Unstimmigkeiten bei der GDL-Urabstimmung - Warnstreik rechtmäßig
In der Bevölkerung herrscht zu einem großen Teil Unverständnis für den Streik der Lokführer-Gewerkschaft GDL und die als selbstherrlich und arrogant empfunde Art ihres Chefs Weselsky. Befeuert wurde die Situation noch durch ein Interwiev der Bild-Zeitung mit dem Arbeitsrechtler Professor Manfred Löwisch. Er ließ verlauten, dass nach seiner Berechnung die Zustimmung zum Streik vom 07.10.14 - 08.10.14 nicht bei 91 %, sondern nur bei rund 74 % der stimmberechtigten Mitglieder gelegen haben soll. Nach den Berechnungen von Löwisch ergebe sich, dass bei einer Zustimmung von 91 % der abgegebenen Stimmen eine Zustimmung von 74 % vorläge. Zu diesem Ergebnis gelangt man, wenn man auch die Mitglieder einbezieht, die nicht abgestimmt haben.
Urabstimmung als Voraussetzung eines Streiks
Die Arbeitskampfordnung der GDL verlangt, dass „75 % der an der Urabstimmung beteiligten stimmberechtigten Mitglieder“ Ihre Zustimmung zum Streik erteilen müssen.
Die Auslegung der Arbeitskampfordnung der GDL
In den Medien wurde nun Schummelei bis hin zur absichtlichen Fälschung des Wahlergebnisses in Erwägung gezogen. In einer Pressemitteilung vom 19.10.14 warf die GDL der Bahn AG daraufhin „schmutzige Tricks“ vor. Es gab aber auch sachliche Einlassungen in dieser Pressemitteilung. Es sei nach Ansicht der GDL die Arbeitskampfordnung zwingend so auszulegen, dass nur jene Mitglieder erfasst werden, die ihre Stimme (egal ob Ja, Nein oder Enthaltung) abgegeben haben. Nur durch diese aktive Stimmabgabe treten sie in eine „Beteiligung“ ein.
Die Auslegung der GDL ist richtig. Der Wortlaut ist eindeutig: Die Formulierung der Arbeitskampfordnung regelt unmissverständlich, dass nur diejenigen Stimmen von Mitgliedern gezählt werden die „beteiligt“ sind, also tatsächlich an der Abstimmungteilgenommen haben. Anderenfalls hätte die Formulierung gelautet: „75 % aller stimmberechtigten Mitglieder“.
Keine Außenwirkung der GDL-Arbeitskampfordnung
Selbst wenn man der Ansicht folgt, die GDL habe gegen ihre eigene Arbeitskampfordnung verstoßen und einen Streik geführt, obwohl die Urabstimmung nicht die ausreichende Mehrheit ergeben habe, so wäre der Streik dennoch rechtmäßig.
Die Arbeitskampfordnung nebst Satzung der GDL sind interne Regelungen. Sie entfalten keine Außenwirkung. Bei Verstößen hiergegen, ergeben sich Ansprüche auf etwaigen Schadensersatz nur innerhalb der Gewerkschaft, bzw. seiner Mitglieder und Organe. Keinesfalls führt ein Verstoß gegen Vorschriften einer Arbeitskampfordnung -selbst bein einem gefälschten Wahlergebnis- zur Unwirksamkeit des Streiks. Nach der Rechtsprechung ist ein Streik sogar dann rechtmäßig, wenn überhaupt keine Urabstimmung erfolgte (ebenso: Hansjörg Otto, Arbeitsrecht). Erforderlich ist lediglich die Bekanntmachung des Kampfbeschlusses gegenüber dem Streikgegner. Vor dem Streik erfolgte unbestreitbar ordnungsgemäß die Bekanntmachung des Streikbeschlusses gegenüber der Deutschen Bahn AG.
Die gegenläufige Meinung des Ex-GDL-Chefs Schell, nach dessen Ansicht alle Mitglieder bei einer Abstimmung zu zählen sind, ist demnach irrelevant. Der aktuelle Vorstand der GDL trifft die Entscheidungen, die selbstverständlich anders ausfallen dürfen als zur Amtszeit von Herrn Schell. Selbst wenn die Auszählung der Stimmen gegen ein von Herrn Schell damals gesetztes Gebot verstoßen hätte, ändert es nichts am Grundsatz der rein gewerkschaftsinternen Geltung. Um es unförmlich auszudrücken: Außenstehende geht es nicht an, auf welche Weise die GDL zu einer Streik-Entscheidung kommt.
Daher ist der Warnstreik vom 07.10.14 - 08.10.14 unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zulässig gewesen.