Adresse:
Rechtsanwaltskanzlei Moegelin Zerndorfer Weg 63 13465 Berlin
E-Mail:

Versetzung durch Zuweisung eines anderen Tätigkeitsfeldes - LAG BW 13 Sa 72/14

24. Mar
2015

 - 0Bei der Versetzung einer Arbeitnehmerin durch Zuweisung eines anderen Tätigkeitsfeldes hat der Arbeitgeber gemäß § 106 Satz 1 GewO sein Direktionsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Es erfordert nach Ansicht des LAG unter anderem die Beachtung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im Sinne von Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

Volltext des Urteils des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21.01.2015 - 13 Sa 72/14:


Leitsätze

1. Die Ausübung des Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO durch den Arbeitgeber muss billigem Ermessen entsprechen.

2. "Billiges Ermessen" erfordert unter anderem die Beachtung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme im Sinne von Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.


Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 5. September 2014 (Az.: 7 Ca 190/14) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage der Wirksamkeit einer Versetzung der Klägerin anlässlich der Zuweisung eines anderen Tätigkeitsgebiets.

2

Die am 00.00.1960 geborene, einem Kind unterhaltspflichtige Klägerin arbeitet seit dem 1. September 1984 bei der Beklagten, einem börsennotierten Energieversorgungsunternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von rund EUR 4 Milliarden, zu einer monatlichen Vergütung von EUR 6.120,62 brutto nach Vergütungsgruppe ÜT 2 des bei der Beklagten geltenden (Haus-) Manteltarifvertrages. In der Bilanz der Beklagten sind Sachanlagen in Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte von mehr als EUR 800 Millionen ausgewiesen. Die arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien richteten sich seit 1. Mai 2011 nach einem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 13. / 21. April 2011 (vgl. Akten 1. Instanz Bl. 30 bis 35; I/30-35). Darin heißt es unter anderem:

3

"2 Tätigkeit und Aufgabengebiet

4

Der Arbeitnehmer wird innerhalb der Abteilung Zentraleinkauf (K-L.E) als Gruppenleiter Einkauf beschäftigt

5

2.1 Änderungen der Organisation und Geschäftsverteilung behält sich die Gesellschaft ausdrücklich vor. Der Arbeitnehmer ist bereit, ggf. auch ein seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechendes anderes oder zusätzliches Aufgabengebiet innerhalb des MVV-Konzerns (§ 18 Aktiengesetz) zu übernehmen."

6

In dem bei der Beklagten geltenden Manteltarifvertrag (MTV; I/93 ff.), dessen Geltung zwischen den Parteien arbeitsvertraglich vereinbart ist, heißt es unter anderem:

7

"§ 4 Allgemeine Pflichten

8

4.2 Der Arbeitnehmer kann unter Berücksichtigungseiner Kenntnisse und Fähigkeiten sowie seiner bisherigen Tätigkeiten vom Arbeitgeber auch andere als die bei seiner Einstellung vereinbarten Aufgaben zugewiesen bekommen, sowie innerhalb der tarifvertragsschließenden Gesellschaften versetzt werden; die persönlichen Belange des Arbeitnehmers, insbesondere die Frage eines gleichwertigen bzw. zumutbaren Arbeitsplatzes, sind zu berücksichtigen. Im Arbeitsvertrag kann im Einvernehmen mit dem Betriebsrat geregelt werden, dass der Arbeitnehmer innerhalb des MVV-Konzerns (§ 18 Aktiengesetz) versetzt werden kann."

9

Bevor die Klägerin als Gruppenleiterin Einkauf beschäftigt wurde, war sie bei der Beklagten zunächst als SB Einkauf, Einkäufer und dann als Senior Procurement Manager tätig. In einem der Klägerin wegen eines Vorgesetztenwechsels am 31. Juli 2012 erteilten Zwischenzeugnis (vgl. I/13 ff.) heißt es zu ihrem Tätigkeitsbereich, der insbesondere die Verhandlung und Vergabe von Lieferantenverträgen betrifft:

10

"Als Gruppenleiterin ist Frau S. verantwortlich für die fachliche und disziplinarische Führung der Mitarbeiter ihres Einkaufsteams, stellt die ordnungsgemäße und wirtschaftliche Beschaffung für ihre Kunden sicher und wirkt mit bei der Erarbeitung der Einkaufsstrategie"

11

Weiter werden in dem Zwischenzeugnis detailliert die Aufgabengebiete der Tätigkeit der Klägerin beschrieben. Die von der Klägerin geleitete Gruppe besteht aus sieben Arbeitnehmern. Die Klägerin berichtet an die Abteilungsleiterin, die wiederum der Bereichsleitung berichtet.

12

Am 21. Januar 2014 fand ein Personalgespräch der Klägerin mit ihrer Abteilungsleiterin, dem Bereichsleiter und dem Personalleiter statt. Anlässlich dessen wurde der Klägerin mitgeteilt, dass über die "Whistleblower-Hotline" der Hinweis eingegangen sei, der Beklagten seien durch ungerechtfertigte Nachträge im Zusammenhang mit den Projekten X., Y. und Z. ein Schaden im zweistelligen Millionenbereich entstanden. In diesem Zusammenhang sei der Name eines Kollegen, der das Unternehmen bereits verlassen hatte, und der Name der Klägerin genannt worden. Die Klägerin wies solche Vorwürfe zurück. Die Beklagte hat sich zu diesem Komplex nicht mehr geäußert.

13

Anlässlich dieses Personalgesprächs wurden der Klägerin ferner zwei Sachverhalte, die in das Jahr 2011 zurückgingen, vorgehalten, die mit der anonymen Anzeige nichts zu tun hatten. Zum einen ging es darum, dass bezüglich eines Lieferanten, der Firma V. E. GmbH, die sich aus einem bis 2015 geltenden Rahmenvertrag ergebenden Leistungspositionen von der Klägerin ohne interne Rücksprache und ohne Bedarf hierfür erweitert worden seien, wodurch ein Schaden von rund EUR 46.000,00 entstanden sei. Ferner habe die Klägerin im September 2011 gegenüber der Firma V. E. GmbH den von ihr zu beobachtenden Kupferpreis, welcher gegenüber der vorhergehenden Zeit um 15% gesunken war, bei abzurechnenden Kabelpreisen nicht angepasst, wodurch EUR 7.500,00 zu viel bezahlt worden sei. Dieser Betrag ist zwischenzeitlich von der Firma V. E. im März 2014 der Beklagten erstattet worden. Wegen dieser Vorfälle erteilte die Beklagte der Klägerin mit Datum 22. Januar 2014 zwei Abmahnungen (vgl. I/23 ff. und I/26 f.). In einem Begleitschreiben vom 22. Januar 2014 (vgl. I/28 f.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie wegen der Abmahnungen nicht auf weitergehende Maßnahmen verzichte.

14

Mit Schreiben vom 17. März 2014 (vgl. I/86 ff.) beantragte die Beklagte bei dem bei ihr bestehenden Betriebsrat die Zustimmung nach § 99 BetrVG zu einer Versetzung der Klägerin, welcher dieser mit Schreiben vom 25. März 2014 widersprach (vgl. I/90). Mit Schreiben vom 26. März 2014 (vgl. I/91 f.) unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über eine diesbezügliche vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 Abs. 2 BetrVG, die vom Betriebsrat nicht für erforderlich gehalten wurde. Wegen der Zustimmung zur Versetzung und der vorläufig durchgeführten personellen Maßnahme ist beim Arbeitsgericht Mannheim ein Beschlussverfahren anhängig (7 BV 6/14), über welches noch nicht entschieden wurde.

15

Mit Schreiben vom 27. März 2014 (vgl. I/21 f.) sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin ab 1. April 2014 eine "vorläufige Versetzung" in die Organisationseinheit Liegenschaftsmanagement auf die Stelle eines "Transaktionsmanager Immobilien" aus. Die Einzelheiten der diesbezüglichen Tätigkeit ergeben sich insbesondere aus einer Stellenbeschreibung vom 24. März 2014 (vgl. I/ 17 ff.) und einer diesbezüglichen Anlage vom 25. März 2014 (vgl. I/20). In der Stellenbeschreibung heißt es unter anderem:

16

"Grundstücks- und Objektbeschaffung und -verwertung für den Teilkonzern M. und Dritte in Abstimmung mit den Asset Ownern und Auftraggebern

Grundstücke erwerben / verkaufen

Vermessungen & Wertermittlungen durchführen / veranlassen

Eigenverantwortlich (Ver-) Kaufverträge abschließen / Grundstücke erwerben bzw. verkaufen

Objekte verkaufen / verleasen

Führen von Verhandlungen

Abschließen von Kaufverträgen

Objekte ankaufen / leasen

Eigenverantwortlich Kaufverträge abschließen / Objekte erwerben

Mietverträge abschließen

Mietverträge kündigen"

17

Am Tätigkeitsstandort und an der Vergütung ändert sich für die Klägerin durch diese Versetzung nichts. Beide Stellen sind im Stellenbewertungsverfahren mit "ÜT 2" bewertet worden. Anders als in der Tätigkeit als "Gruppenleiterin Einkauf" ist die Stelle nicht mit einer Personalführungsfunktion versehen. Der "Transaktionsmanager Immobilien" berichtet ferner nicht einem Abteilungsleiter sondern unmittelbar einem Bereichsleiter. In der Anlage zur Beschreibung der neuen Stelle heißt es zu "Fachkompetenz, fachspezifisch: grundlegende Kenntnisse im Facility- und Projektmanagement". In der Rubrik "Besonderheiten der Stelle" heißt es: "Verbindung von kaufmännischem Fachwissen aus dem Facility-Management Bereich, sowie Kreativität für die Entwicklung und Verwaltung von Objekten und Grundstücken". Die Klägerin war zuvor weder im Immobilienbereich oder im Bereich Facility-Management tätig. Sie ist seit 1. April 2014 arbeitsunfähig krankgeschrieben.

18

Mit ihrer am 28. April 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 5. Mai 2014 zugestellten Klage begehrt die Klägerin Weiterbeschäftigung als Gruppenleiterin Einkauf und Feststellung der Vertragswidrigkeit der Versetzung auf die Stelle eines Transaktionsmanager Immobilien.

19

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, Anlass für die Versetzung seien nicht die in den Abmahnungen enthaltenen Vorwürfe, sondern die ursprünglich geäußerten ominösen Verdächtigungen und Anschuldigungen, die in keiner Weise begründet seien und welche die Beklagte auch nicht näher begründe. Die Versetzung sei nicht durch das Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Die der Klägerin neu zugewiesene Tätigkeit habe mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten überhaupt nichts zu tun. Der von der Beklagten herangezogene Rationalisierungsschutztarifvertrag sei kein geeigneter Maßstab. Es sei eine Einarbeitungszeit von einem Jahr notwendig. Man benötige für die zugewiesene Stelle außerordentliche Kenntnisse des gesamten Immobilien- und Objektmarktes sowie spezielle Rechtskenntnisse. Die Versetzung sei schon mangels Zustimmung des Betriebsrates hierzu unwirksam. Die Abmahnungen hätten weitergehende Rechte der Beklagten aus den gerügten Vorfällen verbraucht. Im Übrigen seien die Abmahnungen auch unberechtigt, da die Klägerin nicht gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen oder die Firma V. E. GmbH bevorzugt habe. Da die zusätzlichen Leistungspositionen auf Wunsch der Fachabteilung aufgenommen worden seien, sei ein Vertrauensverlust nicht nachvollziehbar. Den Kupferzuschlag habe die Klägerin zusammen mit einem Kollegen im Nachgang gegenüber der Firma V. erfolgreich geltend gemacht.

20

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

21

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin vertragsgemäß als Gruppenleiterin Einkauf in der Abteilung Zentraleinkauf weiter zu beschäftigen.

22

2. Es wird festgestellt, dass die Versetzung der Klägerin auf die Stelle "Transaktionsmanager Immobilien" in der Organisationseinheit Liegenschaftsmanagement vertragswidrig ist.

23

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, die Klägerin habe - wie in den beiden Abmahnungen vorgeworfen - unberechtigt und ohne interne Rückfrage Leistungspositionen der Firma V. E. GmbH gegenüber dem ursprünglichen Rahmenvertrag erweitert und nicht das Absinken des Kupferpreises geltend gemacht. Damit habe die Klägerin schwerwiegend gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Für eine Beschäftigung im Einkauf fehle das erforderliche besondere Vertrauen in die Integrität der Klägerin. Bei den für den Teilkonzern Umwelt Verantwortlichen sei es zu einem Vertrauensverlust gegenüber der Klägerin gekommen, weshalb sie eine weitere Zusammenarbeit mit ihr ablehnten. Daher habe die Beklagte der Klägerin eine andere Tätigkeit zugewiesen, die nach dem Maßstab von § 3 Abs. 3 des Rationalisierungsschutztarifvertrages (vgl. I/96 ff.) gleichwertig beziehungsweise zumutbar sei. Die in einer späteren Stellenausschreibung (vgl. I/123) erwähnten Voraussetzungen erfülle die Klägerin, mit Ausnahme der dort erwähnten grundlegenden Kenntnisse im Facility-Management. Für juristische Fragestellungen könne die Klägerin auf eine Volljuristin zurückgreifen. Die Arbeitspflicht der Klägerin beschränke sich nicht auf die Tätigkeit als Gruppenleiterin Einkauf. Durch den Ausspruch der Abmahnungen habe die Beklagte nicht auf weitergehende Maßnahmen verzichtet, wie sich aus dem Begleitschreiben ergebe. Zwar sei der Kauf und Verkauf von Immobilien etwas anderes als der Einkauf von Wartungsdienstleistungen. Es gebe aber in kaufmännischer Hinsicht zahlreiche Überschneidungen, so dass sich die Klägerin in angemessener Zeit einarbeiten könne.

26

Das Arbeitsgericht hat mit einem am 5. September 2014 verkündeten Urteil nach den Klageanträgen erkannt. Die Versetzung sei unwirksam. Die Beklagte erfülle nicht die Darlegungs- und Beweislast für die Frage, warum der Entzug der Führungsverantwortung dem Maßstab billigen Ermessens genüge und die neu zugewiesene Tätigkeit den Fähigkeiten und Kenntnissen der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer bisherigen Tätigkeit entspreche. Der Verweis auf die Stellenausschreibung genüge nicht. Schon die lange Einarbeitungszeit spreche dagegen, dass die neue Stelle den Kenntnissen und Fähigkeiten der Klägerin entspreche. Die Beklagte habe darlegen müssen, warum die Klägerin für die neue Stelle geeignet sei. Das bloße Bestreiten von Zweifeln genüge nicht. Die Beklagte habe auch keine Abwägung der beidseitigen Interessen mitgeteilt. Da die Versetzung unwirksam sei, könne die Klägerin von der Beklagten Beschäftigung auf ihrer bisherigen Stelle verlangen.

27

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 10. September 2014 zugestellt. Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Berufung, die am 19. September 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist und innerhalb verlängerter Frist mit einem am 1. Dezember 2014 eingegangenen Schriftsatz begründet wurde.

28

Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Versetzung der Klägerin nicht billigem Ermessen entspreche. Es handele sich um eine unternehmerische Entscheidung der Beklagten aus Anlass der den Abmahnungen vom 22. Januar 2014 (I/23 ff. und I/26 f.) zu Grunde liegenden Sachverhalte. Dies habe zu einem schweren Vertrauensverlust der Vorgesetzten der Klägerin und anderer Mitarbeiter der Beklagten gegenüber der Klägerin geführt. Das Arbeitsgericht habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Die Klägerin müsse besonders schwerwiegende Interessen darlegen und nachweisen, die einer Versetzung aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung entgegenstünden. Im Übrigen sei der Vortrag der Beklagten betreffend die Ausübung billigen Ermessens auch ausreichend gewesen. Fehlende Kenntnisse der Klägerin im Facility-Management könnten im Rahmen eines Parallellaufs mit dem bisherigen Stelleninhaber erworben werden. Die der Klägerin neu zugewiesene Stelle sei mit ihrer bisherigen Stelle nach einer standardisierten Bewertung gleichwertig. Die bisherige Führungsverantwortung der Klägerin sei nicht maßgeblich, da dies nur 15% ihrer bisherigen Arbeitszeit ausmache und sie andererseits bei der neuen Stelle direkt dem Bereichsleiter berichte. Außerdem arbeite die Klägerin in der neuen Position nicht isoliert sondern sei in den gesamten Bereich des Facility Management eingebunden, was eine aufgaben- oder projektbezogene Führung mit sich bringe. Die neu zugewiesene Stelle entspreche auch den Fähigkeiten und Kenntnissen der Klägerin und entspreche zum Teil ihrer Tätigkeit im Zentraleinkauf. Insbesondere sei der Erwerb und Verkauf von Grundstücken und Immobilien dem "Verkauf" zuzurechnen. In beiden Bereichen gehe es um kaufmännisches Geschick, um die genaue Kenntnis des Unternehmens und um Erfahrung im Umgang mit internen und externen Kunden beziehungsweise Geschäftspartnern. Sonderkenntnisse juristischer Art seien hierfür nicht erforderlich. Es sei keine Einarbeitungszeit von einem Jahr erforderlich, sondern allenfalls von zwei bis drei Monaten.

29

Die Beklagte beantragt,

30

unter Abänderung des Urteils des ArbG Mannheim vom 5. September 2014, der Beklagten und Berufungsklägerin zugestellt am 10. September 2014, Az. 7 Ca 190/14, die Klage abzuweisen.

31

Die Klägerin beantragt:

32

Die Berufung der Beklagten / Berufungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 05.09.2014, Az: 7 Ca 190/14, wird zurückgewiesen.

33

Die Klägerin verteidigt das mit der Berufung angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts. Grund für die Versetzung seien nicht die Abmahnungen vom 22. Januar 2014, sondern die anonymen Vorwürfe aus dem Gespräch vom 21. Januar 2014, die sich in Luft aufgelöst hätten. Vorliegend gehe es nicht um eine "unternehmerische Entscheidung" sondern eine personelle Einzelmaßnahme. Die gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwürfe seien im Wesentlichen unbegründet. Eine Weigerung, mit der Klägerin zusammenzuarbeiten, werde bestritten, hätte aber auch keine rechtliche Grundlage. Die Erwägungen zur Eingruppierung seien für die Frage der Versetzung unzureichend. Hinsichtlich der Führungsposition der Klägerin beziehe sich die Beklagte auf eine veraltete Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2007. Nachdem nunmehr auch Zielvereinbarungen und kontinuierliche Bewertungen der Mitarbeiter anfielen, mache der Anteil der Führungs- und Leitungsaufgaben der bisherigen Stelle der Klägerin 30% aus und sei für diese prägend, während die neue Stelle solche Aufgaben nicht habe. Diese Stelle entspreche nicht den Kenntnissen und Fähigkeiten der Klägerin und erfordere ein Jahr Einarbeitungszeit. Die Beklagte habe ihre Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Versetzung billigem Ermessen entspreche, nicht erfüllt. Es gebe keinen sachlichen Grund für die Versetzung. Es sei in keiner Weise nachvollziehbar, dass das Vertrauen in die Integrität der Klägerin verletzt sei. Die Zustimmung oder Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zu der Maßnahme werde mit Nichtwissen bestritten.

34

Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrags der Parteien auf die zwischen ihnen in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

I.

35

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 600,00 übersteigt, § 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG. Die Berufung ist auch frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO.

II.

36

Die Berufung der Beklagten ist aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Beklagte zu einer Weiterbeschäftigung der Klägerin als "Gruppenleiterin Einkauf" in der "Abteilung Zentraleinkauf" verurteilt, da die von der Beklagten vorgenommene Versetzung auf die Stelle als "Transaktionsmanager Immobilen" in der Organisationseinheit "Liegenschaftsmanagement" nicht billigem Ermessen im Sinne der §§ 106 Satz 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB entspricht.

37

1. Auf den Antrag der Klägerin war festzustellen, dass ihre Versetzung auf die Stelle eines "Transaktionsmanager Immobilien" in der "Organisationseinheit Liegenschaftsmanagement" unwirksam ist.

38

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 404/08 - EzA § 4 TVG Luftfahrt Nr. 18, mwN), der sich die erkennende Kammer anschließt, hat nach § 106 Satz 1 GewO der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Auch wenn die Versetzung des Arbeitnehmers nach dem Arbeitsvertrag zulässig ist, muss die Ausübung des Direktionsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO billigem Ermessen entsprechen. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 35, BAGE 118, 22). Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Verwertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen (BAG 28. November 1989 - 3 AZR 118/88 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 63, 267). Der Arbeitgeber, der sich auf die Wirksamkeit einer Versetzung beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 106 GewO. Dazu gehört, dass er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass seine Entscheidung billigem Ermessen entspricht (BAG 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 81, AP BGB § 307 Nr. 26).

39

b) Nach diesem Maßstab ist die Versetzung der Klägerin von der Stelle "Gruppenleiterin Einkauf" in der Abteilung Zentraleinkauf auf die Stelle "Transaktionsmanager Immobilien" in der Organisationseinheit Liegenschaftsmanagement unwirksam. Sie entspricht nicht billigem Ermessen, da sie sich nicht in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit hält. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die Maßnahme geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig sein.

40

aa) Vorliegend erweist sich die von der Beklagten ausgesprochene Versetzung der Klägerin schon deshalb als unverhältnismäßig, da sie ungeeignet ist. Die Beklagte begründet die Versetzung mit einem Verlust in die Integrität der Klägerin, da diese in den Fällen "zusätzliche Leistungspositionen" und "Kupferpreis" eigenmächtig Handlungen vorgenommen beziehungsweise unterlassen habe, was zu einer Schädigung der wirtschaftlichen Interessen der Beklagten geführt habe. Wenn die Integrität der Klägerin durch diese Vorkommnisse so weit beschädigt ist, dass man ihr nicht einmal mehr den Einkauf von Kupferkabeln anvertrauen kann, ist es weder einsichtig noch nachvollziehbar, wenn die Beklagte meint, ihr eine Stelle übertragen zu können, die nach der Stellenbeschreibung (vgl. I/17 ff.) zu einem wesentlichen Teil den Erwerb und Verkauf von Grundstücken sowie den eigenverantwortlichen Abschluss von diesbezüglichen (Ver-) Kaufverträgen betrifft. Ferner betrifft diese Stelle ausweislich der Stellenbeschreibung auch den An- und Verkauf anderer Objekte, den eigenverantwortlichen Abschluss sowohl dieser Verträge, als auch von Miet- und Pachtverträgen und das Vertragscontrolling. Wenn die Beklagte das Vertrauen in die Klägerin hat, derartige, wirtschaftlich bedeutende Transaktionen durchzuführen ist es nicht nachvollziehbar, warum sie nicht über genügend Integrität für eine Tätigkeit im Zentraleinkauf verfügen soll, die sogar noch von einer Abteilungsleiterin kontrolliert werden kann. Als Reaktion auf Zweifel an der Integrität der Klägerin ist die Übertragung dieser neuen Stelle mit besonderer wirtschaftlicher Verantwortung nicht geeignet. Ferner ist die Versetzung nicht geeignet, Vorbehalte anderer Arbeitnehmer oder Vorgesetzter auszuräumen, die mangels gegebener Integrität die Zusammenarbeit mit der Klägerin ablehnen würden. Falls die Integrität der Klägerin in Bezug auf den Abschluss von Geschäften beeinträchtigt sein sollte, würde dies in gleicher Weise für den eigenverantwortlichen An- und Verkauf von Grundstücken, anderen Objekten oder den Abschluss von Miet- und Leasingverträgen gelten. Wenn dagegen die Beklagte genügend Vertrauen in die Klägerin hat, ihr solche Aufgaben zu übertragen, ist nicht nachvollziehbar, warum sich andere Arbeitnehmer weigern sollten, mit der Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit im Zentraleinkauf zusammenzuarbeiten.

41

bb) Die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Versetzung ist darüber hinaus deshalb unverhältnismäßig, da sie durch den Entzug einer Führungsposition in die bisherige Stellung der Klägerin eingreift, ohne dass dies erforderlich wäre. Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass es im Rahmen der Führungsverantwortung der Klägerin zu Missständen gekommen wäre, die man mit dieser Versetzung abstellen wollte. Vielmehr bezieht sie die Erforderlichkeit der Abmahnung allein auf die fehlende Integrität der Klägerin im Zusammenhang mit der Vornahme oder dem Unterlassen bestimmter Handlungen in Bezug auf Lieferanten. Gemessen daran ist es nicht erforderlich, der Klägerin, die bisher als Gruppenleiterin eingesetzt war, die Personalführungsverantwortung zu entziehen. Die Erklärungen der Beklagten hierzu, die darauf hinauslaufen sollen, letztlich habe die Klägerin auch auf der neuen Stelle noch Führungsverantwortung, treffen nicht zu. Es mag sein, dass die Klägerin zur Erfüllung dieser Tätigkeit auch auf andere Mitarbeiter zugreifen kann. Dies hat aber nichts mit der Führungsposition, wie sie Klägerin bislang inne hatte, zu tun. Dabei ist insbesondere auf die Erstellung von Beurteilungen oder die Vereinbarung von Zielen hinzuweisen. Die Personalführungsverantwortung macht auch nicht einen nur unbedeutenden Teil der bisherigen Tätigkeit der Klägerin aus, sondern gibt der Stelle als Führungsposition durchaus ihr Gepräge. Warum der Klägerin diese Führungsposition entzogen werden und es keine andere Möglichkeit geben soll, die Klägerin weiter mit solchen Führungsaufgaben zu betrauen, wird von der Beklagten in keiner Weise dargelegt.

42

cc) Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen ist die Versetzung auch deshalb unwirksam, da sie unverhältnismäßig im engeren Sinne ist. Die Beklagte beruft sich für die Begründung der Versetzung auf die in den beiden Abmahnungen vom 22. Januar 2014 (vgl. I/23 ff. und I/26 f.) beschriebenen Sachverhalte. Diese betreffen Vorkommnisse aus den Jahren 2011 und 2012, liegen also mehr als zwei Jahre zurück, ohne dass die Beklagte behaupten würde, dass es in der Folgezeit ähnliche oder vergleichbare Vorkommnisse gegeben hätte. Angesichts dessen ist es nicht nachvollziehbar, wenn die Beklagte meint, solche abgeschlossenen Vorgänge aus der Vergangenheit - unterstellt sie träfen zu - nunmehr zum Anlass eines Eingriffs in das Arbeitsverhältnis der Klägerin nehmen zu können. Eine konkret fortwirkende Bedeutung für die Gegenwart ist hier nicht erkennbar. Sollte die Beklagte meinen, eine Versetzung könne als reine Sanktion für begangenes Fehlverhalten in der Vergangenheit dienen, wäre dies mit den Grundsätzen billigen Ermessens und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht in Einklang zu bringen.

43

2. Erweist sich eine vom Arbeitgeber vorgenommene Versetzung als unwirksam, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Beschäftigung in seiner bisherigen Tätigkeit am bisherigen Ort (vgl. BAG 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 15, BAGE 135, 239 ff. = NZA 2010, 1355 ff.; BAG 17. Februar 1998 - 9 AZR 130/97 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 618 Nr. 27 = EzA BGB § 615 Nr. 89; BAG 26. Januar 1988 - 1 AZR 531/86 - zu II 5 der Gründe, BAGE 57, 242; BAG 14. Juli 1965 - 4 AZR 347/63 - BAGE 17, 241). Bei einer Versetzung handelt es sich um eine einheitliche Maßnahme, die nicht in den Entzug der bisherigen Tätigkeit und die Zuweisung einer neuen Tätigkeit aufgespalten werden kann (vgl. BAG 30. September 1993 - 2 AZR 283/93 - zu B I 3 e ff der Gründe, BAGE 74, 291). Dies gilt auch dann, wenn Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung im Arbeitsvertrag nicht abschließend festgelegt sind, sondern dem Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO) unterliegen. Solange dieser nicht rechtswirksam von seinem Weisungsrecht erneut Gebrauch gemacht oder eine wirksame Freistellung von der Arbeit ausgesprochen hat, bleibt es bei der bisher zugewiesenen Arbeitsaufgabe am bisherigen Ort und der Arbeitnehmer hat einen dementsprechenden Beschäftigungsanspruch.

44

3. Der Beklagten brauchte kein weiteres Schriftsatzrecht auf den Berufungserwiderungsschriftsatz der Klägerin eingeräumt zu werden, da es auf diesen nicht ankam. Die Beklagte hat selbst schon keinen schlüssigen Vortrag geliefert, der begründen könnte, dass die Versetzung der Klägerin billigem Ermessen entspricht.

III.

45

Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.