, 776; ErfK/Franzen 13. Aufl. § 32 BDSG Rn. 1; Seifert in Simitis BDSG 7. Aufl. § 32 Rn. 22). Ausgehend von dem unter Rn. 16 bereits dargelegten Gesamtkonzept des DSG NRW besteht damit ein grundsätzliches Frageverbot, das nur ausnahmsweise, nämlich dann, wenn die Datenerhebung erforderlich ist, in ein von § 29 DSG NRW gedecktes Fragerecht umschlägt (Riesenhuber aaO S. 775 f.). Dabei sind an das Vorliegen der Erforderlichkeit nach dem Willen des Gesetzgebers strenge Anforderungen zu stellen (Drucksache des Landtags Nordrhein-Westfalen 10/1565 S. 64).
[22] bb) Fragen nach personenbezogenen Daten vor der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses sind danach nur dann iSv. § 29 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW erforderlich, wenn der künftige Arbeitgeber ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage bzw. der Informationsbeschaffung im Hinblick auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses hat und das Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung seiner Daten das Interesse des Arbeitgebers an der Erhebung dieser Daten nicht überwiegt (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 12 f., 26, AP SGB IX § 85 Nr. 9 = EzA AGG § 3 Nr. 7). Bei der erforderlichen Abwägung ist Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten, soweit es um die Einstellung in den öffentlichen Dienst geht. Geeignet iSv. § 33 Abs. 2 GG ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist. Zur Eignung gehören die Fähigkeit und innere Bereitschaft, die dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, insbesondere die Freiheitsrechte der Bürger zu wahren und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten (vgl. BAG 27. Juli 2005 - 7 AZR 508/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 115, 296).
[23] cc) Das Bundesarbeitsgericht hat nach diesen Grundsätzen ein berechtigtes Interesse des öffentlichen Arbeitgebers anerkannt, sich bei einem Bewerber um ein öffentliches Amt nach anhängigen Straf- und Ermittlungsverfahren zu erkundigen, wenn bereits ein solches Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen kann (vgl. BAG 27. Juli 2005 - 7 AZR 508/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 115, 296; 20. Mai 1999 - 2 AZR 320/98 - zu B I 1 b cc der Gründe, BAGE 91, 349).
[24] dd) An der Informationsbeschaffung durch die unspezifizierte Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren an den Stellenbewerber besteht dagegen grundsätzlich kein berechtigtes Interesse des potentiellen Arbeitgebers. Eine solche Frage ist damit im Bewerbungsverfahren im Regelfall nicht erforderlich iSv. § 29 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW (vgl. Milthaler Das Fragerecht des Arbeitgebers nach den Vorstrafen des Bewerbers S. 175 f. mwN; ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 281; Adam ZTR 2003, 158, 162; Linnenkohl ArbuR 1983, 129, 140; demgegenüber Ausnahmen für nach §§ 153, 153a StPO eingestellte Verfahren ohne weitere Begründung für möglich haltend: HWK/Thüsing 5. Aufl. § 123 BGB Rn. 13). Dies ergibt sich aus den Wertentscheidungen des § 53 BZRG (BAG 6. September 2012 - 2 AZR 270/11 - zu I 1 a aa der Gründe; 21. Februar 1991 - 2 AZR 449/90 - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 35 = EzA BGB § 123 Nr. 35). Das übersieht die Revision, wenn sie anhängige und abgeschlossene Ermittlungsverfahren gleichsetzen und nur auf den den Ermittlungen zugrunde liegenden Sachverhalt abstellen will.
[25] (1) Nach § 53 Abs. 1 BZRG dürfen Verurteilte sich als unbestraft bezeichnen und brauchen den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren, wenn die Verurteilung nicht in das Führungszeugnis oder nur in ein Führungszeugnis nach § 32 Abs. 3, Abs. 4 BZRG aufzunehmen ist. Das Verschweigerecht besteht nach entsprechender Belehrung des Verurteilten gemäß § 53 Abs. 2 BZRG allerdings nicht, soweit Gerichte oder Behörden hinsichtlich nicht getilgter Verurteilungen ein Recht auf unbeschränkte Auskunft haben. Anspruch auf unbeschränkte Auskunft nach dem Register haben die in § 41 BZRG genannten Behörden. Auch diesen Stellen ist im von § 41 BZRG geregelten Umfang jedoch nur Auskunft über die in das Register eingetragenen Sachverhalte zu gewähren. Nach § 3 BZRG iVm. mit §§ 4 bis 8 BZRG ist im hier interessierenden Zusammenhang auch in den Fällen des § 53 Abs. 2 BZRG nur Auskunft über strafgerichtliche Verurteilungen zu erteilen. Eingestellte staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren sind in diesen Vorschriften nicht aufgeführt. Solche Verfahren sind nicht in das Register einzutragen. Für diese Entscheidung des Gesetzgebers waren rechtsstaatliche Bedenken ausschlaggebend. Ohne Schuldnachweis erschienen dem Gesetzgeber die aus einer Eintragung möglicherweise folgenden nachteiligen Wirkungen nicht vertretbar (KK/Schoreit StPO 6. Aufl. § 153a Rn. 45; Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 153a Rn. 60). Eingestellte Ermittlungsverfahren sind daher weder in ein Führungszeugnis aufzunehmen noch ist über sie gegenüber Gerichten und Behörden iSv. § 53 Abs. 2 BZRG Auskunft zu erteilen. Besteht aber ein Verschweigerecht bereits in den von § 53 BZRG ausdrücklich geregelten Fällen, ist ein solches Recht erst recht anzunehmen, wenn nach Vorgängen gefragt wird, die von vornherein nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen sind und über die selbst den in § 53 Abs. 2 BZRG genannten Stellen keine Auskunft erteilt werden kann (in diesem Sinn Hase BZRG § 53 Rn. 2; Milthaler Das Fragerecht des Arbeitgebers nach den Vorstrafen des Bewerbers S. 176; für eine analoge Anwendung auf Verfahrenseinstellungen: Rebmann/Uhlig BZRG § 53 Rn. 3).
[26] (2) Unerheblich ist nach diesen Grundsätzen entgegen der Auffassung der Revision, welcher Sachverhalt den Ermittlungen zugrunde lag. Endet ein Strafverfahren durch Einstellung nach §§ 153 ff. StPO, kann der Betroffene ohne strafähnliche Sanktion resozialisiert werden (vgl. Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 153a Rn. 12 f.). Er steht weiter unter dem Schutz der Unschuldsvermutung (vgl. zu einer Verfahrenseinstellung nach § 154 StPO BVerfG 30. November 2007 - 2 BvR 2497/07 - Rn. 4). Diese Vermutung hat als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips Verfassungsrang und ist kraft Art. 6 Abs. 2 EMRK zugleich Bestandteil des positiven Rechts der Bundesrepublik Deutschland. Sie schützt den Beschuldigten auch vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung vorausgegangen ist. Bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld wird seine Unschuld vermutet (BVerfG 29. Mai 1990 - 2 BvR 254/88, 2 BvR 1343/88 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 82, 106). Kommt es nicht zu einem richterlichen Schuldspruch, gilt die Unschuldsvermutung fort (BVerfG 16. Mai 2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231). Im Unterschied zu laufenden Ermittlungsverfahren, bei denen die Rechtsprechung die Frage nach solchen Verfahren zulässt, weil noch ungewiss ist, ob dem Bewerber ein Verschweigerecht nach § 53 BZRG zukommen wird (vgl. BAG 27. Juli 2005 - 7 AZR 508/04 - zu I 1 b bb (2) der Gründe, BAGE 115, 296), steht nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens aufgrund der Unschuldsvermutung dem Betroffenen das Verschweigerecht nach § 53 BZRG zu.
[27] (3) Dem steht nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Einstellungen nach §§ 153 ff. StPO der Straftatverdacht nicht notwendig ausgeräumt ist (BVerfG 16. Mai 2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231) und deshalb Nachteile durch ein Ermittlungsverfahren nicht schlechthin ausgeschlossen sind (vgl. BAG 27. Juli 2005 - 7 AZR 508/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 115, 296). Nach gefestigter Rechtsprechung steht eine solche Einstellung einer eigenständigen Würdigung und Bewertung von Taten, die nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt haben, in einem Verwaltungsverfahren nicht entgegen. Verwaltungsbehörden und Gerichte können die im Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel bei den von ihnen zu treffenden Entscheidungen eigenständig würdigen. Ein gesetzliches Verwertungsverbot besteht insoweit nicht. Ein solches ergibt sich insbesondere nicht aus einer analogen Anwendung des § 51 Abs. 1 BZRG, weil insoweit keine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Das Bekanntwerden eines Gesetzesverstoßes, der nicht durch eine strafrechtliche Verurteilung geahndet worden ist, ist nicht in gleicher Weise wie der aus einer Verurteilung herrührende Strafmakel geeignet, die soziale Stellung des Betroffenen zu gefährden (BVerfG 16. Januar 1991 - 1 BvR 1326/90 - NJW 1991, 1530; BVerwG 20. März 2012 - 5 C 1. 11 - Rn. 42, BVerwGE 142, 132; 28. April 1998 - 3 B 174. 97 - Buchholz 418. 00 Ärzte Nr. 101; 26. März 1996 - 1 C 12. 95 - BVerwGE 101, 24).
[28] Diese Rechtsprechung hat für die Beurteilung der Zulässigkeit der Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren im Bewerbungsverfahren keine Bedeutung. Sie betrifft nur die eigenständige Verwertung und uU abweichende Würdigung der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse in einem späteren Verwaltungsverfahren. Sie beruht auf der Annahme, dass der Behörde die von ihr verwerteten Erkenntnisse in zulässiger Weise bekannt geworden sind. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung wäre deshalb das beklagte Land durch § 29 DSG NRW iVm. §§ 51, 53 BZRG grundsätzlich nicht gehindert gewesen, im Hinblick auf die durch die Vorgangsliste vom 3. November 2009 bekannt gewordenen Ermittlungsverfahren weitere Nachforschungen anzustellen und ggf. aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse eine mangelnde Eignung des Klägers für den angestrebten Beruf als Lehrer anzunehmen (vgl. VGH Baden-Württemberg 27. November 2008 - 4 S 2332/08 - Rn. 11, der die Verwertung der nach Akteneinsicht erlangten Erkenntnisse über eingestellte Ermittlungsverfahren zulässt). Auf diesen Kündigungsgrund hat das beklagte Land die Kündigung jedoch ausdrücklich nicht gestützt. Es kann daher dahinstehen, ob die Übersendung der Vorgangsliste von den Dateiregelungen in § 487 Abs. 2, § 474 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO iVm. § 14 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EGGVG gedeckt und damit nach § 12 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 iVm. § 13 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a DSG NRW statthaft war.
[29] ee) Nach diesen Grundsätzen war die Frage nach eingestellten Ermittlungsverfahren vor der Einstellung des Klägers durch das beklagte Land nicht erforderlich iSv. § 29 Abs. 1 DSG NRW. Das Interesse des Klägers an der Geheimhaltung der eingestellten Ermittlungsverfahren überwog das Interesse des beklagten Landes an der Erhebung dieser Daten. Der Kläger durfte deshalb die eingestellten Ermittlungsverfahren - soweit sie ihm überhaupt bekannt waren - verschweigen.
[30] 4. Für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 138 Abs. 1 BGB ist nicht erforderlich, dass das beklagte Land erkannt hat, dass es gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen und damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers verletzt hat. Ebenso wenig ist erforderlich, dass es in Schädigungsabsicht gehandelt hat. Es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Verletzung des Datenschutzes folgt, bzw. sich bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis dieser Tatsachen verschließt (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 144/09 - Rn. 30, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 134 = EzA BGB 2001 § 781 Nr. 2). Das beklagte Land macht nicht geltend, dass ihm seine eigenen Normen des Datenschutzes unbekannt sind.
[31] III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.