Kündigung wegen Beleidigung einer Arbeitskollegin - LAG Mainz 4 Sa 245/13
Die Mitarbeiterin eines Modegeschäfts erhielt die fristlose Kündigung, weil sie eine Arbeitskollegin als "dreckige Diebin" sowie "blöde Kuh" bezeichnet, nachdem sie dieser zunächst die Entnahme von 20,00 EUR aus der Ladenkasse unterstellt habe und anschließend in einem Telefonat gegenüber ihrem Ehemann wahrheitswidrig behauptet hat, die Arbeitskollegin habe ihr ins Gesicht geschlagen.
Das Landesarbeitsgericht Mainz sieht hierin einen wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB, der zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigt (LAG Mainz - 4 Sa 245/13).
Nach der Rechtsprechung stellen grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen gravierenden Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar, was eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigt. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung berufen.
Das Gericht hat diese Äußerungen der Mitarbeiterin als derart schwerwiegend angesehen, dass es eine Abmahnung als milderes Mittel zur Kündigung als entbehrlich ansah.
Bei einer fristlosen Kündigung stets vorzunehmenden Interessenabwägung sprachen zu Gunsten der Klägerin sowohl deren sehr lange Betriebszugehörigkeit von rund 30 Jahren und auch ihr Lebensalter von 53 Jahren bei Kündigungsausspruch. Demgegenüber ist jedoch zu Gunsten des beklagten Arbeitgebers zu berücksichtigen, dass er nach Ansicht des LAG schwerwiegende Beleidigungen und wahrheitswidrige Bezichtigungen unter seinen Beschäftigten schlichtweg nicht dulden kann. Überdies sei das Fehlverhalten der Klägerin geeignet, den Betriebsfrieden irreparabel zu zerstören, zumal das Fehlverhalten in keiner Weise provoziert worden sei.
Die Abwägung des Gerichts ergab ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendgung des Arbeitsverhältnisses. Die Kündigungsschutzklage war demnach abzuweisen.
Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Mainz - 4 Sa 245/13:
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 7.2.2013- 1 Ca 1530/12 - wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Die am 13.05.1959 geborene Klägerin war seit dem 01.09.1982 als Fachverkäuferin in Modegeschäften beschäftigt, die zunächst von der Beklagten selbst, sodann vorübergehend von deren Sohn und zuletzt wiederum von der Beklagten selbst geführt wurden. Nach § 14 des zwischen den Parteien am 31.08.1982 geschlossenen Arbeitsvertrages, hinsichtlich dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 52 bis 55 d. A. Bezug genommen wird, finden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen der Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel Rheinland-Pfalz Anwendung. Die Anzahl der bei der Beklagten in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer und die damit verbundene Frage, ob das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, sind zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 06.09.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Hiergegen richtet sich die von der Klägerin am 10.09.2012 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage.
Die Beklagte hat die Kündigung erstinstanzlich u. a. damit begründet, die Klägerin habe am 27.08.2012 ihre Arbeitskollegin A., nachdem sie dieser zunächst die Entnahme von 20,00 EUR aus der Ladenkasse unterstellt habe, als "dreckige Diebin" sowie "blöde Kuh" bezeichnet und anschließend in einem Telefonat gegenüber ihrem (der Klägerin) Ehemann wahrheitswidrig behauptet, die Mitarbeiterin A. habe ihr ins Gesicht geschlagen.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 07.02.2013 (Bl. 67 bis 71 d. A.).
Die Klägerin hat beantragt:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 06.09.2012, zugegangen am 07.09.2012, nicht beendet worden ist,
die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Fachverkäuferin weiterzubeschäftigen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 07.02.2013 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die streitbefangene Kündigung nicht beendet worden ist und die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Fachverkäuferin weiterzubeschäftigen. Den nach Auffassung des Arbeitsgerichts über den Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des Kündigungsschutzverfahrens hinausgehenden Weiterbeschäftigungsantrag hat das Arbeitsgericht abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits zu ¼ der Klägerin und zu ¾ der Beklagten auferlegt. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 10 des erstinstanzlichen Urteils (= Bl. 71 bis 75 d. A.) verwiesen.
Gegen das beiden Parteien am 15.05.2013 zugestellte Urteil haben sowohl die Klägerin als auch die Beklagte am 11.06.2013 Berufung eingelegt. Die Berufung der Beklagten ist am 08.07.2013, die der Klägerin am 14.07.2013 begründetworden.
Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe es vor Kündigungsausspruch nicht der Erteilung einer Abmahnung bedurft. Diesbezüglich sei die Annahme des Arbeitsgerichts unzutreffend, wonach das Arbeitsverhältnis erst seit dem Jahr 2012 belastet gewesen sei. Dies treffe bereits im Hinblick auf die Vielzahl der in der Vergangenheit zwischen der Klägerin und ihr - der Beklagten - geführten gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht zu. Die Klägerin sei überdies wegen ihres Fehlverhaltens gegenüber Mitarbeiterinnen in den Monaten April, Mai und Juni 2012 mehrfach darauf hingewiesen worden, dass sie mit dem Ausspruch einer Kündigung rechnen müssen, falls sie ihr unkollegiales und teilweise sogar strafrechtlich relevantes Verhalten fortsetze. Letztlich sei das Fehlverhalten vom 27.08.2012, bei welchem die Klägerin die Mitarbeiterin A. als "dreckige Diebin" und "blöde Kuh" bezeichnet und darüber hinaus auch wahrheitswidrig gegenüber ihrem Ehemann behauptet habe, die Mitarbeiterin A. habe ihr ins Gesicht geschlagen, nur der letzte Anlass zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung gewesen, nachdem sämtliche weiteren Mitarbeiterinnen erklärt hätten, mit der Klägerin nicht mehr zusammenarbeiten zu können. Schließlich sei die Auffassung des Arbeitsgerichts unzutreffend, wonach § 15 Ziffer 5 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel Rheinland-Pfalz einer Umdeutung der außerordentlichen fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung ausschließe. Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei daher jedenfalls durch ordentliche Kündigung vom 06.09.2012 aufgelöst worden.
Die Beklagte beantragt,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil soweit der Klage stattgegeben wurde und macht zur Begründung ihrer eigenen Berufung im Wesentlichen geltend, zu Unrecht habe das Arbeitsgericht ihren Weiterbeschäftigungsantrag teilweise abgewiesen. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Weiterbeschäftigungsantrag sei nämlich von vornherein auf den Zeitraum des Kündigungsschutzrechtsstreits beschränkt gewesen. Zumindest hätte das Arbeitsgericht insoweit auf eine Klarstellung des Antrages hinwirken müssen. Soweit das Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen ausführe, dass der Weiterbeschäftigungsanspruch nicht über das Ende des Kündigungsschutzverfahrens hinausgehe, so sei dies unzutreffend. Falls sie - die Klägerin - im vorliegenden Kündigungsschutzverfahren obsiege, so stünde nämlich der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und die Verpflichtung der Beklagten zur zeitlich unbegrenzten Weiterbeschäftigung fest. Sie - die Klägerin - sei daher durch die vom Arbeitsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils vorgenommene Beschränkung des Weiterbeschäftigungsanspruchs beschwert, was auch in der ausgeurteilten Kostenfolge zum Ausdruck komme.
Die Klägerin beantragt,
das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern und nach ihrem Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die von ihnen in zweiter Instanz zu den Akten gereichten Schrift-sätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin A. und des Zeugen B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.02.2014 (Bl. 234 ff. d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.Die Berufung der Klägerin ist unzulässig.
Zwar hat die Klägerin ihre Berufung sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet. Im Hinblick auf den Berufungsantrag der Klägerin fehlt es jedoch an der für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlichen Beschwer.
Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt eine Beschwer des Rechtsmittelklägers voraus, die nicht allein im Kostenpunkt bestehen darf, sowie das Bestreben, diese Beschwer mit dem Rechtsmittel zu beseitigen. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Die Klägerin ist durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert.
Zwar hat das Arbeitsgericht sowohl nach dem Wortlaut des Urteilstenors als auch nach Maßgabe der Ausführungen unter II. der Entscheidungsgründe einen Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin insoweit abgewiesen, als dieser über den Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens hinausgeht. Einen solchen, zeitlich unbeschränkten Weiterbeschäftigungsantrag hatte die Klägerin jedoch, wie sie in ihrer Berufungsbegründung selbst geltend macht, nicht gestellt. Zwar enthielt der erstinstanzliche Weiterbeschäftigungsantrag seinem Wortlaut nach insoweit keine zeitliche Beschränkung; gleichwohl war er jedoch dahingehend auszulegen, dass er sich - wie im Allgemeinen üblich - ausschließlich auf die Dauer des Kündigungsrechtsstreits bezieht (vgl. KR-Etzel, 10. Auflage, § 102 BetrVG, Rz. 285). Hiervon geht die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung selbst aus. Sie macht damit gerade nicht geltend, das Arbeitsgericht habe einen von ihr erhobenen Anspruch teilweise abgewiesen.
Soweit die Klägerin durch die Kostenentscheidung des Arbeitsgerichts beschwert ist, so ist dies nach § 99 Abs. 1 ZPO für die Frage der Zulässigkeit der Berufung ohne Belang.
II.1. Die Berufung der Beklagten ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
2. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung aufgelöst worden. Die Kündigung erweist sich wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB sowie in Ermangelung sonstiger Unwirksamkeitsgründe als rechtswirksam.
Ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB ist nach der allgemeinen gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses so fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d. h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.
Es ist allgemein anerkannt, dass grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Der Arbeitnehmer kann sich dann nicht erfolgreich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Entsprechendes gilt für bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, etwa wenn sie den Tatbestand der üblichen Nachrede erfüllen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt zum einen weder Formalbeleidigungen und bloße Schmähungen noch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen. Auch eine einmalige Ehrverletzung ist kündigungsrelevant und umso schwerwiegender, je unverhältnismäßiger und je überlegter sie erfolgte.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass die Klägerin am 27.08.2012 ihre Arbeitskollegin, die Zeugin A., zunächst beschuldigte, einen Geldbetrag von 20,00 EUR aus der Ladenkasse entnommen zu haben, die Mitarbeiterin sodann als "blöde Kuh" betitelte und schließlich gegenüber ihrem (der Klägerin) Ehemann bei einem Telefonat wahrheitswidrig behauptete, ihre Arbeitskollegin A. habe ihr ins Gesicht geschlagen. Die Zeugin A. hat bei ihrer Vernehmung die diesbezüglichen Behauptungen der Beklagten in vollem Umfang bestätigt. Die Aussage der Zeugin erachtet das Berufungsgericht in hohem Maße als glaubwürdig. Dies gründet sich zum einen aus dem persönlichen Eindruck, den die Zeugin bei ihrer Vernehmung hinterließ, welcher keinerlei Zweifel an der Richtigkeit ihrer Aussage aufkommen ließ. Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht jedoch insbesondere der Umstand, dass sie - für das Gericht erkennbar - äußerst und ehrlich darum bemüht war, eine in allen Einzelheiten wahrheitsgemäße Aussage zu tätigen. So hat die Zeugin beispielsweise offen eingeräumt, dass sie sich - entgegen des Inhalts ihrer zu den Akten gereichten schriftlichen Äußerung (Bl. 175 f. d. A.) - nicht mehr absolutsicher sei, ob die Klägerin auch das Schimpfwort "dreckige Diebin" gebrauchte. Die Zeugin wollte ersichtlich die Gefahr jedweder, etwa auf Erinnerungslücken beruhender Unrichtigkeiten ihrer Aussage vermeiden. Das Arbeitsverhältnis zwischen der Zeugin und der Beklagten ist unstreitig bereits seit über einem Jahr beendet, so dass (auch) von daher keine Anhaltspunkte bestehen, dass die Aussage von einer persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit zur Beklagten beeinflusst war. Letztlich war die Aussage auch in jeder Hinsicht frei von Widersprüchen.
Zwar hat der Ehemann der Klägerin, der Zeuge B., bei seiner Vernehmung ausgesagt, seine Ehefrau habe bei keinem Telefonat ihm gegenüber behauptet, die Zeugin A. habe sie geschlagen. Gleichwohl ist das Berufungsgericht nach Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass auch die diesbezügliche Behauptung der Beklagten, wie von der Zeugin A. bestätigt, zutrifft. Der Aussage des Zeugen B. kann, auch wenn man diese nicht als insgesamt unglaubwürdig erachtet, nicht das gleiche Gewicht beigemessen werden, wie der Aussage der Zeugin A.. Der Zeuge hat zunächst bekundet, er könne sich nicht mehr daran erinnern, was an dem betreffenden Tag, dem 27.08.2012, geschehen sei. Demgegenüber hat er - mit einer nach Empfinden des Gerichts fast übertriebenen Entschiedenheit - erklärt, er sei sich ganz sicher, dass die Klägerin ihm gegenüber nie geäußert habe, von der Zeugin A. geschlagen worden zu sein. Das Berufungsgericht konnte sich bei Würdigung dieser Aussage nicht des Eindrucks verwehren, dass es von vornherein in erster Linie mehr der Absicht des Zeugen entsprach, der Klage seiner Ehefrau zum Erfolg zu verhelfen als eine in jeder Hinsicht wahrheitsgemäße Aussage zu tätigen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht daher zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass die Klägerin am 27.08.2012 ihre Arbeitskollegin jedenfalls unter Verwendung des Schimpfwortes "blöde Kuh" erheblich in der Ehre verletzt und wahrheitswidrig einer Körperverletzung bezichtigt hat. Diese Verhaltensweisen stellen zweifellos sowohl jeweils für sich genommen als auch in ihrer Gesamtheit einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB dar.
Die streitbefangene außerordentliche Kündigung erweist sich nicht wegen Fehlens einer vorherigen Abmahnung als unwirksam. Zwar ist eine solche bei einem steuerbaren Verhalten grundsätzlich erforderlich. Bei schweren Pflichtverletzungen gilt dies aber nur, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen (BAG v. 10.10.20002 - 2 AZR 418/01 - EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; BAG v. 21.06.2001 - 2 AZR 325/00 - AP Nr. 5 zu § 55 BAT). Vorliegend konnte die Klägerin keinesfalls annehmen, ihr Verhalten gegenüber der Mitarbeiterin A. am 27.08.2012 werde von der Beklagten nicht als bestandsgefährdendes Verhalten angesehen. Ein Arbeitgeber, der erfährt, dass ein Arbeitnehmer Arbeitskollegen schwerwiegend beleidigt und wahrheitswidrig der Begehung einer Körperverletzung bezichtigt, wird dies keineswegs dulden.
Letztlich steht auch das Ergebnis der bei jeder Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung der Wirksamkeit der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung nicht entgegen. Zwar sprechen für die Klägerin sowohl deren immens lange Betriebszugehörigkeit seit dem 01.09.1982 als auch ihr Lebensalter von 53 Jahren bei Kündigungsausspruch. Demgegenüber ist jedoch zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie als Arbeitgeberin schwerwiegende Beleidigungen und wahrheitswidrige Bezichtigungen unter ihren Beschäftigten schlichtweg nicht dulden kann. Überdies war das Fehlverhalten der Klägerin geeignet, den Betriebsfrieden irreparabel zu zerstören. Die Geschehnisse vom 27.08.2012 bieten auch keinerlei Anhaltspunkte, die das Fehlverhalten der Klägerin in einem günstigeren Licht erscheinen lassen könnten. Die Klägerin war, bevor sie die Zeugin A. beleidigte, an diesem Tag in keiner Weise provoziert worden. Die Beleidigung erfolgte vielmehr ohne jeglichen Grund. Ebensowenig sind Umstände ersichtlich, die es auch nur verständlich machen könnten, dass die Klägerin die Zeugin A. einer Körperverletzung bezichtigte. Insgesamt überwog das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse der Klägerin, das Arbeitsverhältnis jedenfalls noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von 7 Monaten fortzusetzen.
Da die Kündigungsschutzklage damit der Abweisung unterliegt, erweist sich auch der Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin als unbegründet.
III.Auf die Berufung der Beklagten war daher die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen. Die Berufung der Klägerin war als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.