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Verteilungsverbot von Flugblättern vor einer Kaserne - VG Koblenz 1 K 893/14 KO

15. Feb
2015

Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit kann eingeschränkt werden. Das VG Koblenz hatte zu entscheiden, ob durch das Verbot der Verteilung von Flugblättern gegen Atomwaffen vor dem Fiegerhorst eines Jagdbombergeschwaders betreffende Grundrechte rechtmäßig eingeschränkt wurden.

Der Kläger meldete im Juni 2014 beim Landkreis Cochem-Zell eine Kundgebung am Fliegerhorst Büchel für den 24. Juli 2014 mit fünf Teilnehmern an. Er wies darauf hin, auf der Kundgebung solle ein Flugblatt mit einem Aufruf an alle Bundeswehrsoldaten des Jagdbombergeschwaders 33 (Büchel) verteilt werden. Nach dem Inhalt des Flugblatts sollen die Soldaten die Öffentlichkeit über die Modernisierung von Atomwaffen auf dem Fliegerhorst Büchel sowie über ihnen diesbezüglich erteilte Befehle und Sicherheitsmaßnahmen informieren. Hierin ist ferner ausgeführt, die Stationierung von Atomwaffen sei völkerrechts- und verfassungswidrig. Mit Bescheid vom 9. Juli 2014 verbot der Landkreis die Verteilung des Flugblatts bei der angemeldeten Versammlung, weil hierdurch zur Begehung einer Straftat (Geheimnisverrat) aufgerufen werde. Dies sei als strafbares Verhalten einzustufen.

Hiergegen erhob der Kläger im September 2014 Klage mit dem Ziel, das Gericht möge die Rechtswidrigkeit des Verbots feststellen. Die Klage hatte Erfolg (Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 29. Januar 2015, 1 K 893/14.KO).

Das VG Koblenz erachtete das Verbot, die Flugschrift zu verteilen, als rechtswidrig. Der Landkreis hat nach Ansicht des Gerichts bei seiner Entscheidung die Bedeutung der Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht hinreichend berücksichtigt. Der Kläger habe mit dem Aufruf zum Geheimnisverrat offensichtlich seine Auffassung zur Stationierung und Modernisierung von Atomwaffen kundtun wollen. Aus seiner Sicht habe die öffentliche Aufforderung an die Soldaten als Appell an deren Gewissen verstanden werden können, um hierdurch eine politische Auseinandersetzung über Atomwaffen herbeizuführen. Der Landkreis hätte diese Zielsetzung bei der Verbotsentscheidung würdigen müssen, selbst wenn die Aufforderung eine strafbewehrte Grenzüberschreitung sein sollte. Dies sei nicht geschehen. Die zuständigen Stellen der Bundeswehr seien zudem über die beabsichtigte Verteilung des Flugblattes informiert gewesen und hätten somit einem möglichen Geheimnisverrat entgegenwirken können. Angesichts der geringen Zahl angemeldeter Teilnehmer verbiete sich auch die Annahme, auf die in Büchel stationierten Kräfte hätte durch die Versammlung ein erheblicher Druck zur Begehung eines Geheimnisverrats entstehen können. All diese Umstände habe der Landkreis bei seiner Entscheidung außer Acht gelassen. Mithin leide das Verbot an einem Ermessensdefizit und sei allein deswegen rechtswidrig gewesen.

Volltext des Urteils des Verwaltungsgericht Koblenz vom 29. Januar 2015 - 1 K 893/14.KO:


Tenor

Es wird festgestellt, dass Ziffer 2 des Bescheids vom 9. Juli 2014 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger mit einer Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls der Kläger nicht zuvor Sicher-heit in gleicher Höhe leistet.


Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das Verbot des Verteilens eines Flugblatts bei einer Versammlung rechtswidrig war.

Der Kläger meldete mit Schreiben vom 12. Juni 2014 beim Beklagten eine Kundgebung am Fliegerhorst Büchel für den 24. Juli 2014 (14:00 Uhr bis 16:00 Uhr) mit ca. fünf Teilnehmern an, um gegen die geplante Modernisierung der in Büchel gelagerten Atomwaffen zu protestieren. Er teilte mit, er beabsichtige den beilie-genden Aufruf als Flugschrift zu verteilen. Der Aufruf sei bereits am 5. Juni 2014 an gleicher Stelle verteilt worden, was von der Bundeswehr toleriert worden sei. Die Flugschrift hat folgenden Inhalt:

Aufruf an alle Bundeswehrsoldaten des Jagdbombergeschwaders 33 (Büchel):

Informieren Sie die Öffentlichkeit über den aktuellen Stand der geplanten Modernisierung von Atomwaffen auf dem Fliegerhorst Büchel

Informieren Sie die Öffentlichkeit über die Ihnen diesbezüglich erteilten Befehle, über daraus folgende militärische Abläufe auf dem Fliegerhorst Büchel und über Ihre Tätigkeiten, die in Verbindung mit dem Modernisie-rungsprogramm stehen

Informieren Sie die Öffentlichkeit über den aktuellen Sachstand der Sicherheitsmaßnahmen hinsichtlich der in Büchel bereits stationierten Atomwaffen sowie über daraus folgende Konsequenzen für modernisierte Atomwaffen des Typs B61-12"

Ferner ist in dem Aufruf unter Bezugnahme auf den Stenografischen Bericht des Deutschen Bundestages zur Sitzung vom 2. April 2014 ausgeführt, es stehe fest, dass die auf dem Fliegerhorst stationierten Atomwaffen modernisiert werden sollten. Die Stationierung von Atomwaffen und die durch die Tätigkeit der Soldaten praktizierte Teilhabe seien völkerrechtswidrig. Die Einbindung der Soldaten in die nukleare Teilhabe und der mögliche Einsatz von Atomwaffen seien wegen Ver-stoßes gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verfassungswidrig. Die in Büchel gelagerten Atomwaffen müssten abgezogen und dürften nicht modernisiert werden. Unter der Überschrift „Rechtshilfebelehrung“ ist ausgeführt, die Befolgung des Aufrufs führe wegen § 353 b Strafgesetzbuch (StGB) möglicherweise zur Einleitung eines Strafverfahrens. In diesem Fall erhielten die Soldaten rechtliche Unterstützung.

Hierüber informiert trat Oberleutnant A*** (Stab Fliegerhorstgruppe/Taktisches Luftwaffengeschwader 33) unter dem 16. Juni 2014 der Sachverhaltsdarstellung des Klägers entgegen und bat den Beklagten, dem Kläger als Auflage aufzugeben, den Militärischen Bereich nicht zu betreten. Am gleichen Tag fragte der Beklagte bei der Staatsanwaltschaft Koblenz nach, ob gegen den Aufruf strafrechtliche Bedenken bestünden. Unter dem 9. Juli 2014 teilte der zuständige Staatsanwalt telefonisch mit, gegen den Kläger werde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Mit Bescheid vom 9. Juli 2014 verfügte der Beklagte, dass 1. die für den 24. Juli 2014 angemeldete Versammlung durchgeführt werden kann und 2. die Verteilung des unter dem 12. Juni 2014 vorgelegten Flugblattes verboten wird. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Durch den Inhalt des Flugblattes sei der Tatbestand der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 StGB i.V.m. § 353 b StGB erfüllt. Es werde öffentlich dazu aufgerufen, Informationen über den aktuellen Stand, ergangene Befehle und aktuelle Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf die in Büchel stationierten Atomwaffen preis zu geben. Durch die inhaltliche Gestaltung und die direkte Anrede würde an die Bundeswehrsoldaten appelliert, das Dienstgeheimnis zu verletzen. Somit liege eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit vor. Ein milderes Mittel als das Verbot zur Verteilung der Flugblätter scheide aus. Auflagen könnten lediglich die Durchführung einer Versammlung betreffen. Das inhaltliche Anliegen der Versammlung dürfe durch behördliche Auflagen nicht verändert werden.

Daraufhin erhob der Kläger gegen das in Ziffer 2 enthaltene Verbot mit Schreiben vom 14. Juli 2014 Widerspruch und führte aus, es sei nicht strafbar, die Soldaten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 (Büchel) dazu aufzufordern, die Öffentlichkeit über die Modernisierung der Atomwaffen zu informieren. Der Aufruf sei durch seine Grundrechte gedeckt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2014 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch als unzulässig zurück, da sich das verhängte Verbot mit Ablauf des Kundgebungstages durch Zeitablauf erledigt habe und ein Fortsetzungsfeststellungswiderspruch nicht statthaft sei.

Am 10. September 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, sein Flugblatt stelle einen Beitrag im geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage dar. Der Beklage habe sich nicht einmal im Ansatz damit auseinandergesetzt, ob der Aufruf durch seine Grundechte gedeckt sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

festzustellen, dass das mit Bescheid vom 9. Juli 2014 erteilte Verbot rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, der Kläger habe eine Flugschrift vorgelegt, die zu einer Straftat auffordere. Deswegen habe die Verteilung der Schrift verboten werden dürfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewech-selten Schriftsätze sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung ge-machten Verwaltungs- und Widerspruchsakten verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 Ver-waltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig.

Ziffer 2 des Bescheides vom 9. Juli 2014 hat sich erledigt. Hierin wurde dem Klä-ger untersagt, auf der für den 24. Juli 2014 angemeldeten Kundgebung das dem Beklagten unter dem 12. Juni 2014 vorgelegte Flugblatt zu verteilen. Mit dem Ablauf des Kundgebungstages ist das Verbot gegenstandslos geworden.

Der Kläger verfügt über das notwendige besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Das Verbot, das Flugblatt auf der angemeldeten Versammlung zu verteilen, stellt einen erheblichen Eingriff in die grundgesetzlich verbürgte Meinungs- und Versammlungsfreiheit des Klägers aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG dar. Mit der Verteilung dieser Flugschrift wollte der Kläger augenscheinlich in Form eines plakativen Aufrufs an alle Bundeswehrsoldaten des Jagdbombergeschwaders 33 (Büchel) zum Geheimnisverrat darauf hinweisen, dass die Lagerung von Atomwaffen nach seiner Auffassung völkerrechtswidrig und verfassungswidrig ist. Das Verbot, diese Auffassung in der von ihm gewünschten Form öffentlich kund zu tun, beschränkt sein Recht, mit anderen Personen zur gemeinsamen öffentlichen Meinungsbildung in der von ihnen gewählten Art und Weise zusammenzukommen. Angesichts dieser erheblichen Grundrechtsbeschränkung hat der Kläger vor dem Hintergrund des Art 19 Abs. 4 GG, mit dem ein umfassender Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt gewährt wird, ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Zulässigkeit dieser Maßnahme (vgl. BVerwG, U.v.16.05.2007, – 6 C 23.06 – und U.v.23.03.1999 – 1 C 12.97 –, jeweils zit. nach juris).

Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Ziffer 2 der Verfügung vom 9. Juli 2014 war rechtswidrig. Zwar kann die zuständige Stelle nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz (VersG) eine Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umstän-den die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Die öffentliche Sicherheit im Sinne dieser Bestimmung umfasst den Schutz von Rechtsgütern. Hierzu gehört auch die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen. Dabei liegt in der Regel eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit vor, wenn bei einer Versammlung strafbare Handlungen drohen. Vorliegend hat der Beklagte angenommen, durch die Verteilung des Flugblatts auf der für den 24. Juli 2014 angemeldeten Versammlung werde eine Straftat nach §§ 111, 353 b StGB verwirklicht, weil Soldaten des Jagdbombergeschwaders 33 in Büchel zu einem Geheimnisverrat aufgefordert würden. Ob diese strafrechtliche Bewertung zutrifft, bedarf keiner abschließenden Bewertung.

Denn das angegriffene Verbot des Verteilens des Flugblattes auf der Kundgebung vom 24. Juli 2014 ist jedenfalls nicht in ermessensfehlerfreier Weise erfolgt. Die Entscheidung hierüber leidet an einem Ermessensdefizit. Die Begründung des Verwaltungsaktes gibt entgegen § 1 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG –, 39 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – nicht zu erkennen, dass der Beklagte bei Erlass des Verbots die Bedeutung der Grund-rechte des Klägers aus Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 GG hinreichend berücksichtigt hat. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass eine Versammlungsbehörde in der Regel durch Auflagen im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG auch der Begehung von Straftaten anlässlich einer Versammlung entgegenwirken kann oder sogar soll. Hier liegen aber besondere Einzelfallumstände vor, die es geboten hätten, bei der Ermessensbetätigung diese Grundrechte umfassend in die Abwägung mit einzu-beziehen, selbst wenn man die Flugschrift als strafbare Aufforderung zum Ge-heimnisverrat qualifiziert.

Die Frage, welche Bedeutung die Grundrechte der Meinungs- und Versamm-lungsfreiheit für die Beurteilung eines Verstoßes gegen §§ 111, 353 b StGB ha-ben, wenn die gezielte Aufforderung von Soldaten zum Geheimnisverrat Teil des politischen Meinungskampfes ist, ist bisher in der obergerichtlichen Rechtspre-chung – soweit ersichtlich – noch nicht hinreichend geklärt. Das Kammergericht Berlin (B. v. 10.10.2001 – (4) 1 Ss 118/01, (93/01) –, juris) hat in einem – durch-aus vergleichbaren – Fall, der den öffentlichen Aufruf zur Desertion während des Kosovokonflikts zum Gegenstand hatte, ausgeführt:

„Denn das Bundesverfassungsgericht hat in langjährig gefestigter Recht-sprechung (vgl. grundlegend BVerfGE 7, 198 (210 ff)) immer wieder nachdrücklich betont, dass bei der Auslegung von Meinungsäußerungen, die in einer die Öffentlichkeit besonders berührenden Frage eine Einflussnahme auf den Prozess allgemeiner Meinungsbildung zum Ziel haben und von hier aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG unterfallen, der Inhalt der Erklärung unter Heranziehung des gesamten Kontextes, in dem sie steht, und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen, sozialen und politischen Geschehens, in dem sie gefallen ist, zu ermitteln ist (vgl. BVerfGE 93, 266 (297)). Demzufolge darf eine am Grundrecht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) orientierte Auslegung von Straftatbe-ständen nicht sklavisch am Wortlaut einer Äußerung festhalten, sondern hat den gewollten spezifischen Erklärungsinhalt zu ergründen und dabei auch den Kontext der gesamten Erklärung mit zu bedenken. Für die Ermittlung des Aussageinhalts von Flugblättern und ähnlichen Aufrufen ist daher da-rauf abzustellen, wie die Erklärung von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden wird, wobei es daher weder auf die subjek-tive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen ankommt (vgl. BGH NJW 2000, 3421 (3422 f)). Dabei ist die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils, wie etwa vorliegend der Forderung: "Entfernen Sie sich von der Truppe", in aller Regel nicht zulässig, sondern der gesamte Kontext aller erkennbaren sonstigen Umstände mit zu berücksichtigen. Für die insoweit gebotene Abwä-gung kommt es dabei auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter an, wobei es - anders als bei reinen Tatsachenbehauptungen - grundsätzlich keine Rolle spielt, ob die pointiert vorgetragene Meinung im Einzelfall "richtig" ist oder nicht. Da es Sinn jeder zur Meinungsbildung bei-tragenden öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, sind angesichts der heutigen Reizüberflutung aller Art einprägsame, teilweise auch überpointierte Formulierungen hinzunehmen, insbesondere, wenn der Äußernde damit nicht eigennützige Ziele verfolgt, sondern einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit besonders berührenden Frage leisten will (vgl. BVerfGE 82, 236 (267) und 24, 278 (286); BGH NJW 2000, 3421 (3422))“.

Dies berücksichtigend wollte der Kläger mit der dem Beklagten unter dem 12. Juni 2014 vorgelegten Flugschrift offensichtlich seine Auffassung zur Stationierung und Modernisierung von Atomwaffen auf dem Fliegerhorst Cochem-Büchel kundtun, indem er in provozierender Weise Soldaten zum Geheimnisverrat aufruft. Dies verdeutlicht die in der Flugschrift hierfür enthaltene Begründung. Hierin ist ausge-führt, die Stationierung von Atomwaffen sei völkerrechtswidrig und der mögliche Einsatz von Atomwaffen wegen Verstoßes gegen das Recht auf Leben und kör-perliche Unversehrtheit verfassungswidrig. Von daher kann die Aufforderung an die in Büchel stationierten Soldaten des Jagdbombergeschwaders 33 auch als Appell an deren Gewissen verstanden werden mit dem Ziel, hierdurch eine öffent-liche Auseinandersetzung über Fragen der Stationierung und Modernisierung von Atomwaffen herbeizuführen. Selbst wenn die in der Flugschrift enthaltene Auffor-derung eine strafbewehrte Grenzüberschreitung sein sollte, hätte der Beklagte diese politische Zielsetzung des Klägers bei seiner Entscheidung würdigen müs-sen. Dies gilt umso mehr, als die zuständigen Stellen der Bundeswehr über die beabsichtigte Verteilung des Flugblattes informiert und damit auch in der Lage waren, die betroffenen Soldaten über die Bedeutung der Wahrung militärischer Geheimnisse für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nochmals angemessen zu unterrichten und einem Geheimnisverrat entgegenzuwirken. Hinzu kommt, dass nach der Anmeldung vom 12. Juni 2014 an der Versammlung lediglich fünf Personen teilnehmen sollten. Angesichts der geringen Teilnehmerzahl verbietet sich die Annahme, auf die in Büchel stationierten Kräfte hätte durch die Vielzahl von Menschen ein erheblicher Druck zur Begehung eines Geheimnisverrats entstehen können.

All diese Umstände hat der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung augen-scheinlich nicht berücksichtigt, sondern lediglich darauf abgestellt, der Inhalt der Flugschrift sei als öffentliche Aufforderung zum Geheimnisverrat zu bewerten, ein Verbot deswegen erforderlich. Zur Angemessenheit des angegriffenen Verbots im Hinblick auf die oben gezeigten Einzelfallumstände verhält sich der Bescheid vom 9. Juli 2014 nicht. Wurden angesichts dessen Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 GG sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Ermessensentscheidung eingestellt, ist das angegriffene Verbot allein deswegen schon rechtswidrig gewesen.

Nach allem war der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzuge-ben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung

Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz be-antragen. Dabei müssen sie sich durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation ver-treten lassen.

Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich oder in elektronischer Form zu stellen. Er muss das ange-fochtene Urteil bezeichnen.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzu-legen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich oder in elektro-nischer Form einzureichen.

Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsver-kehr mit den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten vom 9. Januar 2008 (GVBl. S. 33) in der jeweils geltenden Fassung zu übermitteln ist.

Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bun-desverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichts-höfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensman-gel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

gez. Meier gez. Gietzen gez. Dr. Habermann

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten und den sonst von der Entschei-dung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € übersteigt.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nach-dem die Entscheidung zur Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, eingelegt wird.

Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich, in elektronischer Form oder zu Protokoll der Ge-schäftsstelle einzulegen.

Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Landesverordnung über den elektronischen Rechtsver-kehr mit den öffentlich-rechtlichen Fachgerichtsbarkeiten vom 9. Januar 2008 (GVBl. S. 33) in der jeweils geltenden Fassung zu übermitteln ist.

gez. Meier gez. Gietzen gez. Dr. Habermann