Klausel zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses - LAG BW 9 Sa 40/14
Die dem Arbeitnehmer in einem gerichtlichen Vergleich eingeräumte Möglichkeit, aus dem Arbeitsverhältnis vor dessen vereinbarter Beendigung durch einseitige schriftliche Erklärung auszuscheiden ("Turboklausel"), ist keine Kündigung im Sinne von § 623 BGB und bedarf daher nicht der gesetzlichen Schriftform. (Leitsatz)
Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20.8.2014 - 9 Sa 40/14:
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 01.04.2014, Az. 11 Ca 1/14 insgesamt abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin durch die mit Telefaxschreiben vom 26.11.2013 erfolgte Ankündigung zum 30.11.2013 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin das Arbeitsverhältnis formgerecht durch eine einseitige Erklärung entsprechend einer Vereinbarung in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vorzeitig beendet hat.
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Die Klägerin war seit dem 13. Mai 1997 zunächst als Krankenschwester und seit Januar 2011 als Pflegedienstleiterin zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von Euro 2.700,00 bei der Beklagten beschäftigt gewesen. Die Beklagte betreibt einen ambulanten Pflegedienst.
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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. August 2013 fristgerecht zum 28. Februar 2014. Hiergegen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Die Parteien schlossen einen Vergleich, in dem sie außer Streit stellten, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 26.8.2013 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 28.2.2014 enden wird.
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Darüber hinaus trafen sie in dem gerichtlichen Vergleich unter § 4 die folgende Vereinbarung:
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„Die Beklagte räumte der Klägerin das Recht zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein. Die Klägerin wird Ihr vorzeitiges Ausscheiden mit einer Ankündigungsfrist von drei Tagen, schriftlich, gegenüber der Beklagten anzeigen. Für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis verpflichtet sich die Beklagte, für jeden Kalendertag vorzeitigen Ausscheidens eine Sozialabfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG i.H.v.70,00 Euro brutto je Kalendertag an die Klägerin zu bezahlen.“
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Der Klägervertreter teilte mit Faxschreiben vom 26.11.2013 der Beklagten mit, dass die Klägerin zum 1.12.2013 als Krankenschwester eine andere Arbeitsstelle gefunden habe und zeigte das Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis zum 30.11.2013 an. Ein Original dieses Telefaxes ging bei der Beklagten nicht ein.
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Mit Schreiben vom 30.12.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristlos.
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Am 8.1.2014, der Beklagten zugegangen am 9.1.2014 erklärte die Klägerin erneut, dass sie vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis zum 12.1.2014 ausscheide.
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Am 3. Januar 2014 erhob die Klägerin beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung der Beklagten vom 30.12.2013. Durch Urteil vom 1.4.2014 hat das Arbeitsgericht rechtskräftig entschieden, dass diese Kündigung unwirksam ist.
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Mit Schriftsatz vom 26. Februar 2014 erweiterte die Klägerin die Klage dahin, festzustellen, dass sie vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis zum 30.11.2013 ausgeschieden ist. Dieser Antrag ist Streitgegenstand der Berufung.
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Diesbezüglich hat die Klägerin in erster Instanz vorgetragen, dass es ausreichend sei, die Ankündigung des vorzeitigen Ausscheidens per Telefax zu übermitteln. Die Schriftform sei nach § 137 Abs. 2 BGB gewahrt. Es handle sich bei der Möglichkeit der Klägerin, vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden um ein Optionsrecht, durch das ein früherer Beendigungszeitpunkt gewählt werden könne. Damit sei eine aufschiebende Bedingung, die durch die Optionserklärung unbedingt werde, vereinbart worden. Einer derartigen Gestaltung würden etwaige Vorschriften nur für den bedingten Vertragsabschluss, nicht jedoch für die Optionserklärung selbst gelten.
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Die Klägerin hatte vor dem Arbeitsgericht beantragt:
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1. Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten über ihren Anwalt, Herrn Rechtsanwalt S. mit Schreiben vom 30.12.2013 ausgesprochene fristlose Kündigung unwirksam ist.
2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin durch die mit Telefaxschreiben vom 26.11.2013 erfolgte Ankündigung vorzeitig zum 30.11.2013 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt, soweit für die Berufung von Interesse vor, dass die Klägerin durch das Faxschreiben vom 26.11.2013 nicht die erforderliche gesetzliche Schriftform nach § 623 BGB gewahrt habe. Diese gelte auch für die Möglichkeit des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis.
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Durch Urteil vom 1.4.2014 hat das Arbeitsgericht entschieden, dass die fristlose Kündigung unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Dieser Teil des Urteils ist rechtskräftig.
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Darüber hinaus hat es die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei durch das Telefaxschreiben vom 26.11.2013 nicht vorzeitig beendet worden. Dieses verstoße gegen die nach § 693 BGB erforderliche gesetzliche Schriftform. Die Mitteilung an den Arbeitgeber, dass das Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt beendet sein soll, stelle ebenfalls eine Kündigung dar. Die Option der Klägerin, durch einseitige Erklärung vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu können, stelle lediglich die eingeräumte Möglichkeit einer einseitigen vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhalten der gesetzlichen Kündigungsfrist dar. Das ändert aber nichts daran, dass die gesetzliche Schriftform zu wahren sei.
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Gegen das ihr am 3.6.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin fristgerecht am 27. 6. 2014 Berufung eingelegt und diese ebenso fristgerecht am 7.7.2014 begründet.
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Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, die Übersendung des Telefaxes an die Beklagte genüge der vereinbarten Schriftform in § 4 des arbeitsgerichtlichen Vergleiches. In diesem sei der Klägerin das Recht zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eingeräumt worden, welches mit einer Ankündigungsfrist von drei Tagen schriftlich gegenüber der Beklagten "anzuzeigen" war. Der Begriff der Anzeige sei in Recht und Gesetz vielfach verwendet. Es handle sich regelmäßig nicht um eine Willenserklärung, sondern um eine Bekanntgabe oder Mitteilung. In allen Fällen reiche die formlose Mitteilung, um die an die Anzeige geknüpften Rechtsfolgen herbeizuführen. So sei es auch im Mietrecht anerkannt, dass bei einem Vergleich in einem Räumungsprozess, der dem Mieter das Recht einräumt, durch einseitige Erklärung das Mietverhältnis vorzeitig zu beenden die Formvorschrift des § 568 Abs. 1 BGB nach gängiger Praxis nicht einzuhalten sei. § 623 BGB sei auf die Ausübung des Optionsrechtes der Klägerin zur vorzeitigen Beendigung nicht anzuwenden, weil diese Erklärung keine Kündigung des Arbeitsverhältnisses, welches bereits beendet sei darstelle, denn durch den Abschluss des Vergleiches sei das Arbeitsverhältnis de facto bereits beendet worden. In der vorliegenden Fallgestaltung sei auch dem Schutzzweck des § 623 BGB Genüge getan. Im übrigen sei die Beendigungserklärung vom 26.11.2013 dem gegnerischen Prozessbevollmächtigten zugestellt worden. Damit handele es sich um eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt, die erst recht ausreichen müsse, um hier die Schriftform zu wahren. Darüber hinaus handle die Beklagte treuwidrig, wenn sie sich nun weigere, die erhöhte Abfindung zu zahlen, obwohl ihr Prozessbevollmächtigter die schriftliche Anzeige der Klägerin erhalten habe.
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Die Klägerin beantragt daher:
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Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Freiburg vom 1.4.2014, Az. 11 Ca 1/14 wird festgestellt, dass die Klägerin durch die mit Telefaxschreiben vom 26.11.2013 erfolgte Ankündigung vorzeitig zum 30.11.2013 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie weist auf Bedenken bezüglich der Zulässigkeit des Antrags hin, da die Interessen der Klägerin vorrangig durch eine Leistungsklage auf Zahlung der erhöhten Abfindung geltend gemacht werden könnten. Im Übrigen habe die Erklärung der Klägerin die notwendige Schriftform des § 623 BGB nicht gewahrt und sei daher unwirksam, die Klägerin folglich zu diesem Zeitpunkt nicht vorzeitig ausgeschieden. Bei dem der Klägerin eingeräumten Optionsrecht handle es sich, wie das Arbeitsgericht zu Recht entschieden habe, um eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die bloße Formulierung, dass die Klägerin die vorzeitige Beendigung "anzuzeigen habe" ändere daran nichts. Die von der Klägerin benannten gesetzlichen Regelungen über Anzeigepflichten erfassten gerade nicht eine Fallkonstellation, in der aufgrund einer gesetzlichen Regelung für die herbeigeführte Rechtsfolge die Schriftform vorgeschrieben sei. Im Übrigen sei mit dem Begriff einer "Anzeige" nur zum Ausdruck gebracht worden, dass die Erklärung der Klägerin der Beklagten zugehen müsse. Es sei auch nicht so, dass das Arbeitsverhältnis durch den gerichtlichen Vergleich de facto bereits beendet gewesen sei. Auch die vereinbarte Freistellung der Klägerin lasse einen solchen Schluss nicht zu. Entgegen der Auffassung der Klägerin werde durch die einseitige Erklärung auch nicht ein Freistellungsverhältnis aufgehoben, sondern es handle sich noch bis zum Zeitpunkt des ursprünglich vereinbarten Endes um ein Arbeitsverhältnis. Die erfolgte Zustellung von Anwalt zu Anwalt ersetze nicht die gesetzliche Schriftform. Auch ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege nicht vor. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, wieso sich die Beklagte nicht auf die gesetzliche Schriftform berufen dürfe.
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Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG an sich statthafte Berufung ist form- und fristgerecht innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO.
II.
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Die Berufung ist begründet und führt zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Klägerin hat durch das Faxschreiben vom 26.11.2013 das Arbeitsverhältnis wirksam zum 30.11.2013 beendet.
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1. Die Klage ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung, ob ihr Arbeitsverhältnis durch das Schreiben vom 26.11.2013 aufgelöst worden ist, denn davon hängt die Höhe der von ihr zu beanspruchenden Abfindung ab. Dabei handelt es sich um die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Die Klägerin hat auch ein alsbaldiges Interesse an dieser Feststellung. Allerdings könnte die Klägerin auch eine Leistungsklage auf Zahlung der erhöhten Abfindung erheben. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Leistungsklage grundsätzlich vorrangig ist, weil sie eine bessere Rechtsschutzmöglichkeit bietet. Ausnahmsweise kann darauf jedoch im vorliegenden Fall verzichtet werden, da die Höhe der zu zahlenden Abfindung zwischen den Parteien unstreitig ist, seitens der Beklagten auch keinerlei Gegenansprüche geltend gemacht werden und daher der Rechtsstreit bereits durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Klägerin zur Befriedung der Parteien führt (Zöller/Greger, ZPO 30. Aufl. § 256 ZPO, Rn 8 m.w.N.).
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2. Die Klage ist auch begründet.
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a) Dem steht nicht entgegen, dass das Arbeitsgericht rechtskräftig entschieden hat, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 30.12.2013 nicht beendet worden ist. Allerdings beinhaltet die rechtskräftige Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch diese Kündigung beendet worden ist regelmäßig auch, dass zu diesem Zeitpunkt zwischen den Parteien noch ein Arbeitsverhältnis bestanden hat (BAG, Urt. v. 26.3.2009, 2 AZR 633/07).
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Allerdings geht das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Streitgegenstand und damit der Umfang der Rechtskraft eines stattgebenden Kündigungsschutzurteils dahingehend beschränkt werden kann, dass die (streitige) Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch eine frühere Kündigung ausgeklammert wird. Dem Arbeitgeber kann dann nicht entgegen gehalten werden, der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses sei bereits rechtskräftig festgestellt worden (BAG, Urt. v. 26.3.2009, 2 AZR 633/07; BAG Urt. v. 23.5.2013, 2 AZR 102/12). Es müssen sich jedoch ausreichend Anhaltspunkte in dem prozessualen Verhalten der Parteien ergeben, dass sie, obwohl eine nachfolgende Kündigung rechtskräftig für unwirksam erklärt wird, gleichwohl die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch davor eingetretene Umstände "offen halten wollen", also der Rechtskraft der Entscheidung über die spätere Kündigung entziehen wollen.
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Das gilt auch für den vorliegenden Fall, wenn es auch hier die Klägerin ist, der gegebenenfalls vorgehalten werden kann, durch die Rechtskraft der Entscheidung über die fristlose Kündigung vom 31.12.2013 stehe fest, dass zu diesem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Klägerin hat in ihrer Kündigungsschutzklage ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Arbeitsverhältnis bereits vor dem Ausspruch der Kündigung bereits beendet gewesen ist durch ihre Erklärung vom 26.11.2013. In den Schriftsätzen der Parteien war erstinstanzlich auch immer Gegenstand der Erörterung, ob die fristlose Kündigung nicht "ins Leere" gehen würde. Das Arbeitsgericht hat dann folgerichtig, weil es davon ausgegangen ist, dass die Erklärung der Klägerin vom 26.11.2013 das Arbeitsverhältnis nicht beendet, über die fristlose Kündigung entschieden. Aus Sicht beider Parteien war eine solche Entscheidung jedoch nur dann erforderlich, wenn das Arbeitsverhältnis nicht schon vorher durch die Erklärung der Klägerin beendet worden war.
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Zu demselben Ergebnis führt die Überlegung, dass der Kündigungsschutzantrag der Klägerin dahingehend zu verstehen ist, dass über ihn nur dann entschieden werden sollte, wenn das Arbeitsverhältnis nicht bereits durch die Erklärung vom 26.11.2013 beendet worden ist, denn andernfalls wäre die Kündigungsschutzklage mangels Bestehen eines Arbeitsverhältnisses sowieso abzuweisen gewesen. Es handelt sich daher bei der Erhebung der Kündigungsschutzklage um eine unbedingte, aber vorsorgliche Klagerhebung mithin um einen Hilfsantrag unter der innerprozessualen Bedingung, dass das Arbeitsgericht nicht bereits zu dem Ergebnis kommt, dass das Arbeitsverhältnis schon bereits vorher geendet hat. Da das Arbeitsgericht den Hauptantrag auf Erstellung der Beendigung durch die Erklärung vom 26.11.2013 abgewiesen hat, hat es über den Hilfsantrag zu entscheiden. Wenn die Klägerin nunmehr bezüglich ihres Hauptantrages Berufung einlegt, fällt insoweit auch der Hilfsantrag wieder zur Entscheidung des Berufungsgerichtes an. Bei einem Stattgeben bezüglich des Hauptantrages ist der Hilfsantrag gegenstandslos.
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b) Die Erklärung der Klägerin vom 26.11.2013 hat das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2013 beendet. Sie bedurfte nicht der gesetzlichen Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB, sondern das Telefax warte die gewillkürte Schriftform nach § 127 Abs. 2 BGB.
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§ 623 BGB findet auf die Erklärung der Klägerin vom 26.11.2013 in Ausübung ihres Optionsrechtes aus § 4 des gerichtlichen Vergleiches vom 2. Oktober 2013 keine Anwendung. Bei dieser einseitigen Erklärung der Klägerin handelt es sich nicht um eine Kündigung im Sinne von § 623 BGB, sondern um die Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechtes zur Umgestaltung der vertraglichen Vereinbarungen aus dem Abwicklungsvertrag, den der arbeitsgerichtliche Vergleich der Sache nach darstellt. Allerdings ist der Beklagten insoweit beizupflichten, dass der bloße Umstand, dass die Parteien der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt haben, durch eine schriftliche Erklärung, welche gegenüber der Beklagten "anzuzeigen ist ", nicht auf die gesetzliche Schriftform verzichten können, weil diese nicht zur Disposition der Parteien steht. Auch wenn die Klägerin nur eine "Anzeigepflicht" hat, ändert das nichts daran, dass die gesetzliche Schriftform dann zu beachten ist, wenn diese Art von Erklärung vom Tatbestand des § 623 BGB erfasst wird.
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Auf der anderen Seite haben die Parteien in ihrem Vergleich nicht vereinbart, dass die Klägerin das Arbeitsverhältnis unter einer abgekürzten Kündigungsfrist kündigen kann. Angesichts des Umstandes, dass an dem Zu-Stande-Kommen des Vergleiches das Arbeitsgericht sowie zwei Rechtsanwälte mitgewirkt haben, kann davon ausgegangen werden, dass dann, wenn man der Klägerin nur die Möglichkeit einer Kündigung mit verkürzter Kündigungsfrist hätte einräumen wollen, das auch entsprechend formuliert worden wäre. Vielmehr zeigt der Umstand, dass die Parteien in § 4 des Vergleiches von "einem Recht zum vorzeitigen Ausscheiden" sprechen, das die Klägerin mit einer "Ankündigungsfrist" gegenüber der Beklagten "anzuzeigen hat", dass hier nicht nur eine modifizierte Kündigungsmöglichkeit für die Klägerin geschaffen werden sollte, sondern ein eigenes Recht zur vorzeitigen Lossagung vom Arbeitsverhältnis unter gleichzeitiger Erhöhung der Abfindung.
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Der Sache nach ist in § 4 des Vergleiches der Klägerin das einseitige Recht zur Abänderung der Vereinbarungen des Vergleiches bezüglich des Beendigungszeitpunktes und der Höhe der Abfindung eingeräumt worden.
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Auf dieses Gestaltungsrecht der Klägerin findet § 623 BGB keine Anwendung. Vielmehr gilt diese Vorschrift nur für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag. Die Gestaltungsmöglichkeit der Klägerin stellt weder das eine noch das andere dar. Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die darauf abzielt, durch Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechtes das Arbeitsverhältnis zu beenden. Darum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, denn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben die Parteien durch den gerichtlichen Vergleich, der der Sache nach entweder ein Aufhebungsvertrag oder ein Abwicklungsvertrag ist, bereits formwirksam vereinbart. Vielmehr geht es nur darum, dass die Klägerin die bereits vereinbarten Modalitäten ihres Ausscheidens durch eine einseitige Erklärung abändern kann. Ihre Erklärung zielt daher nicht darauf ab, das bestehende Arbeitsverhältnis zu beenden, sondern die bereits getroffene Beendigungsvereinbarung zu modifizieren. Dies ist formfrei möglich, jedenfalls gilt hierfür nicht § 623 BGB, sondern es ist lediglich die von den Parteien vereinbarte gewillkürte Schriftform zu beachten, welche eingehalten ist.
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Das ist auch mit dem Zweck von § 623 BGB zu vereinbaren. Die Vorschrift dient zum einen der Beweisfunktion, in dem sie Unklarheiten darüber verhindern soll, ob überhaupt das Arbeitsverhältnis gekündigt worden ist und zum anderen hat sie eine Wahlfunktion für denjenigen, der eine Kündigung ausspricht ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB, Rn 1). Beiden Zwecken ist hier Rechnung getragen. Dadurch, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem gerichtlichen Vergleich geregelt ist, ist der Warnfunktion für beide Parteien Genüge getan. Sie wissen, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist. Ebenso wenig kann, nachdem dies in einem gerichtlichen Vergleich vereinbart ist, Streit über die Beendigung an sich entstehen.
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Der vorliegende Sachverhalt ist auch nicht dem des § 12 Abs. 1 KSchG vergleichbar. Hier wird angenommen, dass für die Lossagungserklärung des Arbeitnehmers die Schriftform des § 623 einzuhalten ist (Erfurter Kommentar/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn. 42). Dies ist deshalb berechtigt, weil durch die Lossagungserklärung ein ungekündigt bestehendes Arbeitsverhältnis beendet wird, während im vorliegenden Fall die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung und der Eintritt ihrer Wirkung durch den gerichtlichen Vergleich bereits feststehen.
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Im Übrigen würde selbst dann, wenn man für die Erklärung der Klägerin nach § 623 BGB die Einhaltung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses verlangen würde, dieses gewahrt sein. Die Schriftform für das Recht der Klägerin, durch einseitige Erklärung vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden ist dadurch gewahrt, dass dieses Recht schriftlich im Sinne der §§ 623 BGB, 126 BGB in dem gerichtlichen Vergleich vereinbart worden ist. Der gerichtliche Vergleich, in dem dieses Recht der Klägerin vereinbart ist, war nach § 127a BGB die gesetzliche Schriftform. Insoweit weist die Klägerin zu Recht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 12.5.2006 V ZR 97 / 05, Rz. 20) hin, dessen Gedanke, dass dem Schutzzweck einer Formvorschrift genügt ist, wenn die Vereinbarung der Option der Schriftform genügte, hier sinngemäß anzuwenden ist.
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Die Situation ist weiterhin mit der Unterzeichnung einer Blankoabrede vergleichbar, in der der eigentliche Vertragsinhalt zunächst nicht von der Unterschrift gedeckt wird, weil diese erst später von einer Partei (abredegemäß) ausgefüllt wird. Die Blankoabrede wahrt die gesetzliche Schriftform (Palandt/Ellenberger, BGB § 126 Rn. 7). Dem ist die vorliegende Situation vergleichbar. Der Klägerin wurde durch die Einräumung des Optionsrechtes anheimgestellt, den Inhalt des Vergleiches/Abwicklungsvertrages nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Zwar wurden ihr dafür keine Vorgaben gemacht, das betrifft allerdings nicht die Schutzbedürftigkeit der Klägerin, sondern allenfalls die der Beklagten, die sich durch die Einräumung des Optionsrechtes im Rahmen der Vereinbarungen des § 4 des Vergleiches dem Willen der Klägerin unterworfen hat.
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Aus den genannten Gründen war also die Erklärung der Klägerin vom 26.11.2013 formwirksam, weil sie lediglich die gewillkürte Schriftform zu wahren hatte. Die (erneute) Einhaltung der gesetzlichen Schriftform war nicht erforderlich.
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Aus diesem Grunde hat diese Erklärung das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2013 beendet. Es war daher nach dem Feststellungsantrag der Klägerin zu erkennen. Das Urteil des Arbeitsgerichts war dementsprechend abzuändern.
III.
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Die Kosten des Rechtstreits hat nach § 91 ZPO die Beklagte zu tragen, da sie vollumfänglich unterlegen ist. Auch insoweit war das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern.
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Für die Beklagte war die Revision zuzulassen, da die Beantwortung der vorliegenden Rechtsfrage, die angesichts der Häufigkeit derartiger Vertragsklauseln ("Turboklausel") von allgemeinem Interesse ist, soweit ersichtlich weder in der Literatur noch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt ist.